Sie haben dem Staat an herausgehobener Stelle gedient und sie sorgen sich um ihn: die Ex-Minister Thomas de Maizière (CDU), Peer Steinbrück (SPD) und der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle. Sie warnen: „Das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit unseres Staates schwindet, und damit schwindet auch das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Demokratie“. Der Staat sei teuer, ineffizient, altbacken, marode und habe die Leistungsfähigkeit von früher verloren – siehe die Beispiele Bahn, Bundeswehr und Schulen.
Die ehemaligen Minister und der vormals höchste Richter Deutschlands haben einen knapp 80 Seiten umfassenden Reformplan vorgelegt, um das Staatsschiff wieder flottzumachen. Die drei Herren haben sich zur Unterstützung die Medien-Managerin Julia Jäkel an Bord geholt. Der Empfänger ihrer Nachricht: Der designierte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und sein wahrscheinlicher Koalitionspartner Lars Klingbeil (SPD).
Mit beiden hat die Vierer-Mannschaft ihre Ideen zur großen Staatsform bereits diskutiert. „Es gibt zu Beginn einer jeden Legislaturperiode ein Fenster der Möglichkeiten“, sagte de Maizière.

Die Verwaltung aus dem Papier-Zeitalter holen
In deutschen Amtsstuben geht es sehr traditionell zu. Akten aus Papier und Karton bestimmen das Arbeiten, die Kommunikation der Stellen untereinander ist zäh und wird durch den Datenschutz verlangsamt. „Die Digitalisierung müssen wir viel entschiedener angehen, als wir es bisher getan haben“, mahnte Jäkel. Deshalb soll ein zu schaffendes Digitalministerium einen Plan entwickeln, wie Deutschland in die neue Zeit kommt. Das Ministerium soll dann auch die technische Umsetzung für alle Bundesbehörden steuern. Die 16 Landessdatenschutzbeauftragten wollen die Reformer abschaffen und die Aufgaben beim Bundesdatenschutzbeauftragten bündeln. Das Ziel: Auch die Deutschen sollen auf einer Plattform wichtige Behördengänge elektronisch erledigen können, wie zum Beispiel die Um- und Anmeldung, die Beantragung von Wohngeld und Führerschein oder die Zulassung eines Autos.
Klarheit in den Beziehungen von Bund und Ländern
Politikverflechtungsfalle heißt der Fachbegriff für die verworrenen Beziehungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Zuständigkeiten verwischen, klare Verantwortung für Entscheidung fehlt, die staatlichen Stellen spielen Ping-Pong. Das Reform-Quartett verlangt deshalb eine Reduzierung der Aufgaben mit gemischter Zuständigkeit und bringt ein neues Gesetzgebungsverfahren ins Spiel. Im Bundesrat sollen die Länder ohne Beteiligung des Bundestages Gesetze beschließen dürfen, die Belange der Länder für alle 16 regeln. Bisher treffen die Ministerpräsidenten bei ihren Konferenzen politische Beschlüsse, die jedes Land aber einzeln in Gesetze und Verordnungen gießen muss. Der Flickenteppich der Hygieneregeln während der Corona-Pandemie illustriert das daraus entstehende Wirrwarr.
Den Sozialstaat vereinfachen
„Der deutsche Sozialstaat steht unter einem massiven Druck. Effektivität und Effizienz müssen erhöht werden“, forderte Ex-Finanzminister Steinbrück. Statt wie bislang fünf soll laut dem Reformplan nur noch ein Bundesministerium für die bestehenden 170 Sozialleistungen zuständig sein. Um Bearbeitungsaufwand zu reduzieren, plädieren Steinbrück und Co. für pauschale Lösungen für ganz Deutschland. Nur die Härtefälle würden einzeln überprüft. Alle Bürger sollen staatliche Leistungen auf einer zentralen Plattform beantragen können.

Sicherheit und Migration
Ex-Innenminister de Maizière forderte, dass alle staatlichen Stellen wissen müssen, wenn gegen jemanden ermittelt wird. Der Attentäter des Magdeburger Weihnachtsmarktes war über 100 Mal auffällig geworden, wurde aber nicht gestoppt. Im Reformpapier findet sich außerdem der Vorschlag, dass der Bund von den Ländern die Zuständigkeit für Abschiebungen von Flüchtlingen übernimmt. Die bisherige Trennung von Katastrophen- und Zivilschutz soll aufgehoben werden. Der Bund wird den Überlegungen nach auch die Verantwortung zur Abwehr von Cyberangriffen auf kritische Infrastruktur wie Bahn, Energieversorgung und das Wassernetz erhalten.
Eine neue Vertrauenskultur zwischen Staat, Bürgern und Unternehmen
Über der Generalüberholung des Gemeinwesens soll ein neues Leitbild stehen. Vater Staat gängelt nicht mehr, sondern hat mehr Vertrauen in Bürger und Unternehmen. In diesem Sinne würden Berichtspflichten abgebaut, bei der Steuererklärung mit Pauschalen gearbeitet und die Einhaltung der Regeln stichprobenartig überprüft. Wer dann dagegen verstößt, müsste im Gegenzug mit härteren Strafen rechnen.
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