Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Reaktion auf Ukraine-Krieg: Ukraine-Krieg: So sortiert sich Deutschland neu

Reaktion auf Ukraine-Krieg

Ukraine-Krieg: So sortiert sich Deutschland neu

    • |
    Bundeskanzler Olaf Scholz während der Sondersitzung des Bundestags zum Krieg in der Ukraine.
    Bundeskanzler Olaf Scholz während der Sondersitzung des Bundestags zum Krieg in der Ukraine. Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa

    In seiner Regierungserklärung zum Krieg in der Ukraine hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eine weitreichende Kursänderung in der deutschen Außenpolitik angekündigt. Die Regierung werde die Ausgaben für die Bundeswehr massiv steigern und Deutschland unabhängiger von russischen Energie-Einfuhren machen. Dazu sollen zwei neue Anlegestellen für Schiffe mit Flüssiggas entstehen. Die Union will die Regierungskoalition bei den Maßnahmen unterstützen.

    Scholz: "Zeitenwende in der Geschichte unseres Kontinents"

    Zum ersten Mal in seiner Geschichte war der Bundestag an einem Sonntag zu einer Sondersitzung zusammengekommen, um über die Folgen des russischen Einmarsches in die Ukraine zu beraten. Auf der Tribüne saß der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk, minutenlang klatschten ihm die Abgeordneten Beifall. Zum Auftakt einer emotionalen Debatte nannte Kanzler Scholz die Attacke eine "Zeitenwende in der Geschichte unseres Kontinents".

    Menschen suchen Schutz in einem Keller eines Gebäudes, während die Sirenen neue Angriffe ankündigen. Russland hat am Donnerstag einen umfassenden Angriff auf die Ukraine gestartet und Städte und Stützpunkte mit Luftangriffen oder Granaten beschossen.
    Icon Galerie
    35 Bilder
    Am Donnerstag hat Russland die Ukraine angegriffen. Menschen sind auf der Flucht und verlassen die Städte. Unsere Bilder zeigen Szenen des Kriegs.

    Russlands Präsident Wladimir Putin habe "kaltblütig einen Angriffskrieg vom Zaun gebrochen", so Scholz weiter, der "menschenverachtend, völkerrechtswidrig und durch nichts zur rechtfertigen" sei. Die Welt danach sei nicht mehr die Welt davor. Der Westen müsse nun die Kraft aufbringen, "Kriegstreibern wie Putin Grenzen aufzuzeigen". Dies setze eigene Stärke voraus. Fünf Handlungsaufträge leitet der Bundeskanzler aus den Kampfhandlungen im Osten Europas ab. Es gelte zunächst, die Ukraine zu unterstützen, deshalb habe sich Deutschland nun doch entschieden, Waffen zur Verteidigung des Landes zu liefern.

    1000 Panzerabwehrwaffen und 500 Boden-Luft-Raketen für die Ukraine

    Am Wochenende hatte die Bundesregierung angekündigt, 1000 Panzerabwehrwaffen und 500 Boden-Luft-Raketen an die ukrainische Armee zu liefern. "Auf Putins Aggression konnte es keine andere Antwort geben", sagte Scholz. Es gelte zudem, Putin von seinem Kriegskurs abzubringen, deshalb habe Deutschland zusammen mit seinen internationalen Partnern ein "Sanktionspaket von bisher ungekanntem Ausmaß beschlossen". Dabei hatte Deutschland seine anfängliche Zurückhaltung aufgegeben und einem Ausschluss Russlands aus dem internationalen Zahlungssystem Swift zugestimmt.

    "Machen wir uns nichts vor. Putin wird seinen Kurs nicht über Nacht ändern. Aber die Sanktionen werden ihre Wirkung zeigen", sagte Scholz, der ankündigte, "ohne Denkverbote" über weitere Sanktionen zu beraten. Diese sollten den Präsidenten treffen, nicht das russische Volk. "Dieser Krieg ist Putins Krieg", sagte Scholz. Als der Bundeskanzler den Russinnen und Russen dankte, die gegen den Krieg demonstrieren, dabei Verhaftung und Bestrafung riskieren, erhoben sich weite Teile des Parlaments zu stehenden Ovationen.

