Jeden Tag zeigen Menschen virtuell den Hitlergruß, verherrlichen den Holocaust, posten extremistische Parolen auf Plattformen wie Tiktok oder Instagram. In vielen Fällen bleibt das unbestraft: Die Plattformbetreiber löschen die Inhalte nicht, die Accounts bleiben aktiv. Dabei geben sie immer wieder vor, konsequent gegen Hassreden vorzugehen.
Ein Grund, warum das oft nicht funktioniert: Extremisten verpacken ihren Hass in Codes. Das können Emojis sein, Zahlen- oder Buchstabenfolgen. Die Filter der Plattformbetreiber erkennen diese oftmals nicht als Hassrede, die Kommentare und Posts bleiben auf der Plattform. Umso wichtiger ist es für die Nutzerinnen und Nutzer, diese zu erkennen. Die häufigsten stellen wir Ihnen hier vor.
Das sind die häufigsten Codes von Rechtsextremen im Netz
"Häufig nutzen Rechtsextreme Zahlencodes, um nicht aufzufallen und von den Betreibern gesperrt zu werden", sagt die Medienwissenschaftlerin Lara Franke. Sie forscht unter anderem zu Rechtsextremismus im Netz. "Die '88' ist wahrscheinlich die bekannteste dieser Chiffren", sagt sie. "Wie für viele Zahlencodes liegt ihr die Reihenfolge der Buchstaben im Alphabet zugrunde." Die Acht steht für den achten Buchstaben im Alphabet, die doppelte Acht also für "HH" – die kurze Schreibweise für "Heil Hitler". Doch der Code ist inzwischen so verbreitet, dass er von Nutzerinnen und Nutzern häufig erkannt und gemeldet wird. Rechtsextreme versuchen, das zu umgehen und nutzen deshalb verstärkt die Chiffre "2x44" als Synonym für die "88". Ein doppelter Code quasi.
Nach einer ähnlichen Logik funktioniert die "444". Der Code sei außerhalb der rechten Szene weniger bekannt als die "88", sagt Franke. "Trotzdem nutzen Rechtsextreme den Code sehr häufig". Die Chiffre steht für die Buchstaben "DdD", eine Abkürzung für die Parole "Deutschland den Deutschen". Sie wendet sich gegen Bevölkerungsgruppen, die im Weltbild der Rechtsextremen nicht zu Deutschland gehören. Darunter fallen beispielsweise Muslime, Menschen mit Migrationshintergrund, oder Jüdinnen und Juden. Die Geschichte der Parole reicht zurück bis in das Kaiserreich, später nutzten sie auch die Nationalsozialisten.
Die Losung "168:1" bezieht sich auf das Bombenattentat des rechtsextremen US-Amerikaners Timothy McVeigh im Jahr 1995. Er sprengte in Oklahoma City ein Regierungsgebäude und tötete 168 Menschen. McVeigh wurde zur Todesstrafe verurteilt und im Jahr 2001 hingerichtet. Mit der Bezeichnung "168 zu eins" soll das Verhältnis von 168 Opfern zu einem toten Rechtsextremisten verherrlicht werden.
Ähnlich wie "168:1" ist die "14" in erster Linie eine Chiffre der Rechten in den USA. Doch auch extremistische Bewegungen in Deutschland nutzen sie als Erkennungsmerkmal. Die Zahl steht für die 14 Worte im Glaubensbekenntnis des amerikanischen Neonazis David Lane: "We must secure the existence of our people and a future for white children", auf deutsch: "Wir müssen den Fortbestand unseres Volkes und die Zukunft für weiße Kinder sichern." David Lane war bis zu seinem Tod 2007 im Gefängnis ein bekennender Neonazi.
Neben Zahlenfolgen nutzen Rechtextreme auch Buchstaben-Codes. Einer der bekanntesten ist "WP", kurz für "White Power". Auf deutsch bedeutet das so viel wie "weiße Vorherrschaft". Die Losung entstand ursprünglich als Provokation gegenüber dem Black-Power-Slogan, den die Bürgerrechtsbewegung in den USA nutzte. Im Gegensatz zur Losung der Bürgerrechtsbewegung ist sie jedoch aufgeladen mit der Theorie der vermeintlichen Überlegenheit weißer Menschen, die auch in der NS-Zeit propagiert wurde.
Ebenso aufgeladen mit dem rechtsextremen Glauben an unterschiedliche Rassen ist die Abkürzung "RAHOWA". Sie kommt aus dem Englischen und steht für "Racial Holy War“ – übersetzt: "Heiliger Rassenkrieg". Der Code steht als Aufruf für den Krieg gegen andere Religionen und Ethnien. "Häufig sind solche Buchstabenfolgen auch eine Strategie, um Nutzerinnen und Nutzer nicht sofort abzuschrecken", sagt Lara Franke. Codes wirkten weniger bedrohlich, viele würden sie nicht sofort als rechtsextrem erkennen. "Wenn die Ideologie durch vermeintlich harmlose Codes versteckt wird, besteht die Gefahr, dass sich Rezipientinnen und Rezipenten eher mit dem Gesagten identifizieren können", sagt Franke. "Und die Ideologie so nach und nach die Meinungen und Gedanken der Nutzerinnen und Nutzer beeinflussen."
Auch Emojis dienen Rechtsextremen als Codes für ideologische Posts und Kommentare. Eine häufige Kombination: die Farben der Reichsflagge. Egal ob Stern-, Herz- oder Kreis-Emojis, die Farbreihe aus Schwarz, Weiß und Rot ist ein häufiges Erkennungszeichen der rechten Szene. "Das ist auch eine Funktion dieser Codes. Sie dienen nicht immer nur dazu, Filter zu umgehen", sagt Lara Franke. "Wenn unter einem Video viele schwarz-rot-weiße Emojis gepostet werden, schafft das ein Gemeinschaftsgefühl – ähnlich wie eine echte Fahne auf Demonstrationen."
Zwei Blitze sollen an die Doppelsigrune erinnern. Sie war das Symbol der SS, der sogenannten Schutzstaffel. Als Leibgarde für Adolf Hitler gegründet, entwickelte sich die SS unter der Führung von Heinrich Himmler zu einem Organ der Verfolgung für Gegner des NS-Regimes und übernahm die Leitung von Konzentrationslagern. Die Doppelsigrune ist nach dem Hakenkreuz wahrscheinlich das Symbol, das am stärksten mit dem Nationalsozialismus assoziiert wird. Ihre Verwendung steht in Deutschland unter Strafe.
Zwei Emojis, die die Hand heben, werden oft genutzt, um virtuell den Hitlergruß zu zeigen. Anders als die "88" werden sie nicht so häufig von Nutzerinnen und Nutzern als nationalsozialistisches Zeichen verstanden. Innerhalb der rechten Szene wird das Zeichen aber als solches verstanden und dient als Erkennungsmerkmal.
Außerdem nutzen Rechtsextreme eine Reihe von Emojis, um Jüdinnen und Juden zu diffamieren – beispielsweise die Bilder von Vampiren. Dahinter steckt das Bild des "Blutsaugers", mit dem Rechtsextreme Menschen jüdischen Glaubens schmähen. Verbunden ist das Bild häufig mit dem Dusch-Emoji. Das soll an die Gaskammern erinnern, in denen Millionen von Jüdinnen und Juden ermordet wurden.