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Foto: Marius Becker, dpa
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Ein Ausbleiben der Beitragserhöhung werde man „im Programm sehen und hören“, sagte der ARD-Vorsitzende Tom Buhrow Ende Dezember.

Rundfunkbeitrag
23.01.2021

Wird jetzt das Programm der Öffentlich-Rechtlichen zusammengestrichen?

Von Daniel Wirsching

Die geplante Erhöhung des Rundfunkbeitrags für ARD, ZDF und Deutschlandradio liegt auf Eis. Sollte sie nicht kommen, wollen die Sender ihr Angebot ausdünnen.

Es war ein Satz, der noch für gewaltig Ärger sorgen wird: Ende Dezember hatte der ARD-Vorsitzende Tom Buhrow einen drastischen Sparkurs angekündigt. „Ein Ausbleiben der Beitragsanpassung wird gravierende Maßnahmen erfordern, die man im Programm sehen und hören wird“, sagte er – als Reaktion auf einen Eilbeschluss des Bundesverfassungsgerichts zur blockierten Erhöhung des Rundfunkbeitrags.

Von Januar an sollte jeder Haushalt monatlich 86 Cent mehr für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zahlen müssen – 18,36 Euro. Doch dazu kam es nicht, weil Sachsen-Anhalt als einziges Bundesland den entsprechenden Staatsvertrag nicht ratifizierte. Zwingende Folge aus Sicht von ARD, ZDF und Deutschlandradio: Abstriche im Programm.

Geplante Programmeinschnitte rufen Kritik hervor

Aber was bedeutet das? Eine Wiederholungsorgie im Nachmittagsfernsehen? Die Absetzung von TV- und Radioformaten? Die Streichung geplanter Produktionen? Kritiker jedenfalls dachten bei ihren Forderungen nach Sparmaßnahmen etwa an Einschnitte bei den Intendantengehältern – nicht an Einschnitte im Programm.

An welchen Stellen gespart werden soll, können die meisten Sender zu Jahresbeginn nicht konkret sagen. Sie prüften dies gerade oder bald, ist die überwiegend gleichlautende Antwort auf Anfragen unserer Redaktion bei den ARD-Landesrundfunkanstalten, bei Deutschlandradio und ZDF. Der Auslandssender Deutsche Welle finanziert sich nicht über Beitragsgelder, sondern über Zuweisungen des Bundes.

Dass die Öffentlich-Rechtlichen ihren Beitragszahlern Programmeinschnitte verständlich machen werden können, ist zweifelhaft. Sie taten sich bereits schwer damit, zu begründen, warum überhaupt eine Erhöhung auf 18,36 Euro nötig sei – angesichts eines Beitragsaufkommens von zuletzt jährlich acht Milliarden Euro. Diese Summe soll nicht für ein hochwertiges Programm reichen?, fragten Kritiker.

Die Milliarden werden auf die Sender aufgeteilt; so erhielt der Bayerische Rundfunk 2019 knapp 931,5 Millionen Euro. Wie viel Geld ins Programm fließt, ist nicht leicht zu sagen – weil das von den Posten abhängt, die dem „Programm“ zugeschlagen werden. In ihrem Bericht vom Februar 2020 kalkuliert die KEF, die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten, für die vierjährige Beitragsperiode von 2021 bis 2024 mit einem Gesamt-Finanzbedarf von 38,6 Milliarden Euro – 16,6 Milliarden davon führt sie unter „Programmaufwand“ auf.

Klar ist: Entrüstung ist programmiert, sollten ARD, ZDF und Deutschlandradio ihr Angebot tatsächlich sicht- und hörbar ausdünnen. Aus Sendersicht ist die Not groß, weil ihnen insgesamt 1,5 Milliarden Euro fehlen könnten – und weil sie die Beitragserhöhung schon eingeplant hatten. Ein Überblick:

Rundfunkanstalten der ARD setzen Vorbereitungen für Kulturangebot aus

Bayerischer Rundfunk: Man werde versuchen, Einschnitte im Programm „so lange es geht zu vermeiden“ und setze auf eine schnelle Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der Hauptsache, sagte ein Sprecher. „Sollte es das ganze Jahr 2021 über bei der nicht bedarfsgerechten Finanzierung bleiben, würden uns zusätzlich rund 31,5 Millionen Euro fehlen.“

Hessischer Rundfunk: „Die Geschäftsleitung wird in den nächsten Wochen über die Situation beraten“, heißt es aus dem HR. Ohne die Beitragsanpassung müsse die Anstalt mit einem Fehlbetrag von rund 15,6 Millionen Euro jährlich planen.

Mitteldeutscher Rundfunk: Die Anstalt für Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen werde ihren Programmauftrag „so gut es geht erfüllen und Schaden – soweit es geht – von unseren Angeboten abwenden“, so eine Sprecherin. Ohne die Erhöhung des Rundfunkbeitrags müsse der MDR mit einem Fehlbetrag von 165 Millionen Euro in der Beitragsperiode 2021 bis 2024 rechnen. Erste Folgen der ausgebliebenen Beitragserhöhung: Die Vorbereitungen für ein digitales ARD-Kulturangebot, das in Mitteldeutschland als öffentlich-rechtliche Gemeinschaftseinrichtung entstehen sollte, werden „zunächst nicht fortgeführt“. Auch Maßnahmen in Bezug auf einen trimedialen Umbau am MDR-Standort Halle werden „vorerst ausgesetzt“.

