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Rechtsextremismus: Wie die Causa Kalbitz die AfD entzweit

Rechtsextremismus

Wie die Causa Kalbitz die AfD entzweit

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    Andreas Kalbitz hat die ostdeutschen Landesverbände der AfD hinter sich. Dabei wollte der Parteivorstand den Rechtsextremisten loswerden.
    Andreas Kalbitz hat die ostdeutschen Landesverbände der AfD hinter sich. Dabei wollte der Parteivorstand den Rechtsextremisten loswerden. Foto: Soeren Stache, dpa

    Andreas Kalbitz sitzt auf einem Korbstuhl unter den wogenden Ästen einer Trauerweide und lächelt entspannt. Hinter dem AfD-Politiker aus Brandenburg, der sogar dem Bundesvorstand seiner Partei zu weit rechts steht, glitzert das Seewasser. Ihm gegenüber sitzt eine junge Journalistin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) und stellt Fragen, die nicht allzu kritisch ausfallen. Dabei hält der Verfassungsschutz Kalbitz für einen „erwiesenen Rechtsextremisten“. Eine Frage, die darauf zielt, wischt Kalbitz einfach beiseite. Der Verfassungsschutz sei ja schließlich „politisch instrumentalisiert“. Wegen der prominenten Plattform, die er dem Rechtsausleger am Sonntag 40 Minuten lang bot, muss sich der öffentlich-rechtliche RBB nun gegen massive Kritik wehren.

    Kalbitz wehrt sich gegen AfD-Rauswurf - bislang mit Erfolg

    Der Zwist um das allzu lauschige Sommerinterview mit dem Mann, der an Neonazi-Zeltlagern und NPD-Aufmärschen teilnahm, wirkt indes winzig im Vergleich zur riesigen Kontroverse, für die Kalbitz innerhalb der AfD sorgt. Jörg Meuthen, der zusammen mit Tino Chrupalla Bundesvorsitzender der AfD ist, hatte im Mai versucht, Kalbitz aus der Partei zu werfen. Damit wollte Meuthen offenbar die drohende Beobachtung der AfD als Gesamtpartei durch den Verfassungsschutz abwenden. Im Bundesvorstand fand Jörg Meuthen dann auch eine Mehrheit für die Trennung von Andreas Kalbitz. Die wurde unter anderem damit begründet, dass dieser verschwiegen habe, früher Mitglied in der verfassungsfeindlichen Neonazi-Truppe „Heimattreue Deutsche Jugend“ (HDJ) gewesen zu sein.

    Kalbitz bestreitet die Mitgliedschaft, lediglich an einem Zeltlager der HDJ habe er teilgenommen. Er klagte vor dem Landgericht Berlin gegen seinen Rauswurf – und bekam recht. Im Juni wählte ihn die Brandenburger AfD-Landtagsfraktion erneut zu ihrem Vorsitzenden. Das Bundesschiedsgericht der AfD soll nun Ende Juli über den Ausschluss entscheiden. Ob es beim Rauswurf bleibt, ist ungewiss, schon das Landgericht hatte festgestellt, dass Meuthens Argumente juristisch nicht allzu stichhaltig gewesen seien. Und selbst wenn das Schiedsgericht gegen Kalbitz entscheidet, wird dieser wohl mit weiteren rechtlichen Schritten kontern.

    Verfassungsschutz hält Kalbitz und aufgelösten AfD-Flügel für rechtsextremistisch

    Kalbitz zählte neben dem Thüringer Landeschef Björn Höcke zu den treibenden Kräften des völkisch-nationalen „Flügels“ innerhalb der AfD, den der Verfassungsschutz im März als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung“ einstufte. Inzwischen hat sich der Flügel zwar selbst aufgelöst – doch seine Ideologie ist gerade in den ostdeutschen AfD-Landesverbänden weiter stark, für viele Beobachter sogar allmächtig.

    AfD-Parteichef Jörg Meuthen wollte den Rechtsextremisten Andreas Kalbitz aus der Partei werfen - bislang ohne Erfolg.
    AfD-Parteichef Jörg Meuthen wollte den Rechtsextremisten Andreas Kalbitz aus der Partei werfen - bislang ohne Erfolg. Foto: Matthias Rietschel, dpa

    Jörg Meuthen kommt dagegen aus der wirtschaftsliberalen und euro-skeptischen Strömung der AfD, die in Westdeutschland noch immer stark ist. Allerdings hofierte auch er lange den Flügel und nahm an mehreren „Kyffhäuser-Treffen“ der Organisation teil. In weiten Teilen der Ost-AfD ist Meuthen wegen seiner Attacke auf Flügel-Mann Kalbitz inzwischen regelrecht verhasst. Zumal ihm dort viele noch nicht verziehen haben, dass er erst kürzlich laut über eine mögliche Spaltung der AfD nachdachte. Auch in Westdeutschland hat Meuthen an Unterstützung eingebüßt, berichten Kenner der Partei.

    Politikwissenschaftler Hajo Funke: Wählerpotenzial der AfD ist ausgeschöpft

    Der Berliner Politikwissenschaftler Hajo Funke sagt: „Die AfD befindet sich in einem Grabenkampf, der unterirdisch geworden ist. Eine Perspektive auf eine Einigung oder ein Ende gibt es nicht. Die Partei unternimmt alles, um sich selbst zu schwächen.“ In dem Streit der Lager, der sich in der Causa Kalbitz manifestiere, scheine keine Vermittlung möglich. Funke hat eben erst sein Buch „Die Höcke-AfD“ veröffentlicht, in dem er den Wandel „vom gärigen Haufen zur Flügel-Partei“ nachzeichnet. Diese Entwicklung kenne einen großen Verlierer: „Meuthen hat sich bei seiner späten Kehrtwende gegen Rechts die Illusion gemacht, der völkisch nationale Teil würde sich abspalten. Doch das wird diese sehr starke und in Ostdeutschland dominierende Gruppe nie tun.“ AfD-Insider bestätigen die Einschätzung Funkes. Meuthen wolle eine „weichgespülte AfD wie die FDP oder die Werteunion“. Doch das sei mit den starken ostdeutschen Landesverbänden nicht zu machen. Eine Spaltung sei aber um jeden Preis zu vermeiden, sonst sei das erklärte Ziel, rechte Volkspartei zu werden, nicht zu erreichen. Überhaupt schade der ganze Streit dem Ansehen der AfD.

    Diese Ansicht wiederum teilt Parteiexperte Hajo Funke: „Selbst wenn eine Seite nun einen Pyrrhussieg erringen sollte, ist das Bild einer zerrissenen Partei nicht mehr zu kitten. Doch die Bürger mit rechten Ansichten wünschen sich eine einige, kampfstarke Partei.“ Die „Illusion, dass die AfD immer radikaler und damit immer erfolgreicher wird“, sei zerplatzt. Funke weiter: „Damit hat die AfD ihren bösen Zauber verloren. Ihr Wählerpotenzial ist ausgeschöpft. Es wird ihr nicht mehr gelingen, Wähler etwa von Union oder FDP anzulocken.“ Die anderen Parteien dürften allerdings nicht mehr den Fehler machen, AfD-Positionen zu kopieren. Und wenn Deutschland dann auch noch einigermaßen gut durch die Corona-Krise komme, sagt Funke, habe er Zweifel, „ob die AfD überhaupt noch einmal in den Bundestag gewählt wird“.

    Lesen Sie dazu auch: AfD: Höcke probt nach Rauswurf von Kalbitz den Aufstand

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