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Russland rückt immer tiefer in die Ukraine vor

Krieg in der Ukraine

Russland rückt immer tiefer in die Ukraine vor

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    Feuerwehrleute löschen in Saporischschja die Brände, die von russischen Lenkbomben verursacht wurden.
    Feuerwehrleute löschen in Saporischschja die Brände, die von russischen Lenkbomben verursacht wurden. Foto: Ukrainian Emergency Service, dpa

    Fast 1000 Tage sind vergangen, seit der russische Präsident Wladimir Putin seine Truppen an der Ostgrenze der Ukraine einmarschieren ließ. Und die Lage des angegriffenen Landes verschärft sich zunehmend. Vor allem in der Region Donezk gelangen Putins Soldaten zuletzt deutliche Geländegewinne, gleich mehrere Dörfer konnten sie besetzen. Wie das „Institut for the Study of War“ in einem seiner regelmäßigen Lageberichte schreibt, habe Moskau allein im Oktober eine Fläche von fast 500 Quadratkilometern eingenommen. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2023 waren es rund 600 Quadratkilometer.

    Ein Ende der Angriffswelle ist nicht absehbar. Im Gegenteil: Die Streitkräfte wollen versuchen, die Zeit vor dem Beginn der kalten Jahreszeit zu nutzen, um ihre Stellungen zu festigen – oder sogar weiter auszubauen. „Der Feind hört nicht auf, aus mehreren Richtungen anzugreifen, wobei er sich der Luftüberlegenheit und der weitreichenden Feuerkraft bedient und auch bei den Artilleriegranaten einen erheblichen Vorteil hat“, schreibt der Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte, Olexander Syrskyj, auf dem Kommunikationskanal Telegram. Die aktuelle Offensive im Donbass sei eine der schwerwiegendsten seit Beginn des großangelegten Moskauer Angriffes.

    Ukraine erlebt 500 Drohnenangriffe in einer Woche

    Auch in Kiew selbst ist der Krieg in diesen Tagen wieder deutlicher zu spüren. Die ukrainische Hauptstadt wurde mit regelrechten Drohnenschwärmen überzogen. „Das ist reiner Terror gegen die Zivilbevölkerung mit dem Ziel, den Widerstand gegen die russische Invasion zu ersticken“, sagt Joachim Krause, Sicherheitsexperte und Direktor Emeritus des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel. Laut Präsident Wolodymyr Selenskyj gab es in der vergangenen Woche im ganzen Land rund 30 Angriffe mit Raketen und Marschflugkörpern sowie rund 500 Drohnenangriffe, davon allein mehr als 50 in der Nacht zum Sonntag. Die meisten Attacken seien gegen zivile und kritische Infrastruktur – also etwa Energieanlagen – gerichtet gewesen.

    „Operativ verdüstert sich auf dem Schlachtfeld das Bild, denn Russland arbeitet sich langsam, allerdings unter sehr hohen Verlusten vor“, sagt Roderich Kiesewetter, Oberst a.D. und Militärexperte der CDU im Bundestag. Eine besonders blutige Schlacht werde um die Industriestadt Pokrovsk erwartet. Nach wie vor fehle es der Ukraine an weitreichenden Systemen, Munition und Soldaten. „Die Zeit spielt auf dem Schlachtfeld für Russland“, befürchtet Kiesewetter. Gleichwohl warnt er davor, die Erfolge auch der Ukraine zu unterschätzen. „Die Ukraine versucht Verteidigungslinien und Frontabschnitte zu halten und zur richtigen Zeit zu verlegen sowie Ressourcen effektiv zu nutzen“, sagt er. „Das ist bislang weitestgehend gelungen.“ Allerdings seien Selenskyj durch die eingeschränkte westliche Unterstützung Grenzen gesetzt.

    Was bewirken die nordkoreanischen Soldaten?

    Ganz anders die Lage des Kremls: Zwar bezahlt die Armee einen hohen Blutzoll, doch es mangelt nicht an „Nachschub“ – egal ob in Form von Mensch oder Material. China und Iran haben Drohnen geliefert, Nordkorea Soldaten und Munition. Von enormer Auswirkung könnte aber noch etwas sein: „Russland hat sehr erfolgreich westliche Regierungen beeinflusst und erzeugt sehr geschickt ein Bild des übermächtigen Gegners“, sagt Kiesewetter. „Propagandistisch soll Russland als unbesiegbar dargestellt werden und die Unterstützung der Ukraine somit als nicht lohnenswert.“ Oder anders gesagt: Russland verfolge die Strategie, den Westen mit zunehmender Eskalation zur De-Eskalation, also zum Rückgang der Ukraine-Unterstützung zu bewegen. Für Selenskyj ist das ein Teufelskreis: Je schwieriger seine Lage ist, umso mehr könnte auch die Unterstützung bröckeln und er zur Kapitulation gedrängt werden.

    Sorge bereitet der Nato aktuell vor allem der mögliche Einsatz von nordkoreanischen Kämpfern. Nach Angaben der Vereinigten Staaten stehen bis zu 8000 nordkoreanische Soldaten nahe der ukrainischen Grenze, sie könnten in den kommenden Tagen von Russland im Krieg eingesetzt werden. Auch hier spielt der psychologische Effekt, den Putin erzielt, eine entscheidende Rolle. „Bei russischen Verlusten von derzeit über 1000 Soldaten pro Tag machen die 8000 oder 10000 Nordkoreaner keinen wirklich großen Unterschied“, sagt Sicherheitsexperte Krause.

    Die nordkoreanischen Truppen würden wohl vor allem im russischen Bezirk Kursk eingesetzt, also der Region, in die ukrainische Truppen vorgedrungen waren. „Hier kann Putin mit einer gewissen Berechtigung darauf verweisen, dass hier die Bedingungen des gegenseitigen Beistandsversprechens gegeben sind“, sagt Krause. Völlig offen sei allerdings, wie kampfkräftig diese Einheiten seien und was ihre Aufgaben sind. „Das nordkoreanische Heer gilt als wenig schlagkräftig, weil es noch mit altem sowjetischem Gerät ausgerüstet ist, keine Kampferfahrungen aufweist und die meisten Soldaten unterernährt sein sollen“, sagt der Experte. „Ob die nach Russland transferierten angeblichen ,Eliteeinheiten‘ Nordkoreas wirklich signifikant besser sind oder ob sie im ukrainischen Feuer sterben wie die Fliegen, lässt sich erst in den kommenden Wochen klären.“

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