Es ist ein Heimspiel nach 24 Stunden in feindlicher Umgebung, und es wäre eine gute Gelegenheit, sich nach einem beispiellosen juristischen Showdown als Sieger zu präsentieren. Donald Trump ist unmittelbar nach seiner Anklage in New York am Dienstag zurück nach Florida geflogen, wo einige hundert ausgesuchte Gäste im pseudobarocken Ballsaal seines Luxus-Anwesens Mar-a-Lago auf ihr Idol warten.
Eigentlich scheint der Trip nach New York aus Trumps Sicht nicht schlecht gelaufen zu sein: die Medien hatten seit dem Wochenende kein anderes Thema, die ganze Welt scheint sich um ihn zu drehen, sagenhafte zehn Millionen Dollar Spendeneinnahmen sind geflossen, nützliche Bilder für künftige Wahlkampfkampagnen entstanden, und die Anklageschrift von Alvin Bragg, dem Bezirksstaatsanwalt von Manhattan, wirkt so mager, dass die Experten beim linksliberalen Sender CNN ihre Enttäuschung nicht verbergen können.
Ex-Präsident Trump wirkt vor Gericht in New York bitter und getroffen
Aber als Trump um kurz nach 20 Uhr ans Rednerpult tritt, ist er noch bitterer als bei seinen üblichen Auftritten. Ohne Begrüßung und Einleitung listet er gleich auf, wie ihm seit den ersten Mutmaßungen über eine Russland-Connection in zwei Impeachment-Verfahren angeblich Unrecht getan, dann vorgeblich der Wahlsieg gestohlen wurde und nun seine neuerliche Kandidatur von der Justiz sabotiert werden solle. Voller Groll beschreibt sich Trump als Opfer, betont, dass er keinerlei Verbrechen begangen habe und wütet gegen Präsident Joe Biden.
Trumps Gesicht ist aufgedunsen, seine Haare sind zerzaust. So sehr das New Yorker Verfahren dem Politiker an der rechten Basis paradoxerweise zu helfen scheint, so sehr hat es dem Ego des Narzissten zugesetzt. Schon auf den Bildern im Gerichtssaal sah der 76-Jährige angespannt und irgendwie getroffen aus.
Staatsanwalt Bragg habe mit seiner politisch motivierten Attacke Trumps Wahlsieg 2024 gesichert, hatte Stunden zuvor dessen rechtsradikale Leibgardistin Marjorie Taylor Greene triumphierend verkündet. Doch der Ex-Präsident wirkt gar nicht glücklich. Eine „sehr schwarze Wolke“ hänge über dem Land, sagt er zum Abschluss seines mit 25 Minuten ungewöhnlich kurzen Vortrags.
Die widersprüchlichen Signale passen irgendwie zu einem Tag, der mit der ersten Anklage eines Ex-Präsidenten zweifelsohne historisch war, im Grunde aber niemand zufriedenstellen kann: Die Republikaner nicht, weil ihr De-facto-Parteiführer sich nun vor Gericht verteidigen muss. Aber auch die Demokraten nicht, weil der Demokratieverächter Trump nicht etwa wegen der versuchten Manipulation der Wahl oder dem Putschversuch vom Januar 2021 belangt werden soll, sondern wegen Schweigegeld-Zahlungen im Zusammenhang mit Sex-Affären. Entgegen den seit Tagen in linksliberalen Medien geschürten Erwartungen legte Bragg in seiner Anklage auch kein überraschendes, zusätzliches Belastungsmaterial vor.
Anklage: Ein Fahndungsfoto von Donald Trump gibt es nicht
Der Tag hatte vor dem Gericht im Süden Manhattans mit einem kleinen Kräftemessen beider Lager begonnen. Trump-Gegner und Trump-Unterstützer hatten dort zu zwei Demonstrationen aufgerufen, die jedoch beide keinen großen Zulauf hatten. Zeitweise schienen in dem kleinen Park gegenüber des Justizgebäudes mehr Reporter als Protestler unterwegs zu sein. Immerhin waren das Megafon der Trump-Fans so schlecht und die Zwischenrufe der Gegendemonstrationen so laut, dass Marjorie Greene einen desaströsen Auftritt hatte und nach nur zehn Minuten die Szene fluchtartig verließ.