Norddeutscher Rundfunk: Der Anstalt gehe es darum, „soweit wie möglich Schaden von unseren Programmen abzuwenden“, teilte sie mit. Bliebe es beim bisherigen Rundfunkbeitrag fehle dem NDR – zusätzlich zu bereits getätigten Kürzungen und Einschnitten von 300 Millionen Euro in der Beitragsperiode von 2021 bis 2024 ein weiterer Betrag von 140 Millionen Euro.

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Foto: AZ
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Noch ist keine endgültige Entscheidung darüber gefallen, ob die geplante Erhöhung des Rundfunkbeitrags doch erfolgen kann.

Kleine Sender rechnen mit größeren Problemen

Radio Bremen: Als kleine Anstalt sei Radio Bremen doppelt betroffen, erklärte eine Sprecherin: Es fehlten Mehreinnahmen aus der Beitragsanpassung und vom daran gekoppelten ARD-internen Finanzausgleich, bei dem die größeren Sender die kleineren unterstützen. Ohne beides würden Radio Bremen „monatlich 800.000 Euro fehlen“. Mögliche Kürzungen im Programm würden „sorgsam“ geplant.

Rundfunk Berlin-Brandenburg: Er rechnet mit einem zusätzlichen Finanzloch von rund 60 Millionen Euro über vier Jahre. Konkrete Einspar-Vorhaben, die aus der ausgebliebenen Beitragsanpassung resultieren würden, gebe es noch nicht.

Saarländischer Rundfunk: Wie Radio Bremen gibt auch der SR an, „doppelt schwer“ betroffen zu sein und möglicherweise über rund zehn Millionen Euro weniger pro Jahr verfügen zu können. Ein Sprecher sagte, man diskutiere derzeit über „Übergangsregelungen für die Zeit bis zu der von uns erwarteten Nachholung der Beitragsanpassung“.

Südwestrundfunk: Nach Senderangaben würde eine Nichterhöhung des Rundfunkbeitrags für den SWR pro Jahr einen Fehlbetrag von circa 39 Millionen Euro ausmachen. „Natürlich werden wir manche Dinge nicht mehr tun können. Das wird man dem Programm auch anmerken“, sagte eine Sprecherin. „Aber wir setzen nicht den Rasenmäher an, sondern prüfen, was die Situation für das Programm und unsere Projekte im Einzelfall bedeutet.“

Westdeutscher Rundfunk: Beim WDR geht man von einem möglichen Fehlbetrag von rund 180 Millionen Euro (2021 bis 2024) aus. Bevor man aber im Programm kürze, wolle man zunächst einmal die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abwarten.

Bundesverfassungsgericht: Entscheidung über die Rundfunkbeitragserhöhung steht noch aus

Deutschlandradio: hat schon erste „kurzfristig umsetzbare Maßnahmen“ beschlossen. Ziel sei, den betrieblichen Ablauf und insbesondere den Programmbetrieb bis zum Abschluss des Hauptverfahrens zu gewährleisten, sagte ein Sprecher. Es würden fest eingeplante Projekte, darunter der weitere Ausbau des DAB+-Sendernetzes, „unterbrochen oder zeitlich verschoben“. Betroffen sind auch alle festangestellten und freien Mitarbeiter. Deren Vergütungen werden nicht wie vorgesehen ab April um 2,25 Prozent angehoben. Deutschlandradio hatte mit den Tarifparteien mit Blick auf die bereits offene Beitragserhöhung ein Sonderkündigungsrecht des Tarifvertrags verhandelt.

ZDF: Intendant Thomas Bellut sagte unserer Redaktion bezüglich geplanter Einsparungen im Programm: „Ich halte es gerade in der Corona-Krise für meine Pflicht, die mittelständisch geprägte deutsche Produzentenlandschaft und die Kreativen jetzt weiterhin zu unterstützen und das Programm und die Auftragsvergabe an Produzenten jedenfalls so lange wie möglich nicht einzuschränken.“ Für den Fall, dass eine bedarfsgerechte Finanzierung in einem „angemessenen Zeitraum 2021“ nicht gesichert sei, werde das ZDF Einsparpläne vorlegen.

Ob eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags kommt, liegt in den Händen der obersten Richter. „Wann der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts über das Hauptsacheverfahren entscheidet, ist derzeit nicht absehbar“, sagte Gerichtssprecher Pascal Schellenberg. Bis zur Entscheidung bleibt es bei 17,50 Euro pro Monat und Haushalt. Die Richter haben allerdings Hinweise auf einen für die Sender möglichen erfolgreichen Ausgang des Verfahrens gegeben – in ihrem Eilbeschluss vom 22. Dezember. In dem merkten sie auch an, dass den Sendern bei einem juristischen Sieg „eine kompensierende Mehrausstattung in späteren Zeiträumen“ zustehen könnte. Mit dieser vor Augen könnten sie „für eine gewisse Zeit“ in „Vorleistung“ gehen – schließlich könne eine Verschlechterung des Programmangebots nicht ausgeglichen werden.

Ein Wink mit dem Zaunpfahl, das Programm nicht zusammenzustreichen?

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