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Religion: Imam-Ausbildung: Wie Erdogan Muslime in Deutschland indoktriniert

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Imam-Ausbildung: Wie Erdogan Muslime in Deutschland indoktriniert

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    Ein Großteil der hierzulande tätigen Imame stammt aus der Türkei. Die Bundesregierung will das ändern.
    Ein Großteil der hierzulande tätigen Imame stammt aus der Türkei. Die Bundesregierung will das ändern. Foto: Rolf Vennenbernd, dpa (Symbolbild)

    Wer hierzulande in Moscheen predigt, ist meist weder in Deutschland geboren noch aufgewachsen. 90 Prozent der rund 2500 Imame stammen aus dem Ausland, die meisten aus der Türkei. Geht es nach Nancy Faeser (SPD), dürfte sich das bald ändern. Bei der Islamkonferenz im Dezember vergangenen Jahres verkündete die Innenministerin, "die staatliche Entsendung von Imamen aus dem Ausland nach

    "Es ist wichtig, dass die Imam-Ausbildung in Deutschland und mit deutschen Parametern stattfindet", sagt Psychologe und Islamismus-Experte Ahmad Mansour. "Dann entstehen Imame, die einen besseren Zugang zur Lebensrealität deutscher Muslime haben." Trotz der richtigen Entwicklung sei aber Skepsis angebracht, so Mansour. Die Ausbildungsplätze in Deutschland seien rar. Außerdem bestünde weiterhin das Problem, dass die Mehrheit der Moscheen hierzulande von Ditib betrieben werden. Und Ditib wolle keine lmame, die in Deutschland mit liberalen Werten ausgebildet worden seien, sagt Mansour.

    Islamismus-Experte Ahmad Mansour kritisiert die Politik für ihren Umgang mit Ditib.
    Islamismus-Experte Ahmad Mansour kritisiert die Politik für ihren Umgang mit Ditib. Foto: Jörg Carstensen, dpa

    Ditib, das ist die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religionen. Sie ist der wichtigste Akteur in Deutschland, wenn es um den institutionalisierten muslimischen Glauben geht. Sie stellt 1170 Imame, die nach dem Rotationsprinzip für etwa fünf Jahre aus der Türkei nach Deutschland kommen. Der Verband, der seit 1984 besteht, erklärt auf seiner Internetseite, über 70 Prozent der in Deutschland lebenden Muslime zu vertreten. Ditib sei es von Beginn an darum gegangen, "Einfluss auf die in Deutschland lebenden Muslime ausüben zu können", sagt Rauf Ceylan, Professor für Religionssoziologie an der Universität Osnabrück. "Lange Zeit hat die Politik Ditib verharmlost. Erst seit die AKP die Regierung übernommen hat, ist in Deutschland ein Bewusstsein für das Problem gewachsen." 

    Islamismus-Experte: Ditib-Imame predigen Antisemitismus und Homophobie

    Ditib sei direkt der türkischen Regierung unterstellt und könne deshalb nicht unabhängig agieren, sagt Mansour. Und das hat Konsequenzen. "In Ditib-Moscheen in Deutschland wurden in der Vergangenheit antisemitische und homophobe Botschaften gepredigt." Darüber hinaus würden politische Gegner von Erdogan in deutschen Moscheen verfolgt, so der Experte. Auf Anfrage unserer Redaktion, was Ditib zu den Vorwürfen sage, reagierte der Verband bis dato nicht. 

    "Im Umgang mit Ditib sehe ich bei der Politik keine Lernkurve", sagt Mansour. Nach wie vor würden Vertreter des Verbandes hofiert, beispielsweise bei der Islam-Konferenz. Auf lokaler Ebene bewilligten Politiker von CDU, SPD, FDP und Grünen ein neues Ditib-Zentrum in Wuppertal und beschrieben es als Integrationszentrum. "Da sehe ich eine Naivität, die mich zum Zweifeln bringt", stellt der Experte fest. 

    Offenbar hat die Bundesregierung jedoch erkannt, dass es alternative Strukturen braucht. Deshalb fördert sie seit gut drei Jahren das Islamkolleg in Osnabrück. Es ist das erste bundesweite Modellprojekt, in dessen Rahmen Imame hierzulande praktisch ausgebildet werden sollen. "Ziel ist, dass verstärkt in Deutschland ausgebildetes Personal in islamischen Gemeinden tätig wird", heißt es aus dem Innenministerium. 

    Abhängigkeit von der Türkei: Könnte eine Moscheesteuer die Lösung sein?

    Ein überfälliger Schritt, finden Experten. Doch zahlreiche Probleme bleiben: "Die muslimische Community ist gespalten", sagt Religionssoziologe Ceylan. "Kritiker befürchten, hier soll ein deutscher Staatsislam gefördert werden." Die Frage sei zudem, ob die Moscheen die Kaufkraft hätten, die vom Islamkolleg ausgebildeten Imame aus eigenen Mitteln zu finanzieren. Und Ditib-Moscheen kommen für die in Osnabrück ausgebildeten Imame wohl nicht infrage: "Ditib will keine Imame mit liberaler Haltung", sagt Mansour.

    Der Islamismus-Experte fordert, stattdessen eine alternative Struktur aufzubauen. Da Deutschland ein säkularer Staat ist, ist es für die Politik nicht möglich, direkt einzugreifen. Deshalb schlägt Mansour eine Moscheesteuer vor, ein ähnliches Modell wie bei den christlichen Kirchen. "Wenn wir sagen: 'Der Islam gehört zu Deutschland', dann kann es nicht sein, dass er aus dem Ausland finanziert wird." Mit einer

    Frankreich will ab 2024 ausländischen Imamen die Einreise verbieten

    Frankreich hat ein ähnliches Problem wie Deutschland, fährt aber einen deutlich schärferen Kurs. Präsident Emmanuel Macron kündigte an, ab 2024 ausländischen Imamen die Einreise zu verbieten. Darüber hinaus sollen gültige Aufenthaltsgenehmigungen kommendes Jahr auslaufen. Für Deutschland aktuell kein gangbarer Weg. So heißt es aus dem Bundesinnenministerium, dass man zunächst anstrebe, "den Übergangsprozess bis zur Beendigung der Entsendung von islamischen Religionsbediensteten aus der Türkei nach Deutschland einvernehmlich zu gestalten, auch um den betroffenen Moscheegemeinden und Verbänden Zeit zu geben, sich auf die neue Situation einzustellen". Religionssoziologe Ceylan sieht den französischen Weg ebenfalls kritisch: "Ein radikaler Bruch ist schwierig, weil man Alternativen braucht", sagt der Experte. "Sonst entsteht ein Vakuum, das Laienprediger oder Extremisten füllen könnten."

    In der Vergangenheit wussten sich das radikale Salafisten zunutze zu machen. Die haben den Vorteil, dass sie in Deutschland aufgewachsen sind und einen Bezug zu jungen Muslimen hierzulande haben. Für Mansour eine besonders gefährliche Entwicklung: "Es gibt Phasen, in denen Jugendliche unsicher oder auf der Suche sind", sagt er. Gäbe es dann nur ein Angebot, wählten sie dieses aus. "Sehen sie aber, dass es Alternativen gibt, Moscheen, in denen homosexuelle Muslime beten dürfen oder Frauen kein Kopftuch tragen müssen, dann würden sich viele dafür entscheiden", ist Mansour sicher. Es brauche eine liberale Vielfalt im innermuslimischen Diskurs. "Dann würde auch Ditib schnell merken, dass ihre Moscheen leer werden."

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