Um 13.20 Uhr rollte dann die Kolonne mehrerer schwarzer SUV mit Trump an. Der Ex-Präsident winkte kurz, bevor er durch einen Seiteneingang zunächst ins Büro des Staatsanwalts im siebten Stock fuhr. Dort wurden ihm Fingerabdrücke abgenommen. Auf den sonst üblichen Mugshot, eine Art Fahndungsfoto, verzichtete die Behörde jedoch.
Nach der vorübergehenden Festnahme ging es vom Büro der Ermittler mit dem Aufzug zum Gericht in der 15. Etage. Entgegen seiner vorherigen Ankündigung gab Trump auf dem dortigen Flur keinerlei Erklärungen ab. Die Anklageverlesung hinter verschlossenen Türen dauerte dann länger als üblich. Was Richter Juan Merchan mit Trump und seinen Anwälten besprach, ist nicht ganz klar. Jedenfalls durfte der prominente Kurzzeit-Häftling das Gericht eine Stunde später wieder verlassen. Die nächste Anhörung wurde erst auf den 4. Dezember festgesetzt.
Der Prozess gegen Trump soll im Januar 2024 starten
Im Januar 2024 soll nach den Vorstellungen von Merchan der Prozess dann losgehen. Das dürften Trumps Anwälte nun mit allen Mitteln zu verhindern oder mindestens noch weiter zu verzögern versuchen. Sie haben schon Eingaben angekündigt.
„Die Anklage hat keinerlei Substanz“, sagte Trumps Anwalt Joe Tacopina: „Wenn dieser Mann nicht Donald Trump hieße, wären wir nicht hier.“ Bei der Befragung durch den Staatsanwalt hatte der Ex-Präsident denn auch auf „nicht schuldig“ plädiert.
Im Kern wirft die Staatsanwaltschaft Trump vor, durch Schweigegeldzahlungen systematisch das Bekanntwerden von Affären unterdrückt zu haben, die ihm politisch schaden könnten. Dabei geht es vor allem um die Porno-Darstellerin Stormy Daniels, die 130.000 Dollar erhielt, aber auch das Ex-Playboy-Modell Karen McDougal, der die Rechte an ihrer Story für 150.000 Dollar abgekauft wurden und einen ehemaligen Portier im Trump Tower, der von einem unehelichen Sohn Trumps berichtete und mit 30.000 Dollar bedacht wurde. Schweigegeldzahlungen sind in den USA nicht illegal. Allerdings soll Trump die Geldflüsse in 34 Fällen falsch verbucht haben. Das wäre ein Vergehen. Zur Straftat wird der Vorgang erst, weil Bragg unterstellt, dass Trump dadurch eine andere Straftat (möglicherweise einen Verstoß gegen bundesstaatliche Kampagnenfinanzierungsgesetze) vertuschen wollte. Das juristisch nachzuweisen, ist nicht einfach.
Es für die Öffentlichkeit überzeugend zu kommunizieren, dürfte noch schwieriger werden – zumal Trump zum frontalen kommunikativen Gegenangriff übergeht. Bei der Anklageeröffnung soll ihn Richter Merchan ausdrücklich ermahnt haben, von aufwiegelnden Äußerungen abzusehen. Am Abend in Florida macht der Ex-Präsident überdeutlich, was er davon hält: Sonderermittler Jack Smith, der wegen des Kapitolputsches ermittelt, nennt er einen „Verrückten“. Die afroamerikanische Staatsanwältin Fani Willis, die in Georgia Trumps Versuch der Stimmenmanipulation untersucht, diffamiert er als „Rassistin“. Und den New Yorker Staatsanwalt Bragg bezeichnet er als „Kriminellen“: „ Er sollte angeklagt werden, nicht ich.“