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Rechter US-Journalist Tucker Carlson bietet Putin eine Bühne

Krieg gegen die Ukraine

Eine Bühne für Putin: Ultra-rechter US-Journalist interviewt russischen Präsidenten

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    Tucker Carlson, rechter US-Talkmaster, führte ein Interview mit Wladimir Putin, Präsident von Russland.  Kritische Fragen stellte er nicht.
    Tucker Carlson, rechter US-Talkmaster, führte ein Interview mit Wladimir Putin, Präsident von Russland. Kritische Fragen stellte er nicht. Foto: Gavriil Grigorov/Pool Sputnik Kremlin, dpa

    Wenn Wladimir Putin sein Weltbild ausbreitet, dann nimmt er den ganz großen Bogen. Zurück ins 9. Jahrhundert, über die Dynastie der Rurikiden bis zu Katarina II. Langatmig führt er durch die Geschichte seines Landes und die der Ukraine. Wie ein großer Bogen soll alles erscheinen, Politik als logische Folge, quasi unausweichlich sein Einmarsch im Nachbarland im Februar 2022. Das Geschichtsbuch wird zu seinem Grundbuch. Wohin, wenn nicht zu Russland, sollen zumindest Teile der Ukraine gehören?

    Fast eine halbe Stunde lang referiert der russische Präsident, lässt sich historische Dokumente bringen. Seine Miene ist mal spöttisch, mal ernst. Putin weiß, dass er in diesem Spiel der stärkere ist. Fast zwei Stunden dauert das Interview, das er einem amerikanischen Journalisten gibt. Gebannt sitzt dieser ihm gegenüber. Die Stirn konzentriert in Falten gelegt, das Haar gescheitelt. Hinter ihm sind goldene Zierleisten und allerlei wertvolle Antiquitäten zu sehen. Zwischen Tucker Carlson und Putin steht ein kleiner Beistelltisch, weiß und golden – nicht das lange Ungetüm, an dem andere Besucher aus dem Westen Platz nehmen mussten.

    Tucker Carlson verbreitet immer wieder Falschmeldungen

    Carlson ist nicht irgendein Reporter. Der 54-Jährige arbeitete viele Jahre (bis er selbst dort gefeuert wurde) für den Sender Fox News, der bekannt ist für seine Nähe zu Donald Trump. Anders als in Europa bemühen sich viele amerikanische Medien in politischen Fragen ohnehin kaum um Neutralität, sondern ergreifen aktiv Partei für eine politische Seite. Tucker Carlson eilt ein Ruf voraus, gezielt Falschmeldungen und Verschwörungsideologien zu verbreiten. Ein Scharfmacher. Dass ausgerechnet er in den Kreml eingeladen wurde, ist also alles andere als Zufall. Und so bekommt Putin das, was er sich von diesem Gespräch erwartet: Eine Bühne. 

    Nur selten unterbricht der ultra-rechte Carlson seinen Interviewpartner, noch seltener widerspricht er ihm. Seinem Millionenpublikum liefert er eine Inszenierung. Für ihn selbst ist es ein Coup, der weltweit für Aufmerksamkeit sorgt. Carlsons einziger Wermutstropfen: Er muss ihn auf seinem eigenen Portal „Tucker Carlson Network“ streamen, kein großer Sender übertrug das Interview. 

    Putin gibt dem Westen die Schuld am Krieg in der Ukraine

    Putins wichtigste Botschaft ist so alt wie widerlegt: Der Westen sei schuld. Und das eigentlich immer. Er habe Russland mit der Nato in Bedrängnis gebracht und sei auch heute zu keinerlei Gesprächen über einen Frieden bereit. Der Deutsche Egon Bahr habe ihm persönlich versichert, dass sich die Nato nicht in Richtung Osten ausbreiten werde, erzählt der Präsident seinem Gegenüber. Tatsächlich lehnte Bahr die Osterweiterung zeit seines Lebens ab. Nur: Zusichern konnte der SPD-Politiker und einfache Minister Russland nichts, die Nato wurde nicht zum offiziellen Gegenstand der Verhandlungen über die deutsche Einheit. Bahr war damals als Sozialdemokrat gar nicht involviert. Carlson lässt das Narrativ dennoch stehen. Man habe Russland nie die freundschaftliche Hand entgegengestreckt – und so sei es auch, behauptet Putin. „Das ist keine Bitterkeit, das ist einfach eine Tatsache“, sagt er. 

