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Russland-Ukraine-Konflikt: Was plant Putin in der Ukraine?

Was plant Putin in der Ukraine? Die wichtigsten Fragen und Antworten
Ukraine-Konflikt

Was plant Putin in der Ukraine? Die wichtigsten Fragen und Antworten

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    1. Womit rechtfertigt Putin sein Vorgehen?
    1. Womit rechtfertigt Putin sein Vorgehen? Foto: dpa

    Die Waffenruhe in den Separatistengebieten in der östlichen Ukraine war schon in den vergangenen Wochen unter dem Eindruck der russischen Drohungen fragil geworden. Immer wieder kam es zu Schießereien, ukrainische Soldaten, aber auch Zivilisten starben. Deshalb deklariert Wladimir Putin seinen Schritt quasi als „Friedensplan“. Zum einen erklärt er die selbst ernannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk, die faktisch zur Ukraine gehören, aber von Separatisten besetzt sind, für unabhängig. Zum andern schickt er militärische Einheiten, die für „Frieden“ sorgen sollen, wie es in einem Dekret heißt, das der Kremlchef am Montagabend in Moskau unterzeichnete.

    Doch Putin greift als Argument für seinen Schritt auch zu den Geschichtsbüchern. Schon lange hadert er mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Auch jetzt sagte er: „Die heutige Ukraine ist ganz und gar von Russland erschaffen worden.“ In einem Aufsatz schrieb er von Kiew als „Mutter aller russischen Städte“. Viele Ukrainer sprechen russisch, das ist für den Präsidenten ein Beleg für deren Volkszugehörigkeit. Er inszeniert sich als Beschützer. Schon länger spricht er zudem von einem angeblichen Genozid, den ukrainische Soldaten an der mit russischen Pässen ausgestatteten Bevölkerung in den Separatistengebieten verüben würden.

    2. Wird es Putin bei der Ostukraine belassen?
    2. Wird es Putin bei der Ostukraine belassen? Foto: Evgeniy Maloletka, AP/dpa

    Ob es sich bei der Entsendung russischer Truppen in die Ostukraine um eine begrenzte militärische Aktion handelt oder um den Startschuss für einen umfassenden Krieg, kann im Moment nur Wladimir Putin selbst beantworten. Vor allem die Amerikaner, aber auch die norwegische Regierung gehen davon aus, dass er sich nun die ganze Ukraine einverleiben will.

    Dafür spricht, dass Putin der Ukraine quasi das Existenzrecht abspricht, indem er sie als einen Teil Russlands betrachtet. Auch sein Vorwurf, Kiew bastle an atomaren Waffen und könnte Russland damit bedrohen, klingt nach einer vorauseilenden Rechtfertigung, die weitere Schritte möglich machen würde.

    Dass Putin bis zu 190.000 Soldaten entlang der ukrainischen Grenze hat aufziehen lassen, würde einen Einmarsch auf jeden Fall möglich machen. Auf der anderen Seite wäre ein echter Krieg mit der Ukraine für Moskau sehr teuer. Schon die kostspieligen Einsätze in Syrien haben in der eigenen Bevölkerung für Unruhe gesorgt. Fakt ist wohl, dass Russland die Ukraine massiv destabilisieren will – und das gelingt auch mit Nadelstichen. Dank eines „Freundschaftsvertrages“, den Putin mit den Rebellen geschlossen hat, darf Russland eigene Militärstützpunkte in der Ostukraine errichten und betreiben. Vorstellbar wäre auch, dass der Kreml versucht, die Regierung in Kiew zu stürzen und eine Marionettenregierung einzusetzen.

