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Russland: Sorgt Putin für ein atomares Wettrüsten?

Russland

Sorgt Putin für ein atomares Wettrüsten?

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    Journalisten verfolgen in einem Nebenraum live Putins Rede: „Das ist kein Bluff.“
    Journalisten verfolgen in einem Nebenraum live Putins Rede: „Das ist kein Bluff.“ Foto: Alexander Zemlianichenko, dpa

    Auch wenn westliche Beobachter vieles von Wladimir Putin gewohnt sind, überrascht sie die Aggressivität des Auftritts des russischen Präsidenten: Putin verwandelte seine „Rede an die Nation“ in eine Kampfansage. Zwei Wochen vor der Präsidentschaftswahl, bei der es für Putin allenfalls um die Höhe seines erwartbaren Wahlsiegs geht, präsentierte der Kremlchef seinen staunenden Zuhörern ein beachtliches Arsenal neuer modernster nuklearer Wunderwaffen. Etwa die neue Interkontinentalrakete „Sarmat“, mit der Russland die USA sowohl über den Nord-, als auch den Südpol angreifen könne, ohne dass sie jede noch so moderne Raketenabwehr stoppen könne, wie Putin prahlte.

    Ähnliches soll für die Prototypen der kleinen Hyperschallrakete „Dolch“ gelten: Von Kampfbombern abgefeuert, sollen sie ihr Ziel mit zehnfacher Schallgeschwindigkeit erreichen. Mehr noch: Anders als den US-Militärentwicklern sei es den Russen gelungen, einen Marschflugkörper mit Atomantrieb serienreif zu entwickeln, der fast unbegrenzt weit fliegen könne. Putin behauptete, der noch namenlose Flugkörper sei im Dezember erfolgreich geflogen. Zudem will Russland über ein unbemanntes Atom-U-Boot verfügen, dass völlig unentdeckt aus großer Tiefe zuschlagen könne. Um mögliche Zweifel an der Kreml-Propaganda zu zerstreuen, sendete das russische Staatsfernsehen Aufnahmen erfolgreicher Raketentests. „Das ist kein Bluff“, betonte Putin.

    Die Nato hat ihre Militärpräsenz drastisch aufgestockt

    Dass Russland sein nukleares und konventionelles Waffenarsenal modernisiert, verfolgt der Westen bereits seit längerem mit Besorgnis. Schon vor Jahren warf der damalige US-Präsident Barack Obama Moskau vor, es verstoße mit neuentwickelten Fernlenkraketen gegen die Reichweitengrenzen der bestehenden Abrüstungs- und Atomwaffen-Kontrollverträge. Und seit dem Ukraine-Konflikt mit der Annexion der Krim wachsen die Spannungen zwischen Russland und dem Westen auch auf der militärischen Ebene.

    Um Russland vor einem Übergriff auf die einst sowjetischen baltischen EU-Staaten Litauen, Lettland, Estland oder gar auf Polen abzuschrecken, hat die Nato ihre Militärpräsenz drastisch aufgestockt. Die

    Russland demonstriert im Syrienkrieg an der Seite des Machthabers Baschar al-Assad seine konventionelle Kampfkraft brachial in der Realität. Nun verschärft es die Ost-West-Spannungen mit der nuklearen Aufrüstung. Die jüngst von den USA angekündigte Entwicklung „kleinformatiger Nuklearwaffen“, geht nicht etwa auf eine Kehrtwende des schillernden US-Präsident Donald Trump zurück. Das Projekt ist bereits die Reaktion des US-Militärs auf Putins langfristiges Aufrüstungsprogramm.

    USA setzt auf neue „Mini-Atombomben“

    Die neuen „Mini-Atombomben“ sollen vor allem eine Lücke im Abschreckungspotenzial gegenüber Russland schließen – aber auch gegen mögliche Nuklearmächte wie Nordkorea oder Iran. Denn sollte es tatsächlich doch zu einem regionalen Atomangriff auf ein Ziel außerhalb der USA kommen, bliebe den Amerikaner im Bündnisfall als atomare Antwort derzeit im Prinzip nur ein großer, alles verheerender Vernichtungsschlag als Antwort. Davor würden die US-Verantwortlichen aber dann möglicherweise doch zurückschrecken. Die Mini-Atomwaffen sollen deshalb eine Abschreckung auf dieser begrenzten Kriegsebene garantieren.

    In einer Welt, die voll von Krisen und Konflikte immer mehr an politischer Stabilität verliert, entfernen sich solche strategischen Gedanken bedrohlich vom Charakter rein theoretischer Sandkastenspiele. Deshalb muss das neue Wettrüsten die Europäer und mittendrin die Deutschen beunruhigen: Ein mögliches atomares Schlachtfeld könnte wie zu Sowjetzeiten im Herzen Europas liegen, auch wenn dies heute noch undenkbar erscheint.

    Die politische Berechenbarkeit schwindet

    Ein Ausweg muss deshalb – ähnlich wie in Zeiten des Kalten Krieges – in neuen Abrüstungsbemühungen, Verhandlungen und Entspannungspolitik liegen. Russland sucht in der militärischen Stärke jene verlorene Macht, die einst die Sowjetunion politisch hatte. Denn Putins Riesenland konnte diesen Verlust entgegen eigener Erwartungen nie wirtschaftlich kompensieren. Doch jede Form der Annäherung könnte möglicherweise noch schwieriger werden als zu Zeiten des alten Ost-Westkonflikts. Denn Russland macht durch sein Vorgehen auf der Krim, seine Cyberangriffe und die destabilisierenden Einflussnahmen auf die US-Wahl jedes Entgegenkommen immer schwieriger. Anderseits schwindet auch in den USA und Europa die politische Berechenbarkeit. Zum Beispiel, wenn Deutschland just seinen in Moskau respektierten Außenminister wegen interner Parteimachtspielchen opfern würde.

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