    Sondervermögen für die Bundeswehr

    Deutschland, so Scholz weiter, werde alles tun, um zu verhindern, dass der Krieg auf andere Länder übergreift: "Wir stehen ohne Wenn und Aber zu unserer Beistandspflicht in der Nato." Niemand solle die Entschlossenheit unterschätzen, "jeden Quadratmeter" des Bündnisgebiets zu verteidigen. Der Bundeskanzler: "Was für die Sicherung des Friedens in Europa getan werden muss, wird getan." Die Bundeswehr brauche dafür neue, starke Kapazitäten. "Putin will ein russisches Imperium errichten und schreckt dabei nicht vor militärischer Gewalt zurück", sagte der SPD-Politiker, Deutschland müsse deutlich mehr investieren in die Sicherheit, es bedürfe einer großen nationalen Kraftanstrengung.

    Die Regierung werde ein "Sondervermögen Bundeswehr" in Höhe von 100 Milliarden Euro einrichten. Pro Jahr werde Deutschland künftig mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung investieren. Zudem müsse die Bundesrepublik mehr tun, um die sichere Energieversorgung zu gewährleisten. Mit Blick auf die gewaltigen Importe von Öl und Gas aus Russland sagte er, es gelte, "die Abhängigkeit von einzelnen Energielieferanten abzubauen". Dazu werde der Ausbau erneuerbarer Energieträger beschleunigt und die Kohle- und Gasreserve aufgestockt. Zusammen mit der Europäischen Union solle zusätzliches Erdgas auf den Weltmärkten beschafft werden. Scholz kündigte an, in Brunsbüttel und Wilhelmshaven zwei Terminals für Flüssigerdgas zu bauen. Dort könne später auch grüner Wasserstoff ankommen.

    Applaus für Scholz auch aus der Union

    "Die Zeitenwende trifft nicht nur unser Land, sie trifft ganz Europa", sagte Scholz. Es gelte nun, Geschlossenheit zu wahren. In Anlehnung an einen Satz von John F. Kennedy forderte der SPD-Politiker, jeder EU-Staat müsse nicht bloß fragen, was man für das eigene Land in Brüssel herausholen kann, sondern fragen, was das Beste für die Union ist. In der Außenpolitik werde für Deutschland gelten: "So viel Diplomatie wie möglich, ohne naiv zu sein. Aber nicht reden um des redens willen." Man werde sich Gesprächen mit Russland nicht verweigern und "nicht ruhen, bis der Frieden in Europa gesichert ist". Nach 29 Minuten beendete Scholz seine Rede, wieder gab es stehenden Applaus , auch aus der Union.

    Deren Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) kündigte Unterstützung für den angekündigten Kurs an. Er begrüßte, dass Scholz eine klare Auffassung zu diesem Krieg und seinem einzigen Verantwortlichen Wladimir Putin geäußert habe: "Aus diesem lupenreinen Demokraten, der er nie war, ist nun ein Kriegsverbrecher geworden." Nun zähle Durchhaltevermögen: "Die Sanktionen werden Wirkung entfalten - auch bei uns."

    AfD gibt Westen Mitschuld an Russlands Aggression

    Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) kündigte weitere Sanktionen an und verteidigte die Waffenlieferungen. Die Ukraine dürfe nun nicht dem Aggressor überlassen werden.

    Alice Weidel, Fraktionschefin der AfD, nannte es einen "Fehler, die Ukraine mit den Versprechungen der Mitgliedschaft in EU und Nato" gelockt zu haben, womit sie dem Westen eine Mitschuld für die russische Aggression gab. Dennoch müsse sich Deutschland unabhängiger von russischem Gas machen, dazu bedürfe es des Wiedereinstiegs in die friedliche Nutzung der Kernenergie.

    CSU

    : Krieg und Gewalt dürften "nicht das letzte Wort der Geschichte sein"

    FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner sagte, Deutschland werde eine langen Atem brauchen, die Sanktionen gegen Russland seien auf einen längeren Zeitraum angelegt. Er verteidigte die geplanten Mehrausgaben für die Bundeswehr und forderte einen schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien. "Sie lösen uns von Abhängigkeiten, sie sind Freiheitsenergien", sagte er.

    Auch Amira Mohammed Ali, Co-Vorsitzende der Linksfraktion, verurteilte Russlands Aggression. "Dieser Angriff ist durch nichts zu rechtfertigen. Wir haben die Absichten der russischen Regierung falsch eingeschätzt", räumte sie ein. Zusätzliche Militärausgaben werde die Linke aber nicht mittragen: "Wettrüsten schafft keine Sicherheit."

    Dagegen forderte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt "mehr Ausrüstung, mehr Militärtechnik und vor allem mehr Wertschätzung gegenüber unseren Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr". Krieg und Gewalt dürften "nicht das letzte Wort der Geschichte sein".

    Alle Informationen zur Eskalation erfahren Sie jederzeit in unserem Live-Blog zum Ukraine-Konflikt.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden