Innenministerin Nancy Faeser will nun doch persönlich dem Innenausschuss des Bundestags in der in der Schönbohm-Affäre Rede und Antwort stehen. Dort erhofft sich die Opposition von der SPD-Politikerin Auskunft über die umstrittene Abberufung des Chefs des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm. Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Alexander Throm (CDU), sagte unserer Redaktion: "Es ist höchste Zeit, dass Frau Faeser ihr bockiges Verhalten beendet und endlich in den Innenausschuss kommt. Wir erwarten, dass sie genügend Zeit mitbringt, um alle Fragen zu beantworten."
Zuvor hatte die SPD-Politikerin zweimal eine Vertreterin zu Sitzungen geschickt. Besonders ärgerten sich CDU und CSU über die erste Absage wegen eines Arzttermins – denn am selben Vormittag gab Faeser ein Wahlkampf-Interview in Hessen. Dort will die 53-Jährige bei der Landtagswahl am 8. Oktober Ministerpräsidentin werden. Doch die Schönbohm-Affäre wird immer mehr zu ihrer offenen Flanke. Die Opposition treibt Faeser seit Tagen mit dem Verdacht vor sich her, Faeser habe den Spitzenbeamten ohne triftigen Grund von seinem Posten entfernt und sogar den Geheimdienst instrumentalisiert, um im Nachhinein noch belastendes Material zu suchen.
Schönbohm kämpft um seinen Ruf
Schönbohm selbst kämpft um seinen Ruf und klagt vor Gericht wegen "systematischer Verletzung der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht" gegen das Ministerium. Kurz nach einer Sendung des ZDF-Satirikers Jan Böhmermann, in der über angebliche Verbindungen Schönbohms zu einem privaten Verein mit Russland-Kontakten berichtet worden war, hatte Faeser den BSI-Chef abberufen. Schönbohm hatte daraufhin sogar selbst eine Vorprüfung zu einem Disziplinarverfahren gegen sich angestrengt, um sich gegen mögliche Vorwürfe zur Wehr setzen zu können. Doch die Ergebnisse waren offenbar so dürftig, dass kein Verfahren eröffnet wurde. Medienberichte legen zudem nahe, dass es vor der Sendung Kontakte zwischen Böhmermann und einer Staatssekretärin im Innenministerium gab.
Nachfragen aus dem Parlament entzog sich Faeser bislang. Stattdessen keilte sie gegen die Opposition: "Ich verstehe ja, dass Sie in den kommenden Wochen alles tun werden, um mich mit Dreck zu bewerfen." Nun hat das Innenministerium Medienberichte bestätigt, wonach sie am Mittwoch, 20. September, persönlich im Innenausschuss erscheinen will. Offenbar hofft Faeser, die brisante Schönbohm-Affäre rechtzeitig zum Endspurt im Hessen-Wahlkampf entschärfen zu können. Leicht machen wird ihr die Union das nicht. CDU-Mann Throm sagte: "Sie muss restlos für Transparenz sorgen." Die Union erwarte, dass auch ihre Staatssekretärin erscheine "und Auskunft über ihre Kontakte zu Herrn Böhmermann gibt".
Gelingt die zweigleisige Fahrt von Nancy Faeser?
Von den Ampel-Partnern FDP und Grünen kommt kaum Unterstützung für Faeser. Und selbst in der SPD keimt hinter vorgehaltener Hand die Frage auf, ob sie der Doppelrolle als Bundesinnenministerin, die gerade unter anderem eine Migrationskrise zu bewältigen hat, und Spitzenkandidatin in Hessen noch gewachsen ist. Manche Genossen fürchten, bei den Wahlberechtigten komme das "zweigleisige Fahren" nicht gut an. Denn im Falle einer Niederlage, so sagte Faeser eben wieder, wolle sie Innenministerin bleiben – was aber letztlich der Kanzler entscheide. Dessen Idee war es ja, Faeser aus der hessischen Landespolitik ins Bundeskabinett zu holen, um sie bekannter zu machen, sodass sie dann wiederum die einstige SPD-Hochburg Hessen zurückerobern kann.
Hält Scholz auch bei einem Hessen-Debakel an Nancy Faeser fest?
Dass der Plan aufgeht, danach sieht es im Moment nicht aus. Die CDU von Amtsinhaber Boris Rhein führt die aktuellsten Umfragen mit komfortablen 29 Prozent an. Seine Herausforderin dagegen ist auf nur noch 20 Prozent abgestürzt. Ihre SPD droht sogar den zweiten Platz an die Grünen zu verlieren. Spätestens in diesem Fall dürfte es auch für Faesers Ministerposten gefährlich werden. Der Kanzler hat ihr zwar offenbar eine Art Job-Garantie für den Fall gegeben, dass sie in Hessen nicht gewinnt. Doch angesichts des unglücklichen Handelns der Innenministerin in der Causa Schönbohm könnte die Zusage wackeln.
Olaf Scholz, das hat der Rauswurf von Christine Lambrecht aus dem Verteidigungsressort gezeigt, übt nicht allzu viel Nachsicht mit Ministern, die seine Erwartungen nicht erfüllen. Dass Faeser mangelnde Unterstützung aus Berlin beklagt, könnte er zudem als Foul werten. "Also Rückenwind sieht sicher anders aus", sagte sie und griff damit indirekt auch den Regierungschef an. Eine Illoyalität, die Scholz sich merken dürfte.