„Der Weltraum, unendliche Weiten.“ Fans der TV-Serie Raumschiff Enterprise kennen diesen Satz, der eine jede Folge einleitet. In der Realität sieht die Sache anders aus. Die Satellitenkommunikation etwa „ist eine endliche Ressource, denn es steht nur eine begrenzte Anzahl von Umlaufbahnen“ zur Verfügung, schreibt die Europäische Union in einem Arbeitspapier zum „Programm für sichere Konnektivität“. Dahinter verbirgt sich der Plan, bis 2027 ein eigenes Satellitenkommunikationsnetz aufzubauen, das Projekt wird von der EU mit 2,4 Milliarden Euro gefördert. Die Europäer wollen einerseits die Abhängigkeit von amerikanischen Unternehmen wie „Starlink“ reduzieren, das zum Konzernimperium von Elon Musk gehört. Andererseits soll eine krisensichere Kommunikation gewährleistet werden. Länder wie Hessen und Baden-Württemberg haben große Erwartungen. Die Bundesregierung indes verschläft den Anschluss offenbar.
Der CSU-Abgeordnete und Digitalexperte Reinhard Brandl verfolgt das Vorhaben mit dem offiziellen Titel „Infrastruktur für Resilienz, Interkonnektivität und Sicherheit durch Satelliten“ (Iris2) schon lange und ist sich sicher: „Das Iris2-Satelliteninternet wird das nächste große Ding der EU.“ Allerdings ist es für ihn „vollkommen unerklärlich, warum die Ampelregierung die Initiative nach wie vor so stiefmütterlich behandelt“. Brandl fürchtet, dass Deutschland abgehängt wird. „Frankreich nutzt diese Ambitionslosigkeit und macht knallharte Interessenspolitik für seine Industrie, während die Ampel im Tiefschlaf ist.“ Sein Fraktionskollege Thomas Jarzombek kommt zu einem ähnlichen Schluss. „In Frankreich wird eine andere Politik gemacht“, sagt der CDU-Politiker, der vier Jahre lang Koordinator der Bundesregierung für Luft- und Raumfahrt war.
Frankreich beteiligt sich mit mehr Geld und Firmen am Projekt
Hintergrund der pessimistischen Einschätzungen ist eine Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion an die Regierung, deren Antwort unserer Redaktion vorliegt. Daraus geht einerseits hervor, dass der deutsche Etatansatz für die direkte Beteiligung an Iris2 deutlich niedriger ist als der des Nachbarlandes. Von 189 Millionen Euro ist die Rede und selbst diese Summe könnte sich im laufenden Haushaltsverfahren noch verringern. Frankreich hat 300 Millionen Euro auf dem Budgetzettel.
Verantwortlich für Iris2 ist der französische EU-Kommissar Thierry Breton. Auffällig ist die hohe Präsenz französischer Firmen in dem einzigen Konsortium zur Umsetzung des Projekts. Konsortialführer ist demnach Airbus Defence and Space, dessen Raumfahrtsparte teilweise in Frankreich beheimatet ist. Mit dabei sind außerdem das französische Unternehmen Eutelsat, Hispasat aus Spanien, SES mit Sitz in Luxemburg und Thales Alenia Space mit Sitz im französischen Cannes. Das Konsortium wird unter anderem durch die Deutsche Telekom ergänzt, die sich zumindest in der Raumfahrt bisher noch nicht hervortat.
Jarzombek kritisiert vor diesem Hintergrund auch, dass die Regierung sich von Anfang an für mindestens zwei Konsortien eingesetzt habe. „Dass es nun doch keinen Wettbewerb mehr gibt, ist keine gute Situation“, sagte der nordrhein-westfälische CDU-Politiker unserer Redaktion. „Besonders problematisch ist dabei die Situation für die vielen jungen Technologieunternehmen in der deutschen Raumfahrtindustrie: Diese müssen sich nun beim konsortialführenden Unternehmen bewerben, das nach undurchsichtigen Kriterien entscheiden kann, welche Start-ups hier mitmachen dürfen und welche nicht.“
Das Iris2-Satellitennetz wäre bei Vorfällen wie der Ahrtal-Katastrophe von Vorteil
Jarzombek war zu GroKo-Zeiten Startup-Beauftragter des Bundeswirtschaftsministeriums und meint: „Dass sich die Regierung auch nicht einmal dafür einsetzt, dass die deutschen Start-ups für Trägerraketen hier Aufträge bekommen, ist unverständlich.“
Wie wichtig das Projekt Iris 2 ist, machte die hessische Digitalministerin Kristina Sinemus am Beispiel der Flutkatastrophe im Ahrtal deutlich. Wenn für längere Zeit der Strom ausfalle, sei eine krisensichere Kommunikation von Behörden und Sicherheitsorganisationen nur noch per Satellit möglich, sagte sie dem Behördenspiegel. Der Beauftragte für Informationstechnologie in Baden-Württemberg, Stefan Krebs, lenkte in der Zeitung den Blick auf das Thema Breitbandtechnologie. Natürlich sei, erklärte er, terrestrische Glasfaser die erste Wahl. Doch Satellitenkommunikation solle „in den am stärksten unterversorgten Gebieten eine schnelle und praktikable Übergangslösung schaffen“. Ziel sei es, dass die Menschen im Land überall die gleichen Chancen auf gigabitfähige Netze hätten.