Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat den Stopp eines deutschen Rüstungsgeschäfts mit Russland mit der Gefahr einer Ausweitung des Militärkonflikts begründet. „Ich riskiere durch die Auslieferung eines Gefechtszentrums an Russland, dass die militärische Expansion, dass die militärischen Auseinandersetzungen größer werden“, sagte Gabriel am Montag bei einem Unternehmensbesuch im brandenburgischen Wildau.
„Das kann ich nicht verantworten“, fügte der Minister hinzu. „Es geht nicht um Geld, es geht um Menschenleben.“ Angesichts der Ukraine-Krise hatte Gabriel zuvor ein umfangreiches deutsch-russisches Rüstungsgeschäft gestoppt: Es geht dabei um die Lieferung eines Gefechtsübungszentrums (GÜZ) durch die Düsseldorfer Firma Rheinmetall. Das Geschäft hat nach Medienberichten ein Volumen von rund 100 Millionen Euro.
Gabriel: Entscheidung wurde mit dem Kanzleramt abgestimmt
Das Gefechtsübungszentrum, das in der Stadt Mulino in der Wolga-Region erbaut und noch in diesem Jahr in Betrieb genommen werden sollte, war zur Ausbildung von Soldaten mit technisch hoch entwickelten Simulationsinstrumenten vorgesehen. Pro Jahr hätten bis zu 30 000 Soldaten in einer solchen Anlage ausgebildet werden können.
Gabriel hatte das Geschäft bereits im März wegen der Krim-Krise vorläufig auf Eis gelegt. Der Minister sagte am Montag, das Unternehmen habe die Regierung gebeten, für eine „rechtssichere Position“ zu sorgen. „Daher haben wir formal die Ausfuhrgenehmigung widerrufen“, sagte Gabriel weiter. Die Entscheidung sei mit dem Kanzleramt abgestimmt worden.
Russland will wegen Vertragsverletzung vor Gericht
Die Reaktion aus Moskau ließ nicht lange auf sich warten: Russland hat bereits gestern Klage angekündigt. Moskau wolle wegen Vertragsverletzung vor Gericht ziehen, sagte Vize-Verteidigungsminister Juri Borissow am Montag der Nachrichtenagentur Itar-Tass. Borissow betonte, der Stopp beeinflusse den Zeitplan des Projekts nicht. Es solle wie geplant im September abgeschlossen sein. Aus dem russischen Verteidigungsministerium hieß es, der Beitrag von Rheinmetall habe ohnehin nur bei zehn Prozent gelegen, „und unsere Industrie kann das ausgleichen“.
Beobachter fürchten, dass sich die militärische Lage an der Grenze zwischen der Ostukraine und Russland weiter verschärfen könnte: Die russische Luftwaffe hat dort eine groß angelegte Militärübung mit mehr als hundert Flugzeugen begonnen. An dem am Montag gestarteten fünftägigen Manöver seien Bomber, Kampfjets und Abfangjäger sowie Militärhubschrauber beteiligt, erklärte das russische Verteidigungsministerium.
Bei dem russischen Manöver in der Region Astrachan solle die Verteidigungsstrategie im Falle eines „massiven Raketenangriffs“ simuliert werden, hieß es weiter. Ein Sprecher der Luftwaffe, Igor Klimow, erklärte, die Übung habe nichts mit dem Ukraine-Konflikt zu tun. Vielmehr handele es sich um ein „Routinemanöver“. Hierbei sollten unter anderem Raketen getestet werden.
Verwirrung gab es gestern um hunderte ukrainischer Soldaten, die bei schweren Gefechten mit Separatisten auf russisches Gebiet gelangt sind. Die Führung in Kiew bezeichnete die Grenzüberschreitung am Montag als „taktisches Manöver“, russische Behörden sprachen hingegen von Fahnenflucht. Ein Großteil der insgesamt 438 Soldaten wolle vorerst in Russland bleiben, sagte Wassili Malajew vom russischen Inlandsgeheimdienst FSB, der für den Grenzschutz zuständig ist, der Agentur Interfax zufolge. Dies wies die Ukraine mit Nachdruck zurück.
Gaslieferungen eingestellt: Kein warmes Wasser für Kiew
Die ukrainische Hauptstadt Kiew ist seit gestern von der Warmwasserversorgung abgeschnitten. Alle Wärmekraftwerke würden nicht mehr mit Gas versorgt, teilte das private Unternehmen Kievenergo mit, dem der ukrainische Milliardär Rinat Achmetow vorsteht. Hintergrund ist die wirtschaftlich angespannte Lage sowie die Einstellung russischer Gaslieferungen. Bis mindestens Oktober soll kein warmes Wasser fließen. Zuvor hatte bereits Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko angekündigt, dass die Warmwasserversorgung bis Oktober unterbrochen bleibe. Die Stadt ist normalerweise jeden Sommer für zwei Wochen ohne warmes Wasser. „Wir müssen darauf verzichten, um in den Depots Gas für den Winter zu speichern“, erklärte Klitschko. Er hoffe, die Menschen zeigten dafür Verständnis. (dpa, afp)