Auf Twitter macht derzeit ein Running Gag, ein immer wiederkehrender Witz, die Runde. Er speist sich aus einer eigentlich harmlosen Frage: Wo ist eigentlich Olaf Scholz? „Olaf Scholz ist das Bielefeld der Bundeskanzler. Viele Deutsche rätseln, ob er wirklich existiert“, schreibt ein User. Eine andere unkt: „Hört auf, Olaf-Scholz-Abwesenheitsmemes zu machen. Das ist respektlos. Olaf Scholz schläft unter einem Berg und wird zurückkehren, wenn das Land ihn am meisten braucht!“ Nun ist Twitter alles andere als ein Abbild des realen Lebens. Doch dass ausgerechnet der Kanzler, der den Satz „Wer bei mir Führung bestellt, bekommt auch Führung“ gesagt hat, öffentlich - von Ausnahmen abgesehen - wenig wahrnehmbar ist, wird für die SPD zunehmend auch außerhalb der Twitter-Blase zum Problem. Gleich zwei Umfragen sehen die Sozialdemokraten inzwischen hinter der Union. Sowohl bei Forsa als auch bei YouGov verliert die Partei von Kanzler Scholz spürbar an Zustimmung. Auch das Politbarometer der Forschungsgruppe Wahlen sieht einen klaren Abwärtstrend. Dabei ist Scholz noch nicht einmal 60 Tage im Amt.
Unaufgeregt regiert er, ganz so, wie er es als Vizekanzler und Finanzminister vorgemacht hatte. Dem steht allerdings eine ganz und gar nicht unaufgeregte Weltlage gegenüber: In der Ukraine-Krise ringt die SPD noch immer um eine Haltung, der Impffortschritt geht deutlich langsamer voran als angestrebt, die Corona-Politik wird zunehmend als widersprüchlich empfunden und verlangt nach klaren Antworten. Doch Scholz flüchtet sich in komplizierte Sätze und verkopfte Phrasen, wirkt rhetorisch übervorsichtig – während die Union in ihre Rolle als Oppositionspartei findet und auf Angriff schaltet. Das hat Folgen.
Union überholt die SPD in Umfragen
Bei der Forschungsgruppe Wahlen kommt die SPD derzeit auf 24 Prozent (minus drei Prozentpunkte), die Union auf 23 Prozent (plus eins). Beim Umfrageinstitut YouGov steht die SPD bei 23 Prozent, die Union bei 26 Prozent. Forsa wiederum kommt bei der SPD auf 23 Prozent, bei der Union sogar auf 27 Prozent. Hier fällt der Anteil der drei Ampel-Parteien sogar unter die 50-Prozent-Marke. „Die anfängliche Euphorie für die ,Fortschrittskoalition‘ aus SPD, Grünen und FDP verflüchtigt sich zusehends, weil die Zufriedenheit mit dem Regierungshandeln bei den zwei für die Menschen derzeit wichtigen Problemfeldern – Corona und Ukraine-Krise – deutlich sinkt“, sagt Forsa-Chef Manfred Güllner. „Der Teil der Wähler bei der Bundestagswahl, die aus Frust über das Erscheinungsbild der CDU und ihres Kanzlerkandidaten der SPD ihre Stimme gegeben haben, ohne aber damit zu Stammwählern der Partei zu werden, wandern jetzt wieder zur Union, zu den Grünen oder ins Lager der Nichtwähler ab.“ Zudem würde auch jeder fünfte FDP-Wähler wieder zur CDU/CSU zurückkehren, sodass zum ersten Mal seit Mitte August letzten Jahres die Union jetzt wieder vor der SPD liege.
Dass die Schwäche der Sozialdemokraten zumindest zum Teil an Scholz liegt, zeigt ein anderer Umfragewert: Nur noch 43 Prozent der Deutschen würden sich bei einer Direktwahl des Bundeskanzlers für den Hanseaten entscheiden – Anfang November waren es noch 52. Allerdings kann die Union gerade in diesem Punkt nicht profitieren: Friedrich Merz, den frisch gewählten CDU-Chef, können sich nur 21 Prozent der Befragten als Kanzler vorstellen (November: 17 Prozent). Immerhin 36 Prozent sagen: Keiner von beiden wäre ein guter Kanzler. Die Kanzlerfrage ist laut Forsa-Chef Güllner einer der aussagekräftigsten Indikatoren für die Popularität eines Spitzenpolitikers. Besonders kurios: Im Politbarometer der Forschungsgruppe Wahlen führt die Polit-Rentnerin und frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) weiter die Liste der Top Ten an. Bei der Beurteilung nach Sympathie und Leistung („Was halten Sie von?“) liegt sie auf Platz eins mit einem Durchschnittswert von 2,4 (Mitte Januar: 2,5). Es folgt der wieder in der Spitzenriege vertretene Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auf Platz zwei mit einem Wert von 1,4.
Grummeln über Corona-Krisenmanagement
Doch so groß die Sympathien für Lauterbach auch sein mögen, das Grummeln über das Krisenmanagement des Gesundheitsministers wird lauter, der Anteil der Unzufriedenen steigt. „Waren Anfang Januar noch 59 Prozent mit dem Krisenmanagement von Karl Lauterbach zufrieden, ist der Anteil Ende Januar um 12 Prozentpunkte auf 47 Prozent gesunken“, analysiert Forsa-Chef Güllner. 49 Prozent sind jetzt mit Lauterbachs Corona-Politik nicht mehr zufrieden. Und auch die anderen Parteien erhalten einen mächtigen Umfrage-Dämpfer: Als sich im Laufe des Oktobers 2021 abzeichnete, dass SPD, Grüne und FDP die neue Bundesregierung bilden würden, glaubten laut Forsa insgesamt 41 Prozent, dass die drei Ampel-Parteien die Probleme im Land bewältigen könnten. Ende Januar ist dieser Anteil in den Umfragen um 11 Prozentpunkte auf 30 Prozent zurückgegangen.