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Rechtsextremismus: Wie die AfD digitale Brandstiftung betreibt

Rechtsextremismus

Wie die AfD digitale Brandstiftung betreibt

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    Unter dem Motto „Stabil bleiben - gegen AfD und Rechtsruck“ fand am Tag vor der brandenburgischen Landtagswahl in Potsdam eine Kundgebung mit Konzerten statt. Aktionen wie diese sind seltener geworden.
    Unter dem Motto „Stabil bleiben - gegen AfD und Rechtsruck“ fand am Tag vor der brandenburgischen Landtagswahl in Potsdam eine Kundgebung mit Konzerten statt. Aktionen wie diese sind seltener geworden. Foto: Annette Riedl, dpa

    Es begann hoffnungsvoll: Nach aufrüttelnden Enthüllungen des Rechercheverbundes „Correctiv“ über die Verbindung der AfD mit rechtsextremen Netzwerken gingen im Januar Hunderttausende Menschen auf die Straße. Sie setzten ein Zeichen gegen Hass und für die Demokratie. Es herrschte eine spürbare Aufbruchsstimmung, es war eine Zeit, in der viele an die Stärke der Zivilgesellschaft glaubten - die sogenannte Brandmauer. Zivilgesellschaftliche Akteure wie der Bundesverband Mobile Beratung (BMB) erlebten einen enormen Zulauf. Ihre Netzwerke wuchsen, die Zahl der Unterstützerinnen und Unterstützer stieg. Mit seinen Beratungsangeboten zu Rechtsextremismus, Rassismus und Diskriminierung unterstützt der BMB insbesondere in kleinen Gemeinden, wo extremistische Ideologien oft unbemerkt Fuß fassen.

    Doch das Problem bleibt groß – und wächst weiter. Der Jahresrückblick des BMB mit dem Titel „Wie die AfD und ihre rechtsextremen Netzwerke die Demokratie angreifen. Wo Gegenwehr wirkt“ zeigt: Extremisten und deren Netzwerke gewinnen an Einfluss, besonders unter Jugendlichen. Social Media spielt dabei eine zentrale Rolle. Plattformen wie TikTok sind voller Videos, die extremistische Inhalte geschickt verpacken: humorvoll, ansprechend, subtil.

    Rechte schüren auf Social Media Hass

    Was harmlos wirkt, ist oft gezielte Propaganda. Diese Form der digitalen Brandstiftung bleibt ganz offensichtlich nicht ohne Folgen. Hassreden im Netz führen, die Polizeiberichte sind voll davon, zu realen Vorfällen: auf Schulhöfen, in Jugendzentren und auf der Straße. Schülervertretungen in mehreren Bundesländern berichten von einer Zunahme rechtsextremer Vorfälle an Schulen.

    Auch die AfD und ihre Jugendorganisation Junge Alternative (JA) tragen augenscheinlich wesentlich zu dieser Entwicklung bei. Auf TikTok, Instagram & Co sind sie so erfolgreich wie keine andere Partei. Die JA, inzwischen offiziell als rechtsextremistisch eingestuft, agiert bisher weitgehend unabhängig von der Mutterpartei. Mitglieder der JA müssen nicht zwingend auch AfD-Mitglieder sein, abgesehen von den Vorständen.

    AfD will sich von der Jungen Alternative trennen: aus Kalkül?

    Doch die AfD plant eine Umstrukturierung: Die Trennung von der JA, einhergehend mit der Gründung einer neuen Organisation. Zukünftig sollen dann alle Parteimitglieder unter 36 Jahren automatisch Teil dieser Jugendorganisation werden. Mit diesem Schritt würde die AfD mehr Kontrolle gewinnen, etwa bei Ordnungsmaßnahmen wie Parteiausschlussverfahren. Gleichzeitig wäre die Jugendorganisation als Teil der Partei aber auch rechtlich schwerer angreifbar als ein unabhängiger Verein wie die JA - und somit besser vor einem Verbot geschützt.

    Doch was wie eine Abgrenzung von der rechten Jugend aussieht, könnte schlichtweg Kalkül sein. Dominik Schumacher vom BMB jedenfalls sieht darin eine klare Strategie: „Aus unserer Sicht hat die AfD eine berechtigte und unmittelbare Angst vor einem Verbot ihrer Parteijugend und dem möchte sie zuvorkommen.“ Die Umstrukturierung sei eine reine „Nebelkerze“, die geworfen wird: „Die Änderung des Rechtsstatus der Jungen Alternative oder ein neuer Name werden nichts an ihrer Schlagkraft ändern. Die Aktiven von heute werden auch die Aktiven von morgen sein.“

    Im Kampf gegen Rechtsextremismus spielen zivilgesellschaftliche Organisationen eine Schlüsselrolle. Sie sind oft die Einzigen, die vor Ort gegensteuern, in Schulen aufklären, extremistischen Einflüssen entgegentreten und Präventionsarbeit leisten. Doch trotz der Mobilisierung zu Jahresbeginn bleiben greifbare politische Antworten aus. Sylvia Spehr, Geschäftsführerin der Landesarbeitsgemeinschaft Jugendkunstschulen Thüringen, beschreibt die Lage so: „Wir sind so viele, aber trotzdem ist das Gefühl da, dass wir allein gelassen werden.“ Weder ausreichende finanzielle Mittel noch politische Rückendeckung erreichten die Akteure vor Ort.

    AfD-Verbot braucht Argumente

    Spehr richtet einen klaren Appell an die Politik: „Überlasst den Kampf gegen rechtsextreme Ideologien nicht allein den ehrenamtlichen Bündnissen!“ Der Schutz der Demokratie brauche mehr als guten Willen – er erfordere Engagement, Ressourcen und Unterstützung auf allen Ebenen, machte sie deutlich. Von der Gesellschaft und der Politik gleichermaßen.

    Und was ist mit einem Verbot der AfD? Der Direktor des Kompetenzzentrums für Rechtsextremismus- und Demokratieforschung an der Universität Leipzig, Oliver Decker, sieht dafür „aus der Wissenschaft gute Gründe“. Die Politik müsse aber gute Argumente finden, warum man eine Partei verbieten wolle, die derartig viele Stimmen auf sich vereine. „Das ist tatsächlich ein Spagat, in dem wir sind. Und ich sehe momentan auch noch keine Lösung.“ Ihm fehle allerdings die ernsthafte politische Auseinandersetzung mit den Ursachen für diese Entwicklung, sagte Decker.

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    1 Kommentar
    Rainer Kraus

    Solange die AfD nur auf Missstände hinweist ist sie die beste Oppositions-Partei. Schlimm wird es nur, wenn die Missstände nicht behoben werden und die Mehrheit der Wähler den Eindruck bekommen, dass die AfD dies kann und wird.

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