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Reform von ARD und ZDF: Streit um Reformstaatsvertrag

Rundfunk

„Veränderungen deutlich spürbar“: ARD und ZDF stehen vor großer Reform

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    Zuschauerinnen und Zuschauer könnten bald auf TV-Spartenkanäle wie „tagesschau24“ oder „ZDFneo“ verzichten müssen.
    Zuschauerinnen und Zuschauer könnten bald auf TV-Spartenkanäle wie „tagesschau24“ oder „ZDFneo“ verzichten müssen. Foto: Lino Mirgeler, dpa (Symbolbild)

    Wie einschneidend die kürzlich vorgelegten Reformpläne für ARD und ZDF sind, war in den vergangenen Tagen hinter und vor den Kulissen eindrucksvoll zu erleben. Da feilten die öffentlich-rechtlichen Sender an einer einheitlichen Kommunikationsstrategie und gaben in scharfem Ton verfasste Stellungnahmen ab. Aus mancher Anstalt drangen als Erklärstücke verpackte Drohszenarien. Zumindest konnte dieser Eindruck entstehen.

    So ließ der Hessische Rundfunk, dessen Intendant Florian Hager zum Jahreswechsel den ARD-Vorsitz übernimmt, in einem ausführlichen Onlinetext wissen: „Die geplanten Veränderungen wären für alle Nutzer und Nutzerinnen der hr-Angebote deutlich spürbar.“ Etwa aufgrund einer Neuregelung zur Beschränkung von Onlinetexten würden „aktuelle Nachrichten auf hessenschau.de grundsätzlich mit Verzögerung erscheinen“. Der Redaktionsleiter des Angebots kritisierte: „Wir könnten unseren gesetzlichen Auftrag nicht mehr vollständig erfüllen.“ Ähnlich äußerte sich der BR-Chefredakteur: Eine „bewusste Verlangsamung unserer Angebote würde generell dazu führen, dass sie ihren Wert für die Menschen verlieren“. Das sei auch „ein Schaden für die Demokratie“.

    CSU-Medienminister Herrmann fordert „eine klare Rückbesinnung auf den Auftrag“

    Der Veränderungsdruck ist offensichtlich derart groß geworden, dass der noch amtierende ARD-Vorsitzende Kai Gniffke vom SWR am Mittwoch eine Selbstverpflichtung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vorschlug, die das Geschäft von Zeitungen stützen solle. Aus Sicht der Verlagshäuser und der Länderchefinnen und -chefs machen die beitragsfinanzierten Sender den privat finanzierten Medien zunehmend unfaire Konkurrenz. Der Entwurf zum Reformstaatsvertrag betont daher das Verbot der Presseähnlichkeit. Onlinetexte seien „primär sendungsbegleitendes Element“, in Sonderfällen wie bei Schlagzeilen zu aktuellen Ereignissen aber möglich, heißt es darin.

    Es ist ein Punkt von vielen, auf den sich die Spitzen der Länder – Medienpolitik ist in Deutschland Ländersache – geeinigt hatten. Erklärtes übergeordnetes Ziel ist es, „den öffentlich-rechtlichen Rundfunk angesichts sich stark verändernder Rahmenbedingungen zukunftsfähig“ aufzustellen, sagt Bayerns CSU-Medienminister Florian Herrmann unserer Redaktion. „Dazu brauchen wir Qualität statt Quantität und eine klare Rückbesinnung auf den Auftrag.“ Ende September war der Reformentwurf zur öffentlichen Anhörung freigegeben worden, die Frist für Stellungnahmen lief bis zum vergangenen Freitag. Jeder Interessierte konnte „Anregungen und Anmerkungen“ einreichen, dies taten neben Verbänden rund 16.000 Bürgerinnen und Bürger.