    Russland habe sich auch für sich weiterentwickeln können, sei den USA und anderen Ländern weit überlegen in militärischen Fragen. Die Ukraine hingegen sei vom Westen quasi gekapert worden. Dass er über die Wagner-Truppen schon vor Jahren den Osten der Ukraine destabilisiert hat – kein Wort. Dass er die Krim völkerrechtswidrig annektiert hat – kein Wort. Die Schuld liege bei den anderen. Neonazis hätten den Krieg begonnen. Die Ukraine wird in Putins Denken zum bloßen Spielball zwischen Ost und West. Die Eigenständigkeit des Landes erkennt er nicht an, die USA habe mithilfe der CIA Wahlen manipuliert, um das Land von Moskau zu entfernen. Man habe die Menschen schützen müssen. Dass seither Tausende von ihnen gestorben sind unter russischem Raketenhagel, kommt in der zynischen Rechnung nicht vor. Immer wieder sei die Geduld des Kremls strapaziert worden.

    Zu welchen Kompromissen ist Wladimir Putin bereit?

    Doch an Kompromissen ist Putin nicht gelegen, das macht er deutlich, als das Gespräch endlich auf einen möglichen Frieden in der Ukraine zu sprechen kommt. Russland ist nicht bereit, auf die besetzten Gebiete (es ist ein Fünftel des ukrainischen Staatsgebietes) zu verzichten. Und Russland habe auch sein Ziel, die Entnazifizierung der Ukraine noch nicht vollendet. Der Westen müsse erkennen, dass der Konflikt für ihn militärisch nicht zu gewinnen sei. „Früher oder später wird das in einer Einigung enden“, sagte Putin. „Wenn diese Erkenntnis eingesetzt hat, müssen sie darüber nachdenken, was als Nächstes zu tun ist.“ Wenn der Westen wolle, dass der Krieg zu Ende gehe, müsse er nur damit aufhören, der Ukraine Waffen zu liefern. Es sei ganz einfach. Tucker Carlson nickt. Welche Kompromisse Putin machen würde, fragt er nicht. 

    Wie aber ist es zu deuten, wenn dieser Putin auf die Frage, ob er Polen überfallen würde, antwortet: „Nur in einem Fall: wenn Polen Russland angreift.“ Er habe gar kein Interesse an Polen, Lettland oder anderen Ländern. „Warum sollten wir das tun?“ Zumindest die Polen wollen sich nicht darauf verlassen: Das polnische Militär bereite sich auf verschiedene Situationen vor, sagte der Verteidigungsminister und Vizeministerpräsident Wladyslaw Kosiniak-Kamysz nach Ausstrahlung des Interviews. „Nichts kann unsere Wachsamkeit einschränken, und solche Worte werden dies sicherlich nicht tun, denn sie sind nicht glaubwürdig.“ 

    Der Kreml jubelt über das Interview

    Sogar für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj hat Putin noch einen Rat parat: Dessen Vater habe gegen die Faschisten gekämpft im Zweiten Weltkrieg. „Warum unterstützt er heute in der Ukraine die Nazis?“ Er solle doch endlich in Verhandlungen eintreten, wenn er sich als Präsident ansehe. 

    Zwei Jahre lang hat der russische Präsident nicht mit westlichen Medien gesprochen. Doch dass er mit dem Interview indirekte Wahlkampfhilfe für Donald Trump leisten könnte, dürfte ein Teil seines Kalküls gewesen sein. Erst in dieser Woche hatten die Republikaner im US-Senat weitere Finanzhilfen für die Ukraine blockiert – auf Druck von Trump. Zu diesem habe er eine „persönliche Beziehung“, sagte Putin im Interview. 

    Russische staatliche und kremlnahe Medien feierten das Interview als Erfolg. „Sollen wir es hier beenden, oder gibt es noch was?", fragt Putin schließlich nach 127 Minuten. „Nein, ich denke, das ist großartig“, antwortet Carlson.

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