Briefe nach Russland, Sitzungsprotokolle, Fantasieausweise: Im Terrorprozess um die mutmaßliche «Reichsbürger»-Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß stehen aktuell Dokumente im Blickpunkt, die in Büro und Haus des Hauptbeschuldigten sichergestellt wurden. Weil es in einigen davon um Kontakte nach Russland geht, schlugen Verteidiger dem Gericht vor, Präsident Wladimir Putin als Zeuge zu laden.
Im extra für diesen Prozess errichteten Gerichtsgebäude des Oberlandesgerichts in Frankfurt-Sossenheim verlas der Vorsitzende unter anderem einen Brief an Reuß, in dem dieser als «künftiges Staatsoberhaupt» tituliert wird, unterzeichnet von «Ihr Diener». Gefunden wurde auch der Vordruck eines «vorläufigen Staatsangehörigkeitsausweises», ausgestellt in Frakturschrift auf Basis eines Gesetzes von 1913, unterzeichnet von einer «staatlichen Wahlkommission Reuß» und ein «Ausweis», der es der Polizei untersagt, ihn festzunehmen.
Ziel: Weltfrieden
Sichergestellt wurde auch ein Stapel mit Mitgliedsanträgen für «Kompetenz-Teams und Arbeitsgruppen zur Herbeiführung des Weltfriedens». Auf einem Rechner fanden die Beamten eine «Eid-Entbindung», mit der sich Reuß von einem laut Dokument «korrupten und menschenverachtenden System», der BRD, lossagt.
In einem Brief schrieb Reuß: «Das Kaiserreich von 1918 ist nicht untergegangen», und «das Deutsche Reich ist existent». Er habe es durch die Proklamation seiner Fürstentümer «wieder aktiviert». Gezeigt wurde das Protokoll einer Sitzung des «Übergangsrates», der laut Anklage nach dem geplanten Umsturz die Regierungsgeschäfte übernehmen sollte.
Putin und Obama
In einem Mailverkehr geht es um die Frage, wie «die Anerkennung souveräner Gliedstaaten des Reichs» erreicht werden kann. Reuß schreibt darin, Putin sei «über meine Tätigkeit informiert». Der Anwalt einer Mitangeklagten schlug daraufhin vor, diesen als Zeuge zu laden.
Reuß' Anwalt schloss sich dem an und erweiterte die Liste um den Ex-US-Präsidenten Barack Obama, der etwas zur Frage der Souveränität Deutschlands beitragen könnte. Zu den anderen Dokumenten sagte Reuß' Anwalt, diese bewiesen vor allem, dass sein Mandant entgegen der Anklage keinen gewaltsamen Umsturz geplant habe, sondern bestrebt war, seine Ziele friedlich zu verfolgen.
«Das Deutsche Reich ist nicht untergegangen»
Briefe an Putin wurden nicht verlesen, aber an Außenminister Sergej Lawrow und einen Mitarbeiter einer russischen Bank. Reuß bittet darin um die Anerkennung seiner Fürstentümer als «erste Gliedstaaten» des Deutschen Reichs sowie seiner Person als Botschafter des Deutschen Reichs.
Die Hilfe Russlands könne «zu einem dauerhaften weltweiten Frieden» führen, so der Absender der verlesenen und eingeblendeten Briefe. «Das Deutsche Reich ist nicht untergegangen, sondern mangels Verwaltungsstruktur lediglich nicht handlungsfähig.»
Aktenkoffer im Papierkorb
In einem Aktenkoffer, der laut Ermittler im Abfall in seinem Schloss gefunden wurde, fanden sich zweisprachige Dokumente auf Deutsch und Russisch: Vordrucke für einen «Schutzantrag an die sowjetische Militäradministration im Deutschen Reich». Mit Unterschrift und Daumenabdruck konnte man auf den Formularen ein «Ersuchen um Rechtsschutz an die UdSSR» richten.
Die «(BRD)Bürger», heißt es dort in distanzierenden Klammern, seien «ohne Staatsangehörigkeit» und daher «recht- und schutzlos». Der Unterzeichner unterwirft sich «als lebendiger Mann / lebendiges Weib aus Fleisch und Blut im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte» der Verfassung von 1871. Die Anwälte rügten die Verlesung als «Zeitverschwendung» - das habe mit dem Tatvorwurf nichts zu tun.
Neun Beschuldigte
In Frankfurt wird insgesamt neun Beschuldigten vorgeworfen, Mitglieder einer terroristischen Vereinigung gewesen zu sein beziehungsweise diese unterstützt zu haben. Sie sollen einen politischen Umsturz geplant und eine neue Regierung in Grundzügen ausgearbeitet haben.
Mit zwei parallel laufenden Verfahren in München und Stuttgart müssen sich insgesamt 26 mutmaßliche Verschwörer in dem Komplex verantworten. Bis zum Urteil gilt die Unschuldsvermutung.
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