    3. Wie reagiert die Ukraine?
    3. Wie reagiert die Ukraine? Foto: dpa

    „Wir sind dem friedlichen und diplomatischen Weg treu und werden nur auf diesem gehen“, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer Ansprache in der Nacht zum Dienstag. Zugleich betonte der 44-Jährige: „Die Anerkennung der Unabhängigkeit der besetzten Kreise der Gebiete Donezk und Luhansk kann den einseitigen Austritt aus den Minsker Vereinbarungen bedeuten.“ Auf Provokationen werde Kiew nicht reagieren – aber auch kein Territorium aufgeben. Einfach hinnehmen wird die Ukraine den Schritt aus Moskau nicht. Auch wenn die östlichen Landesteile von Separatisten besetzt sind und stärkere Autonomie angestrebt haben, sind sie völkerrechtlich doch noch immer ukrainisches Staatsgebiet. Die Maßnahmen der Russen verletzen die territoriale Integrität und Souveränität der Ukraine und sind unvereinbar mit den Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen. Sollte die Ukraine allerdings die militärische Konfrontation mit Russland eingehen, könnte das schnell zur Eskalation führen. Der russische UN-Botschafter Wassili Nebensja hat bei einer Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates in New York klargestellt: „Wir beabsichtigen nicht, ein neues Blutbad im Donbass zuzulassen.“ Anders gesagt: Wenn die Ukraine gegen die Separatisten vorgeht, wird Moskau zurückschlagen.

    Am Mittwoch hat der ukrainische Sicherheitsrat die Ausrufung des Ausnahmezustands für das gesamte Land angekündigt. Das beziehe sich zunächst auf die kommenden 30 Tage, sagte der Sekretär des Sicherheitsrates, Olexij Danilow, in Kiew. Möglich seien unter anderem Ausgangssperren. Auch verstärkte Polizeipräsenz und das Recht auf willkürliche Kontrollen von Personen und Autos wären damit zulässig. Die Zustimmung des Parlaments stand zunächst noch aus, galt aber als sicher.

    4. Welche Mittel bleiben dem Westen?
    4. Welche Mittel bleiben dem Westen? Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Dass sich nun sofort Nato-Soldaten in Bewegung setzen, ist äußerst unwahrscheinlich. Statt sich in einen militärischen Konflikt ziehen zu lassen, wird der Westen zunächst vor allem versuchen, Wladimir Putin mit einem Wirtschaftskrieg, also mit umfangreichen Sanktionen, zu beeindrucken. Ob das gelingt, ist allerdings fraglich. Immer wieder wurde Russland in den vergangenen Jahren mit Sanktionen überzogen, die Wirkung ist meist schnell verpufft. Auch weil Russland mit China einen starken Partner an der Seite hat, der zumindest manches Loch stopfen kann, das Europa und die USA reißen werden. Hinzu kommt, dass sich der Westen mit Sanktionen immer auch ins eigene Fleisch schneidet – die Abhängigkeit von russischem Gas ist groß. Deutschland will nun vor allem die diplomatischen Wege weiter offen halten. Auch in der jetzigen Situation lehnt Bundeskanzler Olaf Scholz Waffenlieferungen ab. „Das ist eine unveränderte Situation“, sagte er am Dienstag. „Das, was wir machen, ist die ökonomische und wirtschaftliche Resilienz der Ukraine zu stärken, indem wir unverändert der größte finanzielle Stabilisator der Ukraine sind. Und das werden wir auch bleiben.“ Ob das reicht? „Wir erwarten von unseren Partnern klare und wirkungsvolle Schritte der Unterstützung“, hob der ukrainische Staatschef hervor. Jetzt werde sich zeigen, wer ein „wirklicher Freund und Partner“ sei – und wer Russland weiterhin nur mit Worten ängstigen wolle.

    5. Warum ist der Russland-Ukraine-Konflikt für Europa so wichtig?
    5. Warum ist der Russland-Ukraine-Konflikt für Europa so wichtig? Foto: dpa

