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Rente: Das 60-Milliarden-Euro-Projekt: Das sind Nahles' Rentenpläne

Rente

Das 60-Milliarden-Euro-Projekt: Das sind Nahles' Rentenpläne

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    Solidarität, die Geld kostet: Nach nur vier Wochen im Amt hat Sozialministerin Andrea Nahles ihr Konzept für eine Rentenreform bereits fertig.
    Solidarität, die Geld kostet: Nach nur vier Wochen im Amt hat Sozialministerin Andrea Nahles ihr Konzept für eine Rentenreform bereits fertig. Foto: Rainer Jensen, dpa

    Es gibt Ministerien, deren Beamte es nach einem Regierungswechsel etwas ruhiger angehen lassen können – und es gibt das Ministerium für Arbeit und Soziales. Nach der christdemokratischen Powerfrau Ursula von der Leyen ist dort die frühere SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles eingezogen, die nun ebenfalls mächtig aufs Tempo drückt und ihr Ressort entsprechend fordert. Obwohl sie noch keine vier Wochen im Amt ist und sich obendrein mit einem schweren Husten herum plagt, hat die neue Ministerin die geplante Rentenreform schon so gut wie fertig. Bis zum Jahr 2020 wird sie Steuer- und Beitragszahler alles in allem 60 Milliarden Euro zusätzlich kosten. Die wichtigsten Vorhaben im Überblick:

    Mütterrente: 9,5 Millionen Frauen in Deutschland erhalten ab 1. Juli mehr Rente. Für jedes Kind, das vor 1992 zur Welt gekommen ist, rechnet der Staat den Müttern (und einigen wenigen Vätern) dann nicht nur ein Erziehungsjahr an, sondern zwei. Bei einer West-Rentnerin macht das pro Kind und Monat etwas mehr als 28 Euro aus, im Osten sind es knapp 26 Euro.

    Koalitionsvertrag: Was auf die Verbraucher zukommt

    Die von Union und SPD im Koalitionsvertrag besiegelten Vorhaben haben Auswirkungen auf viele Lebensbereiche der Bürger. Auf die Verbraucher kommen Neuerungen etwa bei Mieterhöhungen, Arztterminen und in der Datenkommunikation zu.

    MIETPREISBREMSE: Die Länder können in Städten mit angespanntem Wohnungsmarkt - zunächst für fünf Jahre - die Mieterhöhungen bei Wiedervermietung auf zehn Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete begrenzen. Bei Einschaltung eines Maklers gilt: Wer ihn beauftragt, der bezahlt auch.

    DISPOKREDIT: Wer sein Konto überzieht und in den Dispo rutscht, soll von seiner Bank einen Warnhinweis erhalten.

    PFLEGEVORSORGE: Für die Sozialversicherten wird es teurer, da der Beitragssatz zur Pflegeversicherung spätestens zum 1. Januar 2015 steigt - und zwar um 0,3 Prozentpunkte. Danach soll der Beitrag noch einmal um 0,2 Punkte angehoben werden.

    PFLEGEZEIT: Wer kurzfristig Zeit für die Organisation der Pflege eines Angehörigen benötigt, soll sich eine zehntägige Auszeit nehmen können und dafür weiter Gehalt bekommen - ähnlich wie beim Kinderkrankengeld.

    ELTERNGELD PLUS: Um Eltern den Widereinstieg in den Job zu erleichtern, sollen sie für die Dauer von 28 Monaten das Elterngeld in Kombination mit einer nicht geringfügigen Teilzeitarbeit erhalten. Dass soll vor allem Alleinerziehenden helfen.

    FLEXIBLERE ARBEITSZEITEN: Für Arbeitnehmer, die wegen der Kindererziehung oder Pflege Angehöriger kürzer treten wollen, soll ein Rechtsanspruch auf Befristung der Teilzeit geschaffen werden - also ein Recht auf Rückkehr zur Vollzeit-Tätigkeit.

    SCHUTZ VOR STROMSPERREN: Intelligente Stromzähler mit Prepaid-Funktion sollen Verbraucher besser davor schützen, dass ihnen wegen unbezahlter Rechnungen Strom oder Gas abgedreht werden.

    ARZTTERMINE: Wer als gesetzlich Versicherter nicht innerhalb von vier Wochen einen Facharzttermin bekommt, kann sich ambulant im Krankenhaus behandeln lassen.

    MINDESTLOHN: Ab dem 1. Januar 2015 wird es einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn geben. Er soll von einer Kommission aus Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Experten festgelegt werden. Ausnahmen von dem Mindestlohn gibt es danach noch für zwei Jahre in Branchen, wo repräsentative Tarifverträge gelten. Ab 2017 gilt der Mindestlohn dann in ganz Deutschland uneingeschränkt.

    RENTE: Mütter und Väter von vor 1992 geborenen Kindern sollen ab 1. Juli 2014 mehr Rente für die Erziehungszeit bekommen. Auch soll es finanzielle Erleichterungen für Menschen geben, die aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig in den Ruhestand gehen und Erwerbsminderungsrenten erhalten. Menschen, die 45 Jahre in die Renteversicherung eingezahlt haben, sollen ab dem 1. Juli künftig schon mit 63 in Rente gehen können. Renten-Verbesserungen sind daneben für Geringverdiener vorgesehen.

