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Regierung: Korruption und Corona: Österreicher verzweifeln an ihren Politikern

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Korruption und Corona: Österreicher verzweifeln an ihren Politikern

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    Im Zentrum der Ermittlungen: Parlamentspräsident Sobotka.
    Im Zentrum der Ermittlungen: Parlamentspräsident Sobotka. Foto: Imago Images

    Der tiefe Fall und das politische Ende des Sebastian Kurz mögen schon länger Geschichte sein, von Ruhe und Stabilität im Regierungsviertel in Wien, wie sich das der neue Kanzler Karl Nehammer vorgestellt hatte, ist allerdings keine Rede. Während der Scherbenhaufen, den Kurz hinterlassen hat, noch nicht ansatzweise aufgeräumt ist, sorgen Skandale der Kanzlerpartei ÖVP weiter für Negativschlagzeilen.

    Kaum eine Woche vergeht, in der nicht entweder neue belastende Chatverläufe und Nachrichten aus dem engsten Machtzirkel der Kanzlerpartei ÖVP oder neue Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegen konservative Politiker publik werden. Längst geht es nicht mehr ausschließlich um Kurz und sein Umfeld – Stichwort Inseraten-Korruption: Im Zentrum der Ermittlungen stehen jetzt „alte“ ÖVP-Granden ebenso wie ein ÖVP-nahes Netzwerk in der Justiz, das mutmaßlich über Jahre hinweg alles versucht hatte, um eben besagte Korruptionsermittlungen zu torpedieren.

    Leak von Chatverläufen wirft schlechtes Licht auf Sobotka

    Am Mittwoch wurde öffentlich, dass die WKStA den Parlamentspräsidenten Wolfgang Sobotka als Beschuldigten in einem Ermittlungsverfahren führt. Der Vorwurf: Verdacht auf Missbrauch der Amtsgewalt, es geht um den Posten der Wiener Vize-Landespolizeidirektion, der 2017 – als Sobotka ÖVP-Innenminister war – zu besetzen gewesen war. Sobotka und sein damaliger Kabinettschef Michael Kloibmüller sollen dafür gesorgt haben, dass eine Bewerberin, die sie der SPÖ zurechneten, den Job trotz erwiesener Qualifikation nicht bekam.

    Der Verdacht ergibt sich aus einem über drei Gigabyte großen Leak, das auch unserer Redaktion vorliegt: „Unser Kandidat (ein ÖVP-naher Beamter, der schließlich zum Zug kam, Anm. der Redaktion) ist gleich gut. Kommission steht und eigentlich ist alles eingehängt“, ließ Kloibmüller seinen Chef per Nachricht wissen. „Ok“, antwortete Sobotka, der zuvor noch angeraten hatte, sich mit dem roten Wiener Bürgermeister „etwas abverhandeln“ zu lassen. In den Chatverläufen ist gar die Rede von einer Liste aller ÖVP-Posten-Interventionen, die Sobotka zu führen verlangt haben soll.

    Parlamentspräsident wird des Amtsmissbrauchs verdächtigt

    Für große Aufregung sorgt dabei, dass der Parlamentspräsident nach wie vor den Vorsitz im parlamentarischen Untersuchungsausschuss betreffend mutmaßlicher ÖVP-Korruption führt – und trotz strafrechtlicher Ermittlungen nicht daran denkt, den Vorsitz abzugeben. Auch der Kanzler hält nach wie vor an Sobotka fest, er sprach von „sogenannten Vorwürfen“ gegen seinen Parteifreund.

    Schon einen Schritt weiter ist die Staatsanwaltschaft Innsbruck im Fall des Wiener Oberstaatsanwalts Johann Fuchs: Weil dieser mutmaßlich Aktenteile einer Anzeige gegen eine Journalistin an den Top-Beamten im Justizministerium Christian Pilnacek weitergegeben haben soll, drohen ihm nun vor Gericht im Falle eines Schuldspruchs bis zu drei Jahre Haft.

    ÖVP-nahe Beamte versuchten Journalisten einzuspannen

    Beide Beamte sind mittlerweile vom Dienst suspendiert – auch deshalb, weil sie in Erwägung gezogen hatten, Ermittler der WKStA bespitzeln zu lassen. Es ist das vorläufige Ende dessen, was in Österreich inzwischen als „System Pilnacek“ bezeichnet wird: Mutmaßlich politisch motivierte Gängelung einer untergebenen Behörde, die gegen Korruption ermitteln soll.

    In manchen österreichischen Medien werden die Angriffe der ÖVP auf die Korruptionsermittler bisweilen als „Konflikt in der Justiz“ dargestellt. Dass die ÖVP-nahen Beamten intensiv mittels williger Journalisten versucht haben, ein geschöntes Bild in der Öffentlichkeit zu erzeugen, wird dabei gerne ausgespart.

    Bei den Wählern dürfte dies nicht wirklich funktionieren, wie diese Woche der Vertrauensindex der Austria Presse Agentur (APA) und dem OGM Online-Panel zeigt. Kein Zweifel: Die Korruptionsskandale schlagen massiv auf die Umfragewerte der ÖVP und des grünen Koalitionspartners durch. Nur fünf Regierungsmitglieder haben demnach einen leicht positiven Vertrauenssaldo, Parlamentspräsident Sobotka stellte mit minus 56 Punkten gar einen neuen Negativrekord auf.

    Oppositionspartei SPÖ bleibt erstaunlich zurückhaltend

    Dass der neue grüne Gesundheitsminister Johannes Rauch – er ist bereits der dritte seit Beginn der Corona-Pandemie – gleich mit einem Negativsaldo von 18 Punkten startet, ist wohl dem erratischen Krisenmanagement geschuldet. Rauch trug zuerst die umfassenden Lockerungen von Anfang März mit, ignorierte die Warnungen von Experten und musste schließlich doch zurückrudern und erneut die Maskenpflicht einführen.

    Bemerkenswert bei dieser Gesamtlage bleibt, dass die größte Oppositionspartei SPÖ keineswegs allzu lautstark nach Neuwahlen verlangt – obwohl sie in Umfragen mit rund 27 Prozent und stetig wachsendem Abstand zur ÖVP längst auf Platz eins rangiert. Zwar suchte Parteichefin Pamela Rendi-Wagner vergangenen Sonntag bei einer Art „Rede an die Nation“ einen Anspruch auf den Kanzlersessel zu stellen – die Chancen auf Angriff vor allem gegen die ÖVP aber lassen die Genossen größtenteils ungenutzt.

    Verhalten wirkt die rote Oppositionspolitik, ganz so, als ob man sich für die nahe Zukunft alle möglichen Koalitionsoptionen offenhalten will. Entschiedener auf vorgezogene Neuwahlen drängen die liberalen Neos und die FPÖ. Die Grünen wollen oder müssen der ÖVP weiter die Treue halten: Im Falle von Neuwahlen ist das Risiko wohl zu hoch, wieder auf der Oppositionsbank zu landen.

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