    „Dieser Tag wird lange als der Tag in Erinnerung bleiben, an dem die Hoffnung und der Traum einer europäischen Architektur auf der Grundlage der Charta von Paris endgültig zu Ende gegangen ist“, schrieb Wolfgang Ischinger am Dienstag auf Twitter. Eine neue und gefährlichere Ära stehe nun bevor. Die Charta von Paris sollte nach der Wiedervereinigung Deutschlands im November 1990 das Ende der Ost-West-Konfrontation besiegeln. Dies scheint nun aufgekündigt. Für den Westen bedeutet das, dass er die eigene Politik grundlegend überdenken muss. Das beste Beispiel hierfür ist Nord Stream 2. Lange glaubte auch Deutschland, dass die Gasleitung ein rein wirtschaftliches Projekt sei. Nun musste es gestoppt werden. Russland zeigt den Europäern nun auch die Grenzen seiner Dialogbereitschaft auf. Das Minsker Abkommen, das den Umgang mit den Separatistengebieten in der Ostukraine regeln sollte, wurde maßgeblich unter deutscher und französischer Führung abgeschlossen. Nun ist es Makulatur. Geht die Nato auf die Forderungen des Kreml ein, eine künftige Nato-Mitgliedschaft der Ukraine dauerhaft auszuschließen, würde dies zudem die Autonomie sämtlicher Ex-Sowjetrepubliken infrage stellen. Russland strebt laut Beobachtern den Rückbau der freiwillig erfolgten Westbindung von ehemaligen Ländern des Warschauer Pakts an. Die militärische Infrastruktur der Nato soll in ganz Mittel- und Osteuropa abgebaut werden – von Polen bis zum Baltikum.

    6. Welche allgemeinen wirtschaftlichen Auswirkungen sind zu erwarten?
    6. Welche allgemeinen wirtschaftlichen Auswirkungen sind zu erwarten? Foto: Stefan Puchner, dpa

    Eigentlich erholt sich die deutsche Wirtschaft derzeit gut von den Folgen der Corona-Krise. Wie das Ifo-Institut am Dienstag meldete, hat sich die Stimmung merklich verbessert. Der Geschäftsklimaindex stieg im Februar. Die Unternehmen waren – auf das Ende der Corona-Krise setzend – zufriedener, die Erwartungen „deutlich verbessert“. Doch nun schwebt die Ukraine-Krise wie ein Damoklesschwert über allem. Chris-Oliver Schickentanz, Chefanlagestratege der Commerzbank Deutschland, sieht ein Problem jedenfalls in der dadurch entstehenden Verunsicherung: „Dies könnte dazu führen, dass Unternehmen und Konsumenten ihre Pläne ein Stück weit aufschieben und damit den wirtschaftlichen Aufschwung gefährden, den wir für März und April erwartet haben.“ Stefan Kooths, Konjunkturchef des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel, schätzt die Situation im Gespräch mit unserer Redaktion ähnlich ein. Er sagt: „Unsicherheit und Kriegsgefahr sind grundsätzlich Dämpfer für Investitionen und Konsum und bremsen damit die Konjunktur.“ Die genauen Auswirkungen seien derzeit aber schwer zu kalkulieren. Der IfW-Vizepräsident betont zugleich: „Klar ist in jedem Fall, dass die beschlossenen Sanktionen die russische Wirtschaft treffen werden. Aber nicht nur sanktionierte Länder tragen die Kosten, sondern auch die sanktionierenden Länder.“ Also auch die Bundesrepublik Deutschland, die als „außenwirtschaftlich intensiv verflochtenes Land“ häufig besonders stark von Sanktionen der Nato-Länder gegen Dritte belastet werde.

    7. Wie hat die Börse reagiert?
    7. Wie hat die Börse reagiert? Foto: Boris Roessler, dpa

    Die Börsen reagierten zunächst heftig, erholten sich aber rasch. Der deutsche Leitindex Dax büßte zum Beispiel zum Handelsstart über zwei Prozent ein und sackte mit 14.400 Punkten auf den tiefsten Stand seit März 2021. Bis zur Mittagszeit konnte er aber die Verluste komplett wettmachen. Zwar hätten sich Großinvestoren bisher nicht wirklich auf eine Eskalation des Konfliktes eingestellt, erklärt Chris-Oliver Schickentanz, Chefanlagestratege der Commerzbank. Das noch bestehende Abwärtspotenzial an der Börse schätze man deshalb auf maximal 5 bis 7 Prozent ein. Bereits in den Tagen zuvor hatte der Dax stark an Wert verloren. Er gehe aber nicht davon aus, dass sich Russland vollkommen anders verhält als in der Krim-Krise 2014, sagt Schickentanz. „Das heißt, dass die Börsen nur einen kurzfristigen Einbruch erleben dürften.“ Für mittelfristig orientierte Anlegerinnen und Anleger könnten die niedrigen Kurse sogar eine Gelegenheit sein, Aktien zuzukaufen.

