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Russland: Film über Putins-Palast: Alexej Nawalny bleibt Gefahr für den Präsidenten

Russland

Film über Putins-Palast: Alexej Nawalny bleibt Gefahr für den Präsidenten

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    Das Bild aus einem von Nawalny produzierten Youtube-Video „Ein Palast für Putin“ zeigt ein Anwesen an der Schwarzmeerküste.
    Das Bild aus einem von Nawalny produzierten Youtube-Video „Ein Palast für Putin“ zeigt ein Anwesen an der Schwarzmeerküste. Foto: Navalny Life/dpa

    Russlands Präsident Wladimir Putin hat im Laufe der Zeit viele Bezeichnungen für Alexej Nawalny gefunden. Mal ist dieser ein „einfacher Blogger“, dann „ein bekannter Angeklagter“ oder „der Berliner Patient“. Den Namen seines größten Widersachers nimmt der 68-Jährige nie in den Mund. Als würde sich mit dem Aussprechen der wenigen Buchstaben ein böser Zauber über den Präsidenten, ja über das Land legen und Putin sich diesem Zauber stellen müssen.

    Stattdessen tut der Kreml so, als sei Nawalny, den man wohl als den zweitwichtigsten Politiker in Russland bezeichnen kann, ein Niemand. Die Methode bewirkt das Gegenteil: Das demonstrative Ignorieren des 44-Jährigen zeigt erst, wie wichtig der Kreml Nawalny nimmt. Unfreiwillig hat das System Putin aus Nawalny das gemacht, was er dem Oppositionspolitiker mit aller Kraft abspricht: eine Gefahr für den Kreml.

    Der russische Machtapparat sieht in Nawalny einen nationalen Verräter

    Der Machtapparat sieht in Nawalny einen nationalen Verräter und spricht ihm jegliches Recht ab, als Politiker zu agieren. Längst allerdings ist das System mit Parteien, Wahlen und offenen Diskussionen tot. Nawalny kämpft mit unorthodoxen Mitteln und greift die Führung vehement an. Der Machtapparat fühlt sich bedroht. Also handelt der Kreml nach dem Grundsatz: unterdrücken und leugnen. Als „absoluten Blödsinn“ bezeichnete der Kreml-Sprecher Dmitri Peskow die Vorwürfe, Putin habe Angst vor Nawalny. Der Mann sei ein russischer Bürger, der die Gesetze nicht befolge, mit dem Präsidenten habe das Handeln der Justiz gegen den Zurückgekehrten nichts zu tun.

    Am 29. Januar sollte ein Gericht darüber entscheiden, ob Nawalny gegen Bewährungsauflagen verstoßen habe. Doch kaum war Nawalny nach Moskau zurückgekehrt, landete er im Gefängnis. Am Tag darauf verurteilte ihn ein Gericht direkt auf der Polizeiwache zu 30 Tagen Arrest. „Eine politische Entscheidung“ nennt das der Moskauer Anwalt Alchas Abgadschawa – all die Ereignisse rund um Nawalnys Ankunft, seine Festnahme, seine Verhandlung würden schließlich russische Gesetze verletzen. Selbst die geforderte Umwandlung seiner Bewährung in eine reale Strafe halte der Sache an sich nicht stand. „Aber er wird dennoch höchstwahrscheinlich verurteilt werden“, meint Abgadschawa.

    Nawalny weist auf die Misstände in Russland mit Enthüllungsvideos hin

    Seit Jahren kämpft Nawalny dafür, die Dinge beim Namen nennen zu dürfen. Er überschreitet Grenzen, die das autoritäre System Putin der russischen Gesellschaft setzt. Die Reaktion des Staates: ebenfalls Grenzüberschreitungen – mit Drohungen, einem Mordversuch und Gefängnis. Nawalny sagt: „Ich habe keine Angst“ und wird allein durch seine Furchtlosigkeit zur Gefahr für ein System, das sich seiner Stabilität rühmt.

    Der selbstbewusste Moskauer Nawalny – mehr als zwei Jahrzehnte jünger als Putin – deckt Korruption auf, zeigt mit Enthüllungsvideos, wie sich die politische Elite auf Kosten ihres Volkes bereichert, wie sie kritische Geister mit Gesetzen zu ausländischen Agenten macht, selbst aber ein westliches Leben lebt – und legt so Heuchelei der „Macht“ offen. Das bringt ihm Sympathien ein. Anerkennung, die ihm allerdings noch nicht das Vertrauen der breiten Massen einbrachte.

    Nawalny hat für Samstag zu Protesten aufgerufen

    In Nawalnys neuem Film – dem fast zweistündigen Werk „Ein Palast für Putin. Geschichte der größten Bestechung“ – greift er den Präsidenten zum ersten Mal direkt an. Innerhalb eines Tages klickten 25 Millionen YouTube-Nutzer das Video an. Mit dem Film will Nawalnys Team für die Freiheit des Oppositionspolitikers kämpfen und auch die für diesen Samstag angekündigten Proteste befeuern, zu denen Nawalny aus der Polizeiwache heraus aufgerufen hatte.

    Der Kampf auf der Straße dürfte noch schwerer werden, als er ohnehin immer war. Wegen der Corona-Pandemie ist jegliche Massenansammlung verboten, viele im Land sind wegen der wirtschaftlichen Lage mit dem eigenen Überleben beschäftigt. Gleichgültigkeit hat sich längst breitgemacht, die TV-Propaganda von „ausländischer Einmischung“ zeigt Wirkung.

    Umfragen unabhängiger Institute zeigen, dass die Mehrheit der Menschen in Russland die Vergiftung Nawalnys für eine Inszenierung halten. Und selbst wenn sie den Staat dahinter vermuten, nehmen sie das hin. „Psychologisch ist das gut zu erklären“, sagt der Politologe Andrej Kolesnikow vom Moskauer Carnegie-Zentrum: „Die Menschen müssen weiterhin mit und in diesem Staat leben, alles Negative schieben sie weit von sich.“

    Im Kampf gegen die Elite auf die moralische Karte setzen

    Nawalny und seine Mitstreiter wollen sich mit dieser Situation jedoch nicht abfinden. Der Jurist setzt bei seinem Kampf gegen die Elite auf die moralische Karte, mehr hat er Putins Macht- und Gewaltmonopol nicht entgegenzusetzen. Diese Option hätte er eingebüßt, wäre er in Deutschland geblieben. Das Risiko, erneut seine Freiheit zu verlieren, nahm Nawalny bewusst in Kauf, um dem Regime keine Ruhe zu lassen. „Die Bösewichte im Kreml“, schreibt er bei Instagram, teilten die Menschen in Russland in drei Kategorien ein: die Trottel, die, die alles verstehen, aber schweigen, und die, die sich weigern zu schweigen und kämpfen, so gut sie können. Er selbst versuche, mit aller Kraft in der dritten Kategorie zu bleiben. Das System aber mag keinen, der laut ist.

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