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Reisefreiheit: Grenzkontrollen in Europa kosten Milliarden

Reisefreiheit

Grenzkontrollen in Europa kosten Milliarden

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    Grenzkontrollen: Die EU-Kommission warnt vor dramatischen wirtschaftlichen Folgen.
    Grenzkontrollen: Die EU-Kommission warnt vor dramatischen wirtschaftlichen Folgen. Foto: Angelika Warmuth (dpa)

    Ein Europa voller Schlagbäume und ein Ende der Reisefreiheit würde die Wirtschaft in der Union dramatisch beschädigen. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung der Brüsseler EU-Kommission, die vermutlich am heutigen Freitag veröffentlicht werden soll. Der Entwurf liegt unserem Brüsseler Büro vor. Eine Belastung für die

    Grenzkontrollen in Europa: Wirtschaftlicher "Blick in den Abgrund"

    Allein die Kosten für die neuen Grenzkontrollen inklusive Personalausgaben für zusätzliche Sicherheitsbeamte werden auf mehrere Milliarden Euro geschätzt. Aber die eigentlichen Belastungen kämen auf jene zu, die Tag für Tag mit den Konsequenzen zu leben hätten. Betroffen wären neben Pendlern, die bei der Fahrt vom Wohnort zur Arbeitsstelle eine Grenze überqueren müssen, auch die Lkw-Fahrer. Insgesamt dürften somit 1,7 Millionen Arbeitnehmer Zeit bei den wiedereingeführten Kontrollen verlieren – ein Verlust für deren Arbeitgeber zwischen 2,5 und 4,5 Milliarden Euro pro Jahr.

    Die Wiedereinführung von Grenzkontrollen würde gewaltige ökonomische, politische und soziale Kosten nach sich ziehen, warnt die Brüsseler Kommission in ihrem Papier. „Das Szenario erscheint realistisch“, sagte der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber gegenüber unserer Zeitung. „Was die Kommission da präsentiert, ist ein Blick in den Abgrund, den die Mitgliedstaaten ernstnehmen sollten“, betonte Ferber. Schwabens CSU-Chef warnte allerdings noch vor weiteren Konsequenzen. Sollten die Schlagbäume in der Europäischen Union wieder runtergehen, dürfte vor allem die deutsche Wirtschaft ihre bisherige Arbeitsweise der ausgelagerten Produktionsstätten überdenken. „Viele Hersteller könnten dann nicht länger auf Zulieferer zum Beispiel in den östlichen Mitgliedstaaten setzen“, sagte Ferber.

    Das müssen Sie über die Grenzkontrollen wissen

    Grenzkontrollen: Als Reaktion auf den Flüchtlingsstrom hat Deutschland am 13. September 2015 vorübergehend wieder Kontrollen an der Grenze zwischen Deutschland und Österreich eingeführt.

    Kontrollen auf Straßen: Wer über die Grenze fährt, muss sich wegen der Kontrollen auf Staus und Verzögerungen einstellen. Die Polizei verengt dafür die Fahrbahn auf eine Spur oder führt Autos und Lastwagen über einen Parkplatz. Die Kontrollen erfolgen in Stichproben.

    Kontrollen in der Bahn: In Zügen sind Vollkontrollen möglich. Die Beamten gehen also durch die Wagen und kontrollieren jeden Fahrgast.

    Ziel: Das Bundesministerium begründe die Grenzkontrollen so: "Ziel dieser Maßnahme ist es, den derzeitigen Zustrom nach Deutschland zu begrenzen und wieder zu einem geordneten Verfahren bei der Einreise zurückzukehren."

    Auswirkungen auf Deutsche: Deutsche Bürger sollten bei den Grenzkontrollen einen Pass dabei haben. Wer ihn vergisst, muss aber keine schlimmen Konsequenzen fürchten. Angaben lassen sich auch anders prüfen - unter anderem über das Einwohnermeldeamt.

    Auswirkungen auf Flüchtlinge: Die Grenzkontrollen verzögern den Flüchtlingsstrom, stoppen ihn aber nicht. Kein Asylbewerber wird zurückgewiesen. Flüchtlinge werden aber direkt an der Grenze registriert.

    Auswirkungen auf Schleuser: Die Polizei hat bei den Grenzkontrollen mehrere mutmaßliche Schleuser festgenommen. Mittlerweile meiden sie aber wohl die Grenze, da sich die Kontrollen herumgesprochen haben.

    Grundlage: Das Schengen-Abkommen erlaubt vorübergehende Grenzkontrollen bei Gefahrenlagen für maximal sechs Monate.

    Aufwand: Hunderte Polizisten sind für die Kontrollen im Einsatz. Die Bundespolizei spricht von Beamten im niedrigen vierstelligen Bereich, die Gewerkschaft der Polizei von 21 zusätzlichen Hundertschaften.

    Ausweitung: Die Kontrollen werden wohl auch auf andere Bundesländer ausgeweitet. In Sachsen laufen schon Vorbereitungen für die Grenze nach Tschechien.

    Dauer: Es ist unklar, wie lange die Grenzkontrollen dauern. Der bayerische Innenminister Joachim Hermann geht aber von mehreren Wochen oder sogar Monaten aus.

    Tsipras fordert Bestrafung für EU-Mitglieder mit geschlossenen Grenzen

    Dass die Kommission mit ihrer Dokumentation Druck auf die EU-Staats- und Regierungschefs machen will, die am kommenden Montag mit ihrem türkischen Amtskollegen zum Gipfeltreffen in Brüssel zusammenkommen, ist deutlich erkennbar. Man erhoffe sich, so heißt es weiter, dass sich alle EU-Staaten auf den Fahrplan zur Sanierung des Schengen-Systems einigen können. Bis November will

    Griechenlands Regierungschef Alexis Tsipras forderte angesichts der verzweifelten Flüchtlingssituation in seinem Land gar eine Bestrafung von EU-Mitgliedern, die ihre Grenzen im Alleingang schließen. Österreichs Außenminister Sebastian Kurz machte seinerseits Druck auf Athen, das „Durchwinken“ der Flüchtlinge zu stoppen. Es könne nicht sein, „dass die, die es bis nach Griechenland schaffen, automatisch weiterreisen dürfen“, sagte er. Dänemark und Schweden wollen noch bis April Reisende an ihren Grenzen kontrollieren. 

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