    PKW-MAUT: Der Koalitionsvertrag sieht eine «europarechtskonforme Pkw-Maut» vor. Damit sollen ausländische Autofahrer an den Ausgaben für das Autobahnnetz beteiligt werden. Auf deutsche Autofahrer sollen keine Mehrkosten zukommen.

    LÄRMSCHUTZ: Anwohner von Flughäfen und Bahnstrecken sollen besser geschützt werden. Der Schienenlärm soll bis 2020 deutschlandweit halbiert werden. Bei der Festlegung der Flugrouten sollen Anrainer frühzeitig beteiligt werden.

    INTERNET: Auch in ländlichen Gegenden sollen die Menschen schnelles Internet haben und zwar flächendeckend mindestens 50 Megabit pro Sekunde bis 2018. Außerdem wollen Union und SPD die rechtlichen Voraussetzungen für kostenlose WLAN-Angebote in Städten schaffen.

    AUTOFAHRER: Die Polizei soll bei Alkoholsündern künftig weitgehend auf Blutproben verzichten und die Werte per Atem-Alkoholtest bestimmen. Ein Fahrverbot soll als Alternative zur Freiheitsstrafe und zusätzliche Sanktion ins Strafrecht aufgenommen werden, vor allem für diejenigen, «für die eine Geldstrafe kein fühlbares Übel darstellt».

    Da der bürokratische Aufwand für die Rentenkassen gewaltig ist, wird zum Stichtag 1. Juli aber vermutlich nur ein Teil der Renten bereits angehoben sein. In allen anderen Fällen zahlen die Rentenkassen die Erhöhung im Herbst oder Winter nach. Für das laufende Jahr veranschlagt die Ministerin in ihrem Entwurf Kosten von 3,3 Milliarden Euro, ab 2015 sind es 6,6 Milliarden jährlich und im Jahr 2030 noch 6,1 Milliarden.

    Rente mit 63: Langjährig Versicherte sollen in Zukunft schon mit 63 Jahren ohne Abschläge in Rente gehen können. Voraussetzung: Sie kommen bis dahin auf mindestens 45 Versicherungsjahre und sind überdies 1952 oder früher geboren. Den bei den Koalitionsverhandlungen diskutierten Plan, dabei bis zu fünf Jahre Arbeitslosigkeit zu berücksichtigen, hat Andrea Nahles inzwischen kassiert. Sie will für die 63er-Rente stattdessen alle Zeiten kürzerer Arbeitslosigkeit anerkennen sowie Phasen, in denen ein Versicherter Schlechtwetter-, Kurzarbeiter- oder Insolvenzgeld erhalten hat.

    Der Bezug von Hartz IV oder der alten Arbeitslosenhilfe wird bei der abschlagsfreien Rente nicht angerechnet. Das heißt: Langzeitarbeitslose bleiben außen vor. Für Versicherte der Jahrgänge 1953 und später wird die Altersgrenze bis zum Jahr 2029 stufenweise auf 65 Jahre angehoben. Geschätzte Kosten für das laufende Jahr: Rund 900 Millionen Euro. Bis 2030 wird diese Summe auf deutlich über drei Milliarden Euro steigen. Wichtig zu wissen: Anders als bei der höheren Mütterrente, von der auch die Frauen profitieren, die bereits im Ruhestand sind, gilt die neue 63er-Regelung nur für Beschäftigte, die am 1. Juli oder später in Rente gehen.

    Erwerbsminderungsrente: Wer aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr oder nur noch eingeschränkt arbeiten kann, darf ebenfalls auf eine höhere Rente hoffen. Bei der Berechnung der Erwerbsminderungsrente tut die Rentenkasse künftig so, als habe der Versicherte nicht bis zum 60., sondern bis zum 62. Lebensjahr ganz normal gearbeitet.

    Erwerbsunfähigen, die in den letzten vier Jahren vor der Verrentung nur noch eingeschränkt gearbeitet haben, soll dadurch kein Nachteil entstehen: Gesundheitsbedingte „Zwangspausen“ dürfen sich in solchen Fällen nicht negativ auf die Rente auswirken. Im Schnitt macht das im Monat etwa 40 Euro mehr an Erwerbsminderungsrente aus. Die Kosten steigen von gegenwärtig 100 Millionen Euro auf etwa 2,1 Milliarden Euro im Jahr 2030.

    Steuern und Beiträge: Mit Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat die Sozialministerin bereits verabredet, dass der Bundeszuschuss an die Rentenkassen vom Jahr 2019 stufenweise um bis zu zwei Milliarden Euro angehoben wird. Bis dahin müssen die Mehrausgaben aus den laufenden Einnahmen, den Rücklagen der Versicherer und dem Verzicht auf Beitragssenkungen finanziert werden.

    Der Rentenbeitrag selbst soll bis zum Jahr 2018 stabil bei 18,9 Prozent bleiben, dann aber auf 19,7 Prozent steigen. An den bisherigen Beitragszielen will die Große Koalition festhalten. Danach soll der Rentenbeitrag zwei kritische Marken nicht überschreiten: 20 Prozent im Jahr 2020 und 22 Prozent im Jahr 2030.

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