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Regierung: Energie, Klima, Verkehr: Zwist in der Ampel-Koalition

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Energie, Klima, Verkehr: Zwist in der Ampel-Koalition

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    Die Bundesregierung von SPD, Grünen und FDP ist seit Dezember 2021 im Amt. Es kriselt bereits.
    Die Bundesregierung von SPD, Grünen und FDP ist seit Dezember 2021 im Amt. Es kriselt bereits. Foto: Christoph Soeder, dpa

    Jetzt hat es Robert Habeck also auch erwischt. Der Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister sei „positiv auf Covid-19 getestet worden“, teilte eine Sprecherin seines Ministeriums am Mittwochabend mit. Alle Präsenztermine sagte der Grüne ab, sein Image als fitter Dauerkümmerer der Nation soll dabei so wenig wie möglich leiden. „Weitere Dienstgeschäfte nimmt Minister Habeck aus dem Homeoffice wahr", hieß es. Habecks Erkrankung könnte der Ampel-Regierung gleichwohl die Atempause verschaffen, die sie dringend nötig zu haben scheint. Denn Prima-Klima herrscht in der Koalition derzeit nicht, vor allem FDP und Grüne reden sich bei vielen Themen die Köpfe heiß.

    Nicht nur Habeck ist verschnupft, die unterschiedlichen Sichtweisen über die möglichst beste Arbeitsweise der Ampel-Regierung reißen die Gräben auf, die der Koalitionsvertrag bisher nur notdürftig verdecken konnte. Zu einem immer größeren Koalitionsstörfall entwickelt sich die Forderung der Liberalen nach einer Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken. FDP-Fraktionschef Christian Dürr ist nur einer von vielen, die die Meiler entgegen der Planung gerne über das Jahresende hinaus laufen lassen würden. Der kleinste Koalitionspartner düpiert damit nicht nur Wirtschaftsminister Habeck und Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne), die beide unter Verweis auf ein gemeinsam erstelltes Gutachten strikt gegen eine Laufzeitverlängerung sind. Die FDP zielt mit ihrer Forderung auch direkt ins Herz der Grünen, bei denen ein Atomausstieg in den Partei-Genen verankert ist.

    Sansibar und Merz: Trittin ist genervt von der FDP

    „Liebe FDPler, ihr solltet wissen, mit Atomkraft kann man zwar Eure Sansibar auf Sylt beleuchten, aber keine Wohnungen heizen – und auch nicht den Flieger von Friedrich Merz betanken“, ätzte Jürgen Trittin denn auch erbost. Der Ur-Grüne nahm damit nicht nur die Hochzeit des FDP-Vorsitzenden Christian Lindner auf ZDF-Satiresendung adaptierte – „F.D.P.: Fick den Planeten" –, war der Zuspruch bei seinen Leuten so riesig, wie es der Ärger bei der FDP war.

    Im Vergleich zu einem anderen Vorhaben der Ampel mutet die Debatte über AKW-Laufzeiten indes wie eine Petitesse an: Eigentlich wollten SPD, Grüne und FDP am Mittwoch im Bundeskabinett ein Klimaschutz-Sofortprogramm auf den Weg bringen. Ziel ist es, den CO2-Ausstoß in Deutschland bis 2030 im Vergleich zu 1990 um 65 Prozent zu senken. Es sollte einer der ersten ganz großen gemeinsamen Würfe der Regierung werden, stattdessen geriet das Vorhaben zu einer Riesenblamage. Denn die Koalition konnte sich nur auf gesetzlich vorgeschriebene Notprogramme für die beiden Bereiche (Sektoren) Verkehr und Gebäude einigen – sie musste hier handeln, weil die Reduktionsziele nicht eingehalten wurden. Andere Sektoren wie etwa die Energie- oder die Landwirtschaft sind nicht geregelt.

    Kein großer Wurf für den Klimaschutz

    „Ein großer Wurf für den Klimaschutz sieht anders aus“, kritisierte die umweltpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion und Klimaexpertin Anja Weisgerber. Ob die Ampel ihre ehrgeizigen Klimaziele halten kann, ist angesichts der Verzögerung fraglich. In Regierungskreisen heißt es zwar, dass es im September ein komplettes Klimaschutzprogramm geben soll. Aber ob das gelingt? „Dazu müssten wir uns in der Sommerpause auf die wesentlichen Eckpunkte einigen. Ich habe da noch so meine Zweifel“, sagt einer aus der Grünen-Fraktionsführung.

    Im Verkehrssektor etwa verspricht der zuständige Minister Volker Wissing (FDP), dass sein Maßnahmenpaket die Differenz bei den Treibhausemissionen vollständig ausgleiche und „den Verkehrssektor zurück auf den Pfad der Einhaltung der Klimaziele“ führe. Wissing muss dafür aber ganz tief in die Trickkiste greifen, will unter anderem mit einem Plus an mobilem Arbeiten Wege vermeiden und so CO2 sparen. Der verkehrspolitische Sprecher der Grünen, Stefan Gelbhaar, ging sofort in die Offensive. Wissings Vorschlag sei nicht abgestimmt, seine Rechnung nicht nachvollziehbar, kritisierte er. „Eine deutliche Nachjustierung tut not“, forderte Gelbhaar und mahnte, der Klimakrise lasse sich nicht allein mit der Hoffnung auf ein „Das wird schon“ begegnen.

    Richtig eng könnte es für die Koalition werden, falls das Gas tatsächlich noch knapper wird und zugeteilt werden muss. Habecks Ministerium hat zwar inzwischen klargestellt, dass Privathaushalte bevorzugt behandelt und nicht von der Energieversorgung abgeschnitten werden sollen. Des Ministers Mahnung jedoch, dass auch die Privaten einen Beitrag leisten müssten, damit die Industrieproduktion nicht zum Erliegen kommt, wurde im liberalen Lager genau registriert. Es sei nicht ausgeschlossen, dass Habeck von der gesetzlich festgelegten Reihenfolge bei der Gasversorgung abweiche, um die Industrie zu schützen, hieß es in Kreisen der FDP-Fraktion ahnungsvoll. Die Liberalen wollen vom genormten Prozedere jedoch nicht abweichen, der nächste Streit wäre da.

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