Nach den antisemitischen Gewaltexzessen in der russischen Teilrepublik Dagestan hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj Moskau einen erneuten Kontrollverlust bescheinigt.
Kremlchef Wladimir Putin hingegen nutzte die Ausschreitungen im Süden seines Landes, um dem Westen Vorwürfe zu machen und seinen eigenen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu rechtfertigen. Und die Niederlande versprechen Kiew eine schnelle Lieferung der zugesagten F-16-Kampfjets.
Selenskyj: Moskau ist in Dagestan Macht entglitten
Russland habe all seine Kräfte mobilisiert, um in seinem schon seit mehr als 20 Monaten andauernden Angriffskrieg besetzte ukrainische Gebiete zu halten, sagte Selenskyj gestern in seiner abendlichen Videoansprache. "Doch dabei haben sie ihr eigenes Staatsgebiet mit einem solchen Ausmaß an Hass und Erniedrigung verseucht, dass Russland bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr die Kontrolle über die Ereignisse verliert", meinte der ukrainische Staatschef, der selbst jüdische Wurzeln hat.
Zuerst seien meuternde russische Söldner in Richtung Moskau marschiert, sagte Selenskyj mit Blick auf den Aufstand des mittlerweile ums Leben gekommenen Wagner-Chefs Jewgeni Prigoschin im Juni. Und nun sei zu beobachten, dass die Macht der Behörden in Dagestan schwinde, meinte Selenskyj weiter.
In Russlands muslimisch geprägtem Nordkaukasus war es am Sonntagabend zu beispiellosen antijüdischen Exzessen gekommen. In Dagestans Hauptstadt Machatschkala stürmte eine aufgebrachte Menge den Flughafen, nachdem dort eine Maschine aus Israel gelandet war. Es folgten schwere Ausschreitungen, Passagiere wurden unter anderem mit Steinen beworfen. Den russischen Behörden zufolge wurden rund 20 Menschen verletzt. Bis gestern Abend wurden mehr als 80 Menschen festgenommen.
Putin nutzt antisemitische Ausschreitungen
Kremlchef Putin nutzte die Ausschreitungen in Dagestan unterdessen für Vorwürfe gegen den Westen. Die Ereignisse in Machatschkala seien nicht zuletzt von ukrainischem Gebiet aus inspiriert worden, "durch die Hände westlicher Geheimdienste", sagte er bei einer Sitzung zur Sicherheitslage Russlands. Belege für die Behauptung einer angeblich ausländischen Steuerung des Vorfalls im muslimisch geprägten Nordkaukasus legte er nicht vor.
Einmal mehr hingegen rechtfertigte der 71-Jährige in diesem Zusammenhang seinen eigenen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Wer gerade wirklich für Wahrheit und Gerechtigkeit kämpfe, seien Russlands Soldaten, sagte Putin. Gegen den russischen Präsidenten ist wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen in der Ukraine bereits ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs erlassen worden.
Niederlande versprechen schnelle F-16-Lieferung
Die Niederlande wollen innerhalb der nächsten zwei Wochen der Ukraine die zugesagten Kampfflugzeuge zur Verfügung stellen. Die F-16 würden in zwei Wochen im Trainingszentrum in Rumänien sein, teilte Ministerpräsident Mark Rutte auf der Plattform X mit. In Rumänien sollen ukrainische Piloten für diese Maschinen ausgebildet werden. "Das bedeutet, dass die Ausbildungen der ukrainischen Piloten schnell beginnen können," schrieb Rutte.
Russische Behörden versteigern Selenskyjs Wohnung
Russlands Behörden haben einem Medienbericht zufolge die Wohnung von Selenskyjs Familie auf der 2014 annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim versteigert. Bei einer Auktion sei die Immobilie für 44,3 Millionen Rubel (rund 440.000 Euro) versteigert worden, berichtete die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass. Insgesamt habe es nur zwei Bieter gegeben. Die etwa 120 Quadratmeter große Wohnung im Luxus-Kurort Jalta war 2023 von den russischen Behörden verstaatlicht worden. Offiziell gehörte sie Selenskyjs Ehefrau, Olena Selenska.
Krim: Geheimdienst meldet Festnahme
Der russische Geheimdienst FSB hat nach eigenen Angaben einen der mutmaßlichen Attentäter des Anschlags auf einen hochrangigen ukrainischen Überläufer, den einstigen Präsidentschaftskandidaten Oleg Zarjow, festgenommen. Es handelt sich demnach um einen 46-jährigen auf der Krim ansässigen Russen.
Der Mann soll - angeblich im Auftrag des ukrainischen Geheimdienstes SBU - die Überwachung von Zarjow organisiert und ein Waffenlager für den Anschlag vorbereitet haben, wie der FSB am Dienstag erklärte. . Der Verdächtige habe seine Tatbeteiligung im Auftrag Kiews gestanden. Unabhängig überprüfen ließen sich die Angaben des FSB nicht.
Dem mutmaßlichen Anschlagskomplizen drohen nach russischem Recht bis zu 20 Jahre Haft. Der ehemals ranghohe ukrainische Politiker Zarjow war Freitagnacht bei einem Anschlag schwer verletzt worden. Inzwischen soll er nach Angaben des FSB außer Lebensgefahr sein.
(dpa)