In der beschlossenen „Zukunftsstrategie Forschung und Innovation“ greift die Ampelregierung nach den Sternen: Raumfahrt und Weltraumforschung seien auszubauen. Das habe neben der wissenschaftlichen Komponente eine strategische Bedeutung: „Erheblichen Nachholbedarf haben wir in Europa bei der Verteidigung gegen Bedrohungen aus der Luft und aus dem Weltraum“, konstatierte Kanzler Olaf Scholz.
Damit sich Deutschland wappnen kann und das wirtschaftliche Potenzial der Entwicklung nicht verschläft, bräuchte es einen Weltraumbahnhof, um Satelliten ins All zu schießen. Bislang hatte die Regierung offengelassen, ob sie neben privaten Projekten einen Weltraumbahnhof in Eigenregie betreiben wird. Die Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Unionsbundestagsfraktion legt nun den Schluss nahe, dass sich die Ampel von Startrampen in hoheitlicher Verantwortung verabschiedet hat.
„Die Bundesregierung plant nicht, solche Startplätze selbst zu errichten“, lautet die Antwort auf die Frage nach eigenen Kapazitäten. Auch lägen keine Pläne Dritter oder Förder- bzw. Genehmigungsanträge für solche Anlagen vor. Die unserer Redaktion vorliegende Antwort bezieht sich auf die Verbringung von „Iris2“-Satelliten ins All – hinter dem Kürzel verbirgt sich ein milliardenschweres Satellitenprojekt, mit dem die EU eine schnelle und sichere Internetverbindung aufbauen will. Ziel ist der Schutz der kritischen Infrastrukturen vor Cyberangriffen.
Scholz will den Weltraum „groß denken“
Für den digitalpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Reinhard Brandl, lässt die Antwort den Schluss zu, dass die Ampel einem deutschen Weltraumbahnhof „faktisch eine Absage“ erteilt. „Die Fähigkeit zur Verbringung von Satelliten überlässt sie lieber anderen Staaten“, sagte der CSU-Politiker unserer Redaktion.
„Wenn wir über Digitalisierung sprechen, müssen wir groß denken ‑ und auch den Weltraum einbeziehen, denn Souveränität hängt im Digitalzeitalter von Fähigkeiten im Weltraum ab“, hatte Kanzler Scholz Ende August in seiner Prager Rede an der Karls-Universität erklärt. In Deutschland wird womöglich allein der privatwirtschaftliche Zusammenschluss „German Offshore Spaceport Alliance“ (Gosa) diese Vision umsetzen. Das Konsortium will eine schwimmende Startplattform für kleine Trägerraketen in der Nordsee errichten. Bis 2028 werden viermal mehr Satelliten ins All verbracht als in den vergangenen zehn Jahren, schätzt Gosa und betont gleichzeitig, der Zugang zum All sei für Großkunden „nur dann unabhängig garantiert, wenn auch der Weltraumbahnhof im Hoheitsgebiet liegt.“
Frankreich liegt im All vor Deutschland
Der Abgeordnete Brandl kritisiert, dass der Ehrgeiz der Ampelregierung bei der Eroberung des Weltraums nur begrenzt sei und nennt als Beleg das Beispiel „Iris2“. „Frankreich ist der große Treiber hinter Iris2“, sagte er. Die Ampel schaue dabei nur zu.
Kanzler Scholz hatte in Prag eigene europäische Anstrengungen beim Wettlauf ums Weltall angemahnt. „Das nächste Unternehmen wie SpaceX“ müsse aus Europa kommen, erklärte der SPD-Politiker in Anspielung auf das Unternehmen von Elon Musk, dessen Trägersysteme von vielen Staaten für Satellitenstarts genutzt werden, weil sie keine eigenen Möglichkeiten haben. Die Abhängigkeit von Musk und den USA wird aber offenbar noch eine Zeit lang bestehen bleiben.
Die Regierung arbeitet seit Oktober an einer neuen Raumfahrtstrategie. Der Zeitdruck ist groß. Anfang 1967 wurde der sogenannte Weltraumvertrag von 109 Staaten ratifiziert. Er beinhaltet ein Verbot von Atomwaffen im All, gibt aber keine Antworten auf sicherheitspolitische Herausforderungen und andere Fragen. Derzeit gilt: Wer den Weltraum zuerst erobert, dürfte das Sagen haben.