    8. Welche Auswirkungen hat die Krise auf die Energiepreise?
    8. Welche Auswirkungen hat die Krise auf die Energiepreise? Foto: Peter Kovalev, dpa

    Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) geht von einem „kurzfristigen“ Anstieg“ der Gaspreise aus, hofft aber auf eine „mittelfristige“ Beruhigung der Märkte. Zudem hat Habeck eine Entlastung der Bürger in Aussicht gestellt. "Wir können ja kaum in den Weltmarktpreis eingreifen, bei Gas oder bei Öl. Wir werden aber die EEG-Umlage abschaffen. Wir werden sozialpolitisch gegenhalten", sagte Habeck am Mittwoch im Deutschlandfunk. Das Wichtigste sei zunächst, dass Deutschland genug Gas habe. Dafür sei mit vielen Vorbereitungen gesorgt. Die Gasversorgung sei daher sicher. Angesichts des ungewissen Eskalationsszenarios dürften Einschätzungen zur Preisentwicklung aber nur Momentaufnahmen sein. Und hoch genug sind die Preise ohnehin schon lange.

    IfW-Vizepräsident Kooths sagte unserer Redaktion: „Kriegerische Handlungen sind üblicherweise Treiber für die Rohstoffpreise, vor allem wenn Unsicherheit über die weitere Belieferung besteht. Zunächst werden die Preise an den Spot-Märkten steigen. Für Industrie und Verbraucher schlägt sich das meist mit etwas Verzögerung in höheren Preisen nieder.“ Zugleich hält Kooths es nicht für ausgemacht, dass Russland Gaslieferungen einstellt. Denn: „Verringerte Lieferungen würden den potenziell größten direkten Schaden für Russland bedeuten.“ Gleichwertige Alternativen wie Gaslieferungen nach China stünden kurzfristig nicht zur Verfügung. Der Chefanlagestratege der Commerzbank Schickentanz gibt zu bedenken: „Wir sind bei unseren Energieimporten stark von Russland abhängig.“ Russland ist für Deutschland der mit Abstand größte Gas-Lieferant. Zuletzt stammten rund 67 Prozent der Erdgaseinfuhren aus Russland. Schickentanz weist zudem darauf hin, dass Deutschland zum Beispiel auch 50 Prozent der Kohleimporte aus Putins Reich beziehe. Und was sagt man in Russland? Ex-Präsident Dmitri Medwedew machte am Dienstag deutlich, in welche Richtung es mit den Gaspreisen gehen könnte. Und zwar deutlich nach oben. Medwedew, der stellvertretende Vorsitzende des Sicherheitsrats in Russland, drohte auf Twitter: „Nun gut, herzlich willkommen in der neuen Welt, in der die Europäer bald 2000 Euro pro 1000 Kubikmeter Gas zahlen.“

    9. Wie geht es – auch strategisch – mit der Energieversorgung weiter?
    9. Wie geht es – auch strategisch – mit der Energieversorgung weiter? Foto: Stefan Sauer, dpa

    Klar ist: So weitermachen wie bisher kann man auf Dauer nicht. IfW-Ökonom Kooths analysiert, Deutschland und Europa können kurzfristig selbst „zumindest wenig“ tun. Mittelfristig aber, sagt Kooths, stellt sich die Frage nach dem Aufbau von Reserven und vor allem der Diversifizierung der Energiequellen und -lieferanten. Und Claudia Kemfert, die Energie-Spezialistin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, schreibt: „Wir sollten besser auf eine Diversifizierung der Gasbezüge setzen und können auf Flüssiggas ausweichen. Es gibt ausreichend Flüssiggas-Terminals in Europa, auf die auch Deutschland zugreifen kann.“ Und zum anderen fordert die Forscherin schon länger: „Wir brauchen eine strategische Gasreserve. Und wir sollten die Gasspeicher von Russland zurückkaufen und in Staatsbetrieb verwalten.“ Abgesehen davon sei die beste Antwort auf fossile Energiekriege die Energiewende.

    Alle Informationen zur Eskalation im Ukraine-Konflikt erfahren Sie jederzeit in unserem Live-Blog.

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