Die FPD reitet die nächste Attacke gegen den großen Koalitionspartner SPD. In einem kurzen Fünf-Punkte-Papier verlangen die Liberalen Einschnitte bei der Rente und pochen auf die Einhaltung von Finanzdisziplin im Bundeshaushalt. Damit stellen sie das eigentlich zwischen FDP-Chef Christian Lindner und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) geeinte Rentenpaket infrage, das am Mittwoch im Bundeskabinett beschlossen werden soll.
Besonders zwei Sätze aus dem Papier sind es, die für die Sozialdemokraten eine reine Provokation bedeuten: „Die Rente mit 63 wie das Bürgergeld in seiner jetzigen Form setzen Fehlanreize, die wir uns nicht leisten können. Wir brauchen jeden und jede am Arbeitsmarkt, damit es in Deutschland für alle wieder aufwärts gehen kann.“
Die Rente mit 63 ist eigentlich eine Rente mit 65
Die „Rente mit 63“ hat sich im Hauptstadtbetrieb als stehender Begriff etabliert und meint den abschlagsfreien Ruhestand nach 45 Beitragsjahren. Allerdings verschiebt sich der Rentenbeginn mit den Geburtsjahrgängen nach hinten, derzeit liegt er bei 64 Jahren und acht Monaten. Ab dem Jahrgang 1964 wird aus der "Rente mit 63" die "Rente mit 65". Der frühere Beginn des Ruhestands nach einem jahrzehntelangen Arbeitsleben – der reguläre Rentenbeginn bewegt sich Richtung 67 Jahre – ist genauso ein sozialdemokratisches Herzensprojekt wie das Bürgergeld, das Hartz-IV abgelöst hat.
Entsprechend deutlich fällt die Reaktion aus den Reihen der SPD aus. „Es ist eine Frechheit so zu tun, als hätten diese Menschen nicht genug geleistet. Wer 45 Jahre im Schichtdienst war, am Pflegebett oder auf dem Bau gearbeitet hat, hat sich den abschlagsfreien Ruhestand mit 65 mehr als verdient. Die Leute sind fertig“, sagte Sozialexperte Bernd Rützel unserer Redaktion. Wer das infrage stelle, „wie gerade die CDU/CSU und auch die FDP, erfährt meine schärfste Gegenwehr“. Statt schlau daherzureden, sollten sich Union und FDP mit den Arbeitsbedingungen beschäftigen, meinte der Vorsitzende des Arbeits- und Sozialausschusses des Bundestags.
Kanzler Olaf Scholz stimmt in der Rentenfrage voll mit seiner Partei überein und hat betont, dass das Rentenpaket noch im Mai das Kabinett passieren soll. Im Kern sieht es vor, das derzeitige Rentenniveau von 48 Prozent bis 2039 festzuschreiben, obwohl die Gesellschaft altert und die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer in den nächsten Jahren aus ihren Berufen scheiden. Die Beiträge zur Rentenversicherung werden schrittweise steigen, Experten sagen das Gleiche für die Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt zur Rentenkasse voraus. Die FDP fürchtet, dass die Rechnung nicht aufgeht und die gesetzliche Alterssicherung zu teuer wird.
Robert Habeck ruft zu Kompromiss auf
Die SPD ist bei der Rente nicht zu Abstrichen bereit, zum Beispiel durch Änderungen bei der „Rente mit 63“ auf die Freien Demokraten zuzugehen, sodass diese ihren Widerstand aufgeben. Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen rief beide Koalitionspartner zur Kompromissbereitschaft auf. "Wir haben ein Rentenpaket, das haben sich SPD und FDP im Kern ausgedacht. Beide haben ihre Wünsche bekommen", sagte er dem Nachrichtensender N-TV. Denn Teil des Rentenpaketes ist der Einstieg in die Aktienrente, die die Liberalen vorangetrieben haben.
In ihrem 5-Punkte-Papier unterstreichen sie noch einmal ihr Bekenntnis zur Schuldenbremse, die dem Bund nur eine geringe Neuverschuldung erlaubt. „Die Schuldenbremse ist ein Stabilitätsanker für Deutschland und Europa. Deshalb muss sie auch 2025 eingehalten werden“, verlangt die FDP. Wenn das gelingen soll, muss die Bundesregierung sparen. Doch ein Teil der Minister hat bislang den Aufruf von Finanzminister Lindner ignoriert und sogar Mehrbedarfe angemeldet. Gestritten wird um das Geld, was die ohnehin angespannte Stimmung im Dreierbündnis belastet.