Deutschlands künftiger Kanzler will die Bekämpfung des Coronavirus wieder zur Chefsache machen. Das kündigte Olaf Scholz bei der Vorstellung des Koalitionsvertrages von SPD, Grünen und FDP an. „Die Lage ist ernst“, sagte der 63-Jährige, bevor er inhaltlich auf das 177 Seiten starke Papier der drei Parteien einging.
Im Kanzleramt soll dazu ein Krisenstab eingerichtet werden, der die Arbeit von Bund und Ländern koordiniert. Beraten werden sollen die politischen Entscheider von einem Expertengremium, das ebenfalls in der Regierungszentrale angesiedelt werden soll. Damit Schwestern und Pfleger in den Krankenhäusern und Altenheimen durchhalten, wollen die Ampel-Parteien einen Bonus an sie ausschütten. Dafür ist eine Milliarde Euro eingeplant.
Die Impfzentren sollen wieder auf Volllast hochgefahren werden und mobile Impfteams in der ganzen Republik schützende Spritzen verabreichen. „Wir müssen uns abermals zusammennehmen. Gemeinsam haben wir es in der Hand, diese neue vierte Welle zu brechen“, sagte Scholz. Er und seine Koalitionspartner halten es nach wie vor für eine richtige Entscheidung, aus dem Infektionsschutzgesetz die schärfsten Instrumente wie die flächendeckende Schließung von Kultur und Gastronomie gestrichen zu haben. Entsprechende Regelungen sind in den Ländern nur noch bis 15. Dezember zulässig. Offen ist, ob die Ampel die neu erlassenen Regeln schon rasch wieder anpassen muss.
Bis 2030 soll 80 Prozent des Stroms aus erneuernbaren Energien kommen
Scholz wird Angela Merkel (CDU) nach 16 Jahren an der Macht ablösen, wenn die drei Parteien den Koalitionsvertrag auch formal gebilligt haben. Seine Wahl im Bundestag ist für die Tage nach Nikolaus geplant. Neben dem Chefsessel in der Bundesregierung ist für die SPD inhaltlich am wichtigsten, dass die rot-grün-gelbe Koalition den Mindestlohn in einem Schritt auf zwölf Euro pro Stunde anheben und die Rente stabil halten will.
Im Kabinett wird der Grüne Robert Habeck voraussichtlich als Vizekanzler der Stellvertreter von Scholz sein. Als Minister für Wirtschaft und Klima soll er sich um die zentrale Aufgabe der nächsten Jahre kümmern – den klimafreundlichen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft. Kern dieser neuen Erzählung sei die Vereinbarkeit von Wohlstand und Klimaschutz, sagte Habeck. Damit das gelingt, sollen 2030 die letzten Kohlekraftwerke vom Netz gehen und Wind- und Solarkraft in ungekanntem Tempo ausgebaut werden. Im vorgesehenen Kohle-Endjahr sollen nach den Plänen der Ampel 80 Prozent des Stroms aus grünen Quellen stammen.
Lindner sieht Deutschland als „Anwalt solider Finanzen“
Dritte Säule der Ampel-Regierung – benannt nach der Kombination der Parteifarben – wird FDP-Chef Christian Lindner, der Finanzminister wird. Der 42-Jährige hat sich vorgenommen, überschießende Ausgabenwünsche bei der SPD und den Grünen im Zaum zu halten. Deutschland bleibe „Anwalt solider Finanzen“, sagte Lindner.
Die Liberalen haben den beiden Koalitionspartnern abgerungen, dass die Schuldenbremse des Grundgesetzes eingehalten wird. Sie schreibt vor, dass der Bund in normalen Jahren nur in geringem Umfang neue Schulden aufnimmt. Allerdings soll die Bremse an einigen Stellen gelockert werden, zum Beispiel indem staatseigene Gesellschaften wie die Bahn oder die Immobilienanstalt Bima mehr Kredite aufnehmen dürfen, um in den Klimaschutz zu investieren. Auch an der Finanzmathematik zur Berechnung des Schuldenspielraums wollen die drei Partner schrauben, um mehr Freiheit für einige Milliarden zu gewinnen.
Die von der FDP geforderten Steuersenkungen werden nicht kommen
Der Preis für diesen Erfolg ist, dass die von der FDP im Wahlkampf geforderten Steuersenkungen nicht kommen werden. Den Unternehmen sollen Investitionen in den Klimaschutz allerdings erleichtert werden, indem sie diese per „Super-Abschreibung“ rasch von der Steuer absetzen können. Der Staat selbst soll unter der Ampel-Koalition stärker Projekte finanzieren, das Geld dafür soll unter anderem aus der CO2-Besteuerung stammen.
Die Belastung der Bürger steigt durch die schrittweise zunehmende CO2-Abgabe sowie die vorgesehene Abschaffung von klimaschädlichen Subventionen, wie dem Dieselprivileg, das aber nicht explizit genannt wird. Die Mehrbelastung wird nach den Vorstellungen des Dreier-Bündnisses durch eine Streichung der EEG-Umlage und einen einmaligen Zuschuss zu den Heizkosten für bedürftige Haushalte teilweise ausgeglichen werden.