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Rechtsextremer Verdachtsfall: Darum geht es im Streit zwischen AfD und Verfassungsschutz

Rechtsextremer Verdachtsfall

Darum geht es im Streit zwischen AfD und Verfassungsschutz

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    Für die mündliche Berufungsverhandlung im Streit zwischen der AfD und dem Verfassungsschutz hat sich das Gericht gegen den Sitzungssaal und für die große Halle entschieden.
    Für die mündliche Berufungsverhandlung im Streit zwischen der AfD und dem Verfassungsschutz hat sich das Gericht gegen den Sitzungssaal und für die große Halle entschieden. Foto: Guido Kirchner, dpa

    Wenn man sich Reden von AfD-Politikern anhört oder deren Betragen und Wortwahl in sozialen Netzwerken verfolgt, erhärtet sich schnell der Verdacht, dass diese Partei auf ein anderes Land, eine andere Gesellschaft hinarbeitet. Doch wie gefährlich ist die die Demokratie vor deren Umsturzfantasien zu schützen? Mit dieser Frage beschäftigte sich am Dienstag das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen. 

    Im Zentrum des Verfahrens unter dem Titel "Alternative für Deutschland (AfD) gegen die Bundesrepublik Deutschland" steht das Bundesamt für Verfassungsschutz, das die AfD derzeit als "rechtsextremen Verdachtsfall" eingestuft hat. Damit ist es der Behörde erlaubt, die Bundespartei auch mit geheimdienstlichen Mitteln zu durchleuchten, um herauszufinden, wie tief verankert rechtsextremistisches und verfassungsfeindliches Denken in ihren Reihen ist. Die AfD will diese Überwachung nicht hinnehmen, scheiterte in erster Instanz und ging in Berufung, über die nun verhandelt wird. 

    Urteil von Münster hat weitreichende Folgen für die AfD

    Relevant ist das Urteil vor allem deshalb, weil es auch perspektivisch weitreichende Folgen für den Umgang mit der AfD hat. Bekommt der Verfassungsschutz Recht, wird er schon bald die Frage beantworten müssen, ob sich eben jener Verdacht, dass diese Partei eine reale Gefahr für die demokratische Grundordnung darstellt, bestätigt. Falls ja, würde die gesamte AfD als "gesichert rechtsextremistisch" eingestuft werden. Das könnte am Ende auch die Diskussion über ein Verbotsverfahren neu entflammen. Darüber kann allerdings nur das Bundesverfassungsgericht entscheiden – nach einem Antrag von Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung.

    Es steht also eine Menge auf dem Spiel. Dementsprechend gereizt war die Stimmung am Dienstag im und außerhalb des Gerichtssaals in Münster. Das Gebäude wurde von der Polizei weiträumig abgesperrt. In der Stadt kam es zu Protesten gegen die AfD, die hier bei der Bundestagswahl 2021 ihr deutschlandweit schlechtestes Ergebnis kassiert hatte. Das Verfahren findet vor dem dortigen Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen statt, weil das Bundesamt für Verfassungsschutz seinen Sitz in Köln hat. 

    Schon früh war klar, dass der Tag zum juristischen Marathon werden würde. Stundenlang beschäftigten sich die Richter zunächst mit Vorbehalten und Anträgen seitens der AfD, deren Anwalt mit Verweis auf das umfangreiche Aktenmaterial von mehreren Tausend Seiten eine Vertagung forderte. Man habe nicht ausreichend Zeit gehabt, um sich mit den Dokumenten zu beschäftigen, so die Begründung. Der Antrag wurde abgelehnt. Die Verhandlung wird am Mittwochmorgen fortgesetzt. Das teilte das Gericht am Abend mit.

    Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang bezieht Position

    Die AfD-Spitze hatte in den vergangenen Monaten immer wieder des Bundesamt für Verfassungsschutz und dessen Präsidenten Thomas Haldenwang attackiert und unterstellt, die Behörde werde als politisches Instrument benutzt, um eine Oppositionspartei auszubremsen. Hintergrund: Haldenwang bezieht als Chef eines Geheimdienstes, der seine Arbeit eigentlich eher im Verborgenen verrichtet, ungewöhnlich klar Position in der Öffentlichkeit. Anfang des Jahres etwa nannte er als Beleg für die Bedrohung der Demokratie in einem Interview die Gleichgültigkeit vieler Menschen "gegenüber dem Erstarken bestimmter Parteien". Klar, welche Partei hier vor allem gemeint war.

    AfD im Bundestag beschäftigt mehr als 100 Rechtsextreme

    Offiziell bekennt sich die AfD zum demokratischen Staat. Doch ein Bericht des Bayerischen Rundfunks belegt, wie wenig Wert sie im Alltag darauf legt, sich von radikalen Kräften zu distanzieren. Den Recherchen zufolge arbeiten mehr als 100 Personen aus Organisationen, die von Verfassungsschutzämtern als rechtsextremistisch eingeschätzt werden, für die Bundestagsfraktion und AfD-Abgeordnete. Viele von ihnen gehören der Parteijugend Junge Alternative (JA) oder den Landesverbänden Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen an – die alle schon jetzt als "gesichert rechtsextremistisch" eingestuft sind.

    Aufgabe des Verfassungsschutzes ist es, Informationen zu sammeln und auszuwerten, die belegen, ob eine Organisation sich aktiv gegen die freiheitliche, demokratische Grundordnung richtet – oder eben nicht. Zu den möglichen Instrumenten zählen neben der Observation das Mitlesen von Chats oder das Abhören von Telefongesprächen. Auch das Einschleusen von V-Leuten ins Innere der AfD wäre rechtlich abgedeckt. Damit hat der Verfassungsschutz im Zuge des gescheiterten Verbotsverfahrens gegen die NPD allerdings ein Desaster erlebt. In der Partei waren zeitweise so viele staatliche Informanten aktiv, dass es für das Bundesverfassungsgericht später nahezu unmöglich wurde, das Gebaren der

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