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Razzia: Wie weit geht die "Letzte Generation" in ihrem Kampf für den Klimaschutz?

Razzia

Wie weit geht die "Letzte Generation" in ihrem Kampf für den Klimaschutz?

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    Polizeibeamte tragen in Berlin nach einer Durchsuchung einer Wohnung der Gruppe Letzter Generation Kartons zu einem Einsatzwagen.
    Polizeibeamte tragen in Berlin nach einer Durchsuchung einer Wohnung der Gruppe Letzter Generation Kartons zu einem Einsatzwagen. Foto: Paul Zinken, dpa

    Straßenblockaden von Klimaklebern nerven bundesweit Millionen Autofahrer. Über beschädigte Kunstwerke von Weltrang runzeln nicht nur Kulturbeflissene die Stirn. Die Aktivisten der "Letzten Generation" stoßen mit ihren öffentlichkeitswirksamen Aktionen auf viel Ärger und Unverständnis. Doch sind die Mitglieder der Gruppierung bereit, in ihrem Kampf für den Klimaschutz noch weiter zu gehen?

    Die bayerische Justiz hat die "Letzte Generation" in einer aufsehenerregenden Razzia am Mittwochmorgen ins Visier genommen. Die Generalstaatsanwaltschaft München ermittelt wegen der Bildung und Unterstützung einer kriminellen Vereinigung gegen sieben Aktivisten, darunter die bekannte Sprecherin Carla Hinrichs und der Augsburger Mathematiker Ingo Blechschmidt. Zwei Hauptvorwürfe führen zu dem Verdacht der Ermittler.

    Die "Letzte Generation" finanziert sich fast ausschließlich durch Spenden

    Der erste Punkt ist eigentlich öffentlich bekannt: Die "Letzte Generation" finanziert sich praktisch ausschließlich über Spenden. Dieses Geld wird zu einem großen Teil über die Homepage der Gruppe gesammelt. Mehr als 1,4 Millionen sollen so zusammengekommen sein. Nach Lesart der Generalstaatsanwaltschaft wird dieses Geld vor allem zur Finanzierung weiterer Straftaten genutzt beziehungsweise um die Folgen dieser Straftaten wie Anwaltskosten, Geldbußen und Schadenersatzforderungen auszugleichen.

    Die Mitbegründerin und Sprecherin der "Letzten Generation", Carla Hinrichs, und der Augsburger Aktivist Ingo Blechschmidt betreiben und verantworten nach den Erkenntnissen der Ermittler die Homepage der Gruppierung. Sie können damit als Hauptbeschuldigte gelten. Beiden wird die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen.

    Zwei Mitglieder der "Letzten Generation" sollen versucht haben, eine Öl-Pipeline zu sabotieren

    Ganz neu ist, dass zwei Mitgliedern der "Letzten Generation" ein versuchter Sabotageakt an der Öl-Pipeline Triest–Ingolstadt vorgeworfen wird. Das wird von den Ermittlern als geplanter Angriff auf die kritische Infrastruktur in Bayern gewertet. Ganz so dramatisch klingt es im Durchsuchungsbeschluss zu der Razzia, der unserer Redaktion vorliegt, nicht. Demnach sollen zwei Männer am 27. April 2022 im Rahmen einer bundesweiten Aktionswelle versucht haben, die wichtige Pipeline zeitweise lahmzulegen. Sie durchschnitten an einer Schiebestation bei Moosburg (Landkreis Freising) laut den Ermittlern einen massiven Sicherungszaun samt Stacheldraht und brachen das Schloss zu der Station auf. Zuvor hatten die beiden Medienvertreter informiert. 

    Mit ihrem Plan, die Pipeline lahmzulegen, scheiterten sie aber. Der entsprechende Schieber ist nur mechanisch zu bedienen und bedarf eines großen Kraftaufwands von zwei Personen. Die Aktivisten versuchten daher, durch wahlloses Drücken verschiedener Knöpfe an der Elektronik, den Öldurchfluss zu stoppen. Das gelang nicht. Aus Sicherheitsgründen wurde die Pipeline nach dem Alarm aber dennoch abgeschaltet. Für etwa fünf Stunden floss kein Öl. Diesen versuchten Sabotageakt werten die Ermittler als weiteren Beleg für die zunehmende Kriminalisierung der Gruppe.

    Führungsebene der "Letzten Generation" sei "konspirativ" abgesichert

    Ein besonderes Augenmerk legt die Generalstaatsanwaltschaft auf die Organisation der "Letzten Generation". Laut Durchsuchungsbeschluss verfüge die Vereinigung über eine "straffe Organisationsstruktur", wobei bereits im Konzept angelegt sei, dass die Führungsebene "konspirativ" abgesichert sei. Demnach sollen örtliche Aktivistengruppen selbstständig handeln und bräuchten gar keine Einblicke in die Führungsstruktur zu haben. Der jeweilige Leiter der dezentralen Einheiten – "Bienenkönig" oder "Bienenkönigin" genannt – könne eigenständig planen. Umgekehrt wisse das Führungsteam dann nicht über einzelne Aktionen Bescheid – zu dessen eigenem Schutz. Ingo Blechschmidt dagegen sagt, die "Letzte Generation" agiere transparent - Informationen stünden im Internet, jeder könne an den Treffen teilnehmen. Er selbst mache für die Gruppe lediglich "Telefondienst" - er spreche mit Anruferinnen und Anrufern und leiste Überzeugungsarbeit, oft mehrmals am Tag.

    Insgesamt kommt die Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Einschätzung aber zu einem anderen Fazit: Von der "Letzten Generation" gehe eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit aus. Nach außen gebe sich die Vereinigung zwar gewaltfrei, propagiere aber stetig weitere Eskalation und sei aufgrund ihrer inzwischen "stark professionalisierten Struktur" mit mehreren hundert Aktivisten auch zu dieser raschen Eskalation imstande. Selbst Geldstrafen und Ingewahrsamnahmen hätten Mitglieder der "Letzten Generation" nicht von neuen Straftaten abgehalten. Im Gegenteil: In Teilen der Gruppe sei vielmehr "eine Art Märtyrerhaltung" entstanden.

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