    Der Entwurf hat Sprengkraft: Die Zahl der Hörfunkprogramme soll von 69 auf 53 reduziert und die Inhalte des Vollprogramms 3sat „teilweise oder vollständig“ in das Vollprogramm Arte überführt werden. Gestrichen werden soll auch bei den TV-Spartenkanälen. Von den vier Info-Angeboten tagesschau24, Phoenix, ARD-alpha und ZDFinfo sollen eines oder zwei wegfallen, wie ebenfalls bei den vier „jüngeren“ Angeboten KiKA, funk, ZDFneo und ARD One. Bereits nächste Woche wird das Reformpaket Thema sein – wenn sich in Leipzig die Regierungschefinnen und -chefs der Länder von Mittwoch an zu ihrer Jahreskonferenz treffen. Der sächsische CDU-Medienminister Conrad Clemens sagt im Gespräch mit unserer Redaktion: Er gehe davon aus, dass der Reformstaatsvertrag im nächsten Sommer in Kraft treten könne. Voraussetzung dafür wäre, dass auch die 16 Länderparlamente zustimmen.

    ARD-Generalsekretärin Susanne Pfab: „Einige Punkte im Entwurf sehen wir kritisch“

    „Ich halte den vorgelegten Entwurf für gut“, sagt Clemens weiter. Seiner Einschätzung nach werde es gegebenenfalls „noch an der einen oder anderen Stelle fachlich erforderliche Änderungen geben, aber die medienpolitischen Grundentscheidungen dürften sich nicht mehr wesentlich ändern“. Diskutiert würde noch über die Spartenkanäle, die Presseähnlichkeit des Onlineangebots – und die Sportrechte: Die aufgewendeten Mittel für Übertragungsrechte sollen künftig „ein angemessenes Verhältnis zum Gesamtprogrammaufwand nicht überschreiten“. ZDF-Intendant Norbert Himmler lehnte die Reformpläne in diesen Bereichen weitgehend ab: ZDFinfo und ZDFneo seien „entscheidend für die gesellschaftliche Durchdringung in jungen Publikumsgruppen“, die vorgeschlagenen Verschärfungen des Verbots presseähnlicher Onlineangebote schwächten die Informationsvielfalt und die Begrenzung der Kosten für den Erwerb von Sportübertragungsrechten sei aufgrund einer bestehenden Selbstverpflichtung „entbehrlich“.

    Susanne Pfab ist ARD-Generalsekretärin. Man habe in den vergangenen zwei Jahren bereits einige Reformen auf den Weg gebracht, sagt sie.
    Susanne Pfab ist ARD-Generalsekretärin. Man habe in den vergangenen zwei Jahren bereits einige Reformen auf den Weg gebracht, sagt sie. Foto: ARD Presse, obs

    ARD-Generalsekretärin Susanne Pfab, die von einer Verabschiedung des Reformstaatsvertrags in Leipzig ausgeht, sagt auf Anfrage: Vieles in dem Entwurf sei positiv und decke sich mit dem, was man selbst an Reformen in den vergangenen zwei Jahren auf den Weg gebracht und teilweise schon umgesetzt habe. Aber: „Einige Punkte im Entwurf sehen wir kritisch und wir haben im Rahmen der Anhörung Gegenvorschläge gemacht.“ Dazu zählt das Angebot, Kooperationen mit Verlagen und Presseanbietern auszubauen, zum Beispiel „durch Überlassung von audiovisuellem Content“, wie Pfab in einem „Infobrief“ schreibt – um die geplante Beschränkung von Onlinetexten noch zu verhindern.

    An diesem Streitpunkt zeigt sich gut, worum es bei der Reform insbesondere von ARD und ZDF geht, nämlich um die grundsätzliche Frage: Was soll der öffentlich-rechtliche Rundfunk in welcher Form leisten? Und: Wo geht er, ausgestattet mit Beitragsmilliarden, zu weit? Auch: Wo kommen etwaige Selbstverpflichtungen an ihre Grenzen?

    BDZV-Vorstandsvorsitzender Hilscher: „Wettbewerbseingriff durch öffentlich-rechtliche Textangebote“

    Aus Sicht von Stefan Hilscher, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV), ist beim Thema „Presseähnlichkeit“ die Grenze klar überschritten. Er sagt: „Das Problem des von uns nachgewiesenen Wettbewerbseingriffs durch öffentlich-rechtliche Textangebote mit erheblicher negativer Wirkung für die Presse muss rechtsfest und darum gesetzlich gelöst werden.“ Man begrüße daher, dass die Länder mit einem neuen Reformstaatsvertrag nun auch im Bereich der Textangebote eine Verschärfung einführen wollten. „Diese ist angesichts zahlreicher Textangebote der öffentlich-rechtlichen Sender, die die Refinanzierung von Presseangeboten schon jetzt beeinträchtigen, dringend geboten.“ Hilscher verweist auf mehrere wissenschaftliche Studien, die belegen: „Nutzerinnen und Nutzer von Nachrichtenangeboten würden signifikant auf Angebote der Presse ausweichen, wenn es keine oder weniger öffentlich-rechtliche Texte gäbe.“ Diese Textangebote zu reduzieren, gelinge dem vorliegenden Entwurf noch nicht. „Wir glauben jedoch, dass eine erfolgreiche Überarbeitung möglich ist“, so Hilscher.

    Der Widerstand unter den Länderchefs gegen eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags ist groß: Dieser soll eigentlich zum Jahreswechsel auf 18,94 Euro pro Monat und Haushalt steigen.
    Der Widerstand unter den Länderchefs gegen eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags ist groß: Dieser soll eigentlich zum Jahreswechsel auf 18,94 Euro pro Monat und Haushalt steigen. Foto: Sebastian Kahnert, dpa

    Markus B. Rick, Hauptgeschäftsführer des Verbands Bayerischer Zeitungsverleger (VBZV) ergänzt: „Gerade in Bayern zeigt sich, dass eine Verschärfung des Presseähnlichkeitsverbots dringend notwendig ist. Die Textlastigkeit des Newsportals BR24 beobachten wir seit vielen Jahren. Elf unserer Verlage sind deswegen bereits 2016 erfolgreich vor Gericht gezogen.“ Leider habe sich an der aus VBZV-Sicht presseähnlichen Gestaltung bis heute wenig geändert. „Daher behalten wir uns erneut die Beschreitung des Rechtswegs vor“, sagt Rick. „Eine klare gesetzliche Regelung könnte solche Prozesse künftig verhindern.“

    Rundfunkbeitrag: Debatte um Erhöhung dauert an

    In Leipzig wird auch die eigentlich für den Jahreswechsel vorgesehene Erhöhung des Rundfunkbeitrags Thema sein. Der soll, so hatte es die unabhängige Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) empfohlen, um 58 Cent auf 18,94 Euro pro Monat und Haushalt steigen. Mehrere Länder haben dem unmissverständlich und mehrfach widersprochen, darunter Bayern. Die Lage wirkt verfahren, ein Gang vor das Bundesverfassungsgericht wäre nicht unwahrscheinlich. ARD-Generalsekretärin Pfab dazu: „Wir gehen davon aus, dass sich die Länder an das verfassungsgemäße Verfahren halten. Wir werden aufmerksam verfolgen, was die Regierungschefs und -chefinnen nächste Woche in Leipzig beschließen.“ Sachsens Medienminister Conrad Clemens sagt, er sei zuversichtlich, dass man „zu einer tragfähigen Lösung kommen“ werde. Woher er die Zuversicht nimmt, verrät er nicht.

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    1 Kommentar
    Gerold Rainer

    Warscheinlich geht die Reform wieder am Berüfnis der Zwangsabonnementen, also der Gebührenzahler vorbei. Ein guter Anfang wäre, als Sparmaßnahme die Spitzengehälter der Führungsebene drastisch zu senken. Die Anzahl der Sender zu senken ist durchaus sinnvoll, weil Quantitär nicht Qualität ersetzen kann. Letzendlich werden online- Inhalte immer wichtiger werden, weil heutzutage kaum jemand bereit ist, seinen Tagesablauf nach einem Fernsehprogramm auszurichten.

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