Im Berufsleben als selbstständiger Unternehmer gearbeitet, aber nicht genug für das Alter zurück gelegt und am Ende im Ruhestand auf Grundsicherung vom Staat angewiesen – solche Lebensläufe will die Bundesregierung verhindern und plant deshalb, dass sich Selbstständige obligatorisch absichern. Das haben CDU/CSU und SPD so in ihrem Koalitionsvertrag festgelegt. Die Vorbereitungen für ein Gesetz laufen, aber ein Entwurf liegt noch nicht vor. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat ihn bisher für Ende des Jahres angekündigt.
In Deutschland gibt es gut vier Millionen Selbstständige. Ein Teil von ihnen – etwa Handwerker, Künstler und Publizisten, Hebammen und freiberufliche Lehrer – ist gesetzlich pflichtversichert. Alle anderen Selbstständigen können bisher auf Antrag in der Rentenversicherung pflichtversichert werden. Nach dem heutigen Recht müssen sich die versicherungspflichtigen Selbstständigen selbst melden. Nur tun es viele „aus verschiedenen Gründen zu spät oder auch gar nicht“, sagt Gundula Roßbach, die Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung Bund in Berlin.
Heutzutage muss noch der Einkommensbescheid auf Papier vorgelegt werden
Nun aber sollen nicht nur alle erfasst, sondern es soll auch ein Modell gefunden werden, mit dem Beitragsgerechtigkeit herrscht und Gründer nicht abgeschreckt werden. Gleichzeitig wünscht sich Roßbach eine Modernisierung und Entbürokratisierung der Verfahren. Heute ist es beispielsweise noch so, dass Selbstständige, die gesetzlich rentenversichert sind und einkommensgerechte Beiträge wählen, dem Rentenversicherungsträger ihren Einkommensteuerbescheid in Papierform vorlegen. Auf dieser Basis wird dann der Beitrag ermittelt.
Angesichts der zu erwartenden Masse neuer Pflichtversicherter pocht die Rentenversicherung auf ein elektronisches Verfahren, das auf bestehenden Meldeverpflichtungen aufbaut. „Eine automatisierte Weitergabe der von der Finanzverwaltung erhobenen Informationen an die Rentenversicherung“ schwebt Roßbach vor. Zusätzlich denkbar wäre ein Datenaustausch mit den Gewerbeämtern. Damit könne nicht nur der betroffene Personenkreis vollständig erfasst werden, sondern auch die Höhe der wesentlichen Einkünfte aus selbstständiger Erwerbstätigkeit läge dann bereits vor. Der Chefin der Rentenversicherung geht es unabdingbar um ein „schlankes und weitestgehend automatisiertes Verfahren“.
Rente für Selbstständige: Wer soll damit anfangen?
So weit, so gut. Die Bundesregierung plant aber auch, dass die Selbstständigen wählen sollen zwischen der gesetzlichen Rente und anderen geeigneten Vorsorgearten. Für die Alternative kommt aber nicht jedes private Versicherungsprodukt infrage. Um herauszufinden, welches geeignet und vor allem insolvenz- und pfändungssicher ist, gibt es laut Roßbach zwei Wege. Entweder muss die angebotene private Altersvorsorge durch eine staatliche Stelle wie die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zertifiziert, also eine Art „Positivliste“ erstellt werden. Oder es werden bestimmte Produkte, wie beispielsweise die „Rürup-Renten“, als verpflichtende Vorsorge gesetzlich festgelegt, die dann „für Rentenverwaltung und Selbstständige zweifelsfrei und damit rechtssicher als solche erkennbar sind“, sagt Roßbach.
Es stellt sich auch die Frage, wo man anfängt. Eine Möglichkeit, so die Rentenexperten, wäre die Beschränkung der obligatorischen Vorsorge auf jene Personen, die eine selbstständige Tätigkeit neu aufnehmen. Das wären rund 350.000 pro Jahr. Damit würde aber das Ziel, das überdurchschnittlich große Risiko von Altersarmut zu verringern, nur sehr langsam erreicht. Außerdem würde dies zu Wettbewerbsnachteilen der Jungunternehmer gegenüber Nichtversicherten führen.
Die Deutsche Rentenversicherung geht deshalb eher davon aus, dass alle Selbstständigen sofort einbezogen werden. Dann werde es allerdings darauf ankommen, Regelungen zu finden, die eine bisherige Altersvorsorge einbeziehen („Vertrauensschutz“).
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