Der Verfassungsschutz wertet die Entscheidung des Kölner Verwaltungsgerichts zu seiner Einschätzung der AfD als rechtsextremistischer Verdachtsfall als Erfolg. "Ich begrüße, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz in seiner Bewertung der AfD vom Verwaltungsgericht Köln bestätigt worden ist", sagte der Präsident des Bundesverfassungsschutzes, Thomas Haldenwang, am Dienstagabend. "Das ist ein guter Tag für die Demokratie". Eine detaillierte Stellungnahme werde seine Behörde abgeben, sobald die schriftliche Urteilsbegründung vorliege und vom Bundesamt ausgewertet worden sei.
Verfassungsfeindliche Bestrebungen innerhalb der AfD
Das Gericht hatte zuvor entschieden, dass der Verfassungsschutz die AfD als Verdachtsfall einstufen und beobachten darf. Das ermöglicht der Kölner Behörde unter bestimmten Voraussetzungen die Überwachung von Kommunikation sowie den Einsatz von V-Leuten und anderen nachrichtendienstlichen Mitteln. Die AfD hatte gegen die Bewertung der Verfassungsschützer geklagt. Das Kölner Urteil ist noch nicht rechtskräftig; gegen die Entscheidung kann Berufung eingelegt werden.
Es gebe ausreichende Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen innerhalb der Partei, erklärte das Gericht. Beobachter der Partei und einige ehemalige AfD-Mitglieder konstatieren bereits seit längerer Zeit einen wachsenden Einfluss der Rechtsaußen-Strömung der Partei auf den Kurs der AfD. Der langjährige Co-Vorsitzende Jörg Meuthen hatte die AfD Ende Januar verlassen. Zur Begründung schrieb er: "Große Teile der Partei und mit ihr etliche ihrer führenden Repräsentanten haben sich für einen immer radikaleren, nicht nur sprachlich enthemmteren Kurs, für politische Positionen und verbale Entgleisungen entschieden, die die Partei in vollständige Isolation und immer weiter an den politischen Rand treiben."
Es gebe ausreichende Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen innerhalb der Partei, führte das Gericht zur Begründung aus. Dies habe der Verfassungsschutz in Gutachten und Materialsammlungen belegt. Die AfD habe dem lediglich pauschales Bestreiten entgegengesetzt. Zwar sei der sogenannte Flügel der Partei formal aufgelöst worden, seine Protagonisten übten aber weiter maßgeblichen Einfluss aus.
Auch Aktivitäten der Jugendorganisation Junge Alternative (JA) seien in die Bewertung eingeflossen. Sowohl im Flügel als auch in der JA sei ein ethnisch verstandener Volksbegriff ein zentrales Politikziel. Danach müsse das deutsche Volk in seinem ethnischen Bestand erhalten und müssten "Fremde" möglichst ausgeschlossen werden. Das stehe im Widerspruch zum Volksbegriff des Grundgesetzes.
Erfolg hatte die AfD mit ihrer Klage, die sich dagegen wandte, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz öffentlich mitgeteilt hatte, der Flügel habe 7000 Mitglieder. Dafür gebe es nicht die erforderlichen Anhaltspunkte, erklärte das Gericht.
Verhandlung war vor der Bundestagswahl ausgesetzt worden
In dem Verfahren wurden bereits zentnerweise Schriftsätze ausgetauscht. Der Verfassungsschutz reichte mehrfach Dokumente nach. Dabei ging es etwa darum darzulegen, mit welchen Aussagen AfD-Funktionäre aus Sicht des Verfassungsschutzes gegen das Rechtsstaatsprinzip oder das Demokratieprinzip verstoßen, beziehungsweise die Menschenwürde von Migranten, Muslimen und anderen Minderheiten missachtet haben. Die Verhandlung Gericht in Köln: Verfassungsschutz darf AfD vorerst nicht als Verdachtsfall einstufenVerfassungsschutzließ lange auf sich warten, da das Gericht 2021 entschied, keinen Termin kurz vor der Bundestagswahl anzusetzen.
AfD-Chef Tino Chrupalla hat kurz vor Beginn des Verfahrens betont, dass seine Partei nicht als rechtsextrem eingestuft werden könne. Über den Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, sagte Chrupalla am Dienstag in Köln: "Herr Haldenwang hat noch im Oktober 2020 im Innenausschuss des Bundestags gesagt, dass die AfD keine rechtsextreme Partei ist. Da fragen wir umgekehrt: Was hat sich denn seitdem verändert?"
Das Bundesamt für Verfassungsschutz argumentierte in dem Verfahren auch mit Äußerungen des früheren Parteichefs Jörg Meuthen. Der aus der Partei ausgetretene Ex-Vorsitzende habe selbst gesagt, dass viele Parteimitglieder durch eine Verachtung für Andersdenkende geprägt seien. Der Austritt Meuthens zeigt nach Überzeugung des Verfassungsschutzes, dass sich der sogenannte Flügel innerhalb der Partei mehr und mehr durchsetze. Bestrebungen, den Einfluss des Flügels zu begrenzen, seien gescheitert.
Die Gerichtsentscheidung könnte nach Einschätzung von Politikern der anderen Parteien auch Auswirkungen auf die Arbeit im Bundestag haben. Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz sagte im ZDF-"heute journal": Dass der Verfassungsschutz diese Partei als Verdachtsfall einstuft, ist ein relevanter, auch sicherheitspolitischer Vorgang. Und er wirft natürlich Fragen auf. Auch für den Deutschen Bundestag selbst - zum Beispiel bei der Geheimdienstkontrolle."
Der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums im Bundestag, Roderich Kiesewetter (CDU), sagte: "Wenn dieses Urteil letztinstanzlich bestätigt ist, ist es natürlich nicht möglich, dass eine Partei, die als Verdachtsfall eingestuft ist, Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium ist. Das Parlamentarische Kontrollgremium kontrolliert die Nachrichtendienste des Bundes.
Der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla zeigte sich überrascht von dem Urteil. Die AfD werde auf der Grundlage der schriftlichen Urteilsbegründung entscheiden, ob sie weitere Rechtsmittel einlegen werden. Die AfD werde sich "als Oppositionspartei auch weiterhin mit aller Kraft in den Parlamenten für eine alternative Politik einsetzen", sagte Chrupalla. Die AfD sitzt seit 2017 im Bundestag. (dpa)