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Proteste im Iran: Eiszeit zwischen Europa und dem Iran

Proteste im Iran

Eiszeit zwischen Europa und dem Iran

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    Solidaritätskundgebung für die Anti-Regime-Proteste im Iran – wie hier in Berlin – sind Teheran ein Dorn im Auge.
    Solidaritätskundgebung für die Anti-Regime-Proteste im Iran – wie hier in Berlin – sind Teheran ein Dorn im Auge. Foto: Christoph Soeder, dpa

    „Lang und schwierig“ – so beschreibt die französische Außenministerin Catherine Colonna ihr jüngstes Telefonat mit ihrem iranischen Kollegen Hossein Amirabdollahian. Sieben Franzosen sitzen im Iran in Haft, und auch Deutsche, Österreicher, Spanier und Schweden sind festgenommen worden, weil sie die Protestwelle gegen die Islamische Republik angefacht haben sollen. Amirabdollahian droht mit Konsequenzen gegen die europäische Unterstützung für die Demonstranten, doch die EU will neue Sanktionen gegen Teheran beschließen. Zwischen dem

    Nach dem Ausbruch der Proteste, die sich im September am Tod der 22-jährigen Mahsa Amini in der Gewalt der Religionspolizei entzündeten, hatten sich europäische Spitzenpolitiker zunächst mit Kritik zurückgehalten. Doch inzwischen sind mehr als 300 Menschen bei Gewalteinsätzen der Polizei gegen die Demonstranten getötet worden, rund 15.000 sollen festgenommen worden sein. Der von jungen Frauen angeführte Aufstand für mehr Freiheit im Iran stößt in Europa auf viel Sympathie. EU-Regierungen gerieten wegen ihrer vorsichtigen Haltung deshalb innenpolitisch unter Beschuss.

    Bundeskanzler Scholz wirft dem Iran "Menschenverachtung" vor

    Inzwischen verfolgt Europa in Wort und Tat einen härteren Kurs. Bundeskanzler Olaf Scholz warf dem Iran jetzt „Brutalität und Menschenverachtung“ vor und versprach den iranischen Demonstranten seine Unterstützung. „Was sind Sie für eine Regierung, die auf die eigenen Bürgerinnen und Bürger schießt?“, sagte der Kanzler in einer Videobotschaft. Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron empfing die iranisch-amerikanische Aktivistin Masih Alinejad, eine prominente Kritikerin der Islamischen Republik. Macron bezeichnete den Aufstand als „Revolution“.

    Die EU-Außenminister wollen an diesem Montag ein neues Sanktionspaket beschließen und damit nach Medienberichten die Vermögenswerte von 31 iranischen Regimevertretern und Organisationen einfrieren. Zuvor hatte Europa bereits mit Sanktionen auf die Religionspolizei und die Revolutionsgarde gezielt. Deutschland fordert zudem die Einstufung der iranischen Revolutionsgarde als Terrororganisation und hat zusammen mit Island eine Sondersitzung des UN-Menschenrechtsrates zur Lage im Iran beantragt.

    Trotz der immer härteren Gangart der Sicherheitskräfte, die viele Todesopfer fordert und zu massenhaften Verhaftungen führte, gelingt es dem Regime im Iran nicht, die Proteste zu beenden.
    Trotz der immer härteren Gangart der Sicherheitskräfte, die viele Todesopfer fordert und zu massenhaften Verhaftungen führte, gelingt es dem Regime im Iran nicht, die Proteste zu beenden. Foto: Uncredited, AP/dpa

    Der Iran betrachtet das europäische Engagement als Einmischung. Außenminister Amirabdollahian reagiert besonders allergisch auf Stellungnahmen von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, die Teheran „eine beispiellose neue Härte“ im Umgang mit Dissens vorwirft. Amirabdollahian antwortete mit der Androhung von „Konsequenzen“. Der Iran werde angemessen und entschieden reagieren.

    EU-Regierungen befürchten, dass die Festnahme von Europäern zu dieser Reaktion gehören könnte, und rufen ihre Bürger auf, den Iran zu verlassen. Regierungsgegner werfen Teheran vor, inhaftierte Ausländer als Geiseln zu missbrauchen. Frankreichs Außenministerin Colonna sagte nach ihrem Telefonat mit Amirabdollahian, wenn die iranische Regierung die

    Sind jetzt auch iranische Regimegegner im Ausland bedroht?

    Trotz der immer härteren Gangart der Sicherheitskräfte, die viele Todesopfer fordert und zu massenhaften Verhaftungen führte, gelingt es dem Regime im Iran nicht, die Proteste zu beenden.
    Trotz der immer härteren Gangart der Sicherheitskräfte, die viele Todesopfer fordert und zu massenhaften Verhaftungen führte, gelingt es dem Regime im Iran nicht, die Proteste zu beenden. Foto: Uncredited, AP/dpa

    Die iranische Exilopposition sieht zudem Anzeichen dafür, dass der Iran mit Gewalt gegen Regimegegner in Europa vorgehen will. Der in London ansässige Oppositionssender Iran International berichtete von Morddrohungen gegen zwei seiner Journalisten. Die britische Regierung bestellte .

    Schon in der Vergangenheit habe der Iran seine Gegner in Europa verfolgt, sagte der in den USA lebende Iran-Experte Arash Azizi unserer Redaktion. Er verwies auf den Mykonos-Anschlag in Berlin 1992, bei dem der iranische Geheimdienst vier Exilpolitiker ermordete. Damals zog die EU vorübergehend ihre Botschafter aus Teheran ab.

    Bisher hätten Europäer und Iraner die diversen Krisen in ihren Beziehungen stets wieder entschärft, sagt Azizi. Dass diesmal eine schwer zu kontrollierende Eskalationsspirale in Gang kommen werde, sei derzeit zwar unwahrscheinlich – könne aber geschehen, wenn das iranische Regime wegen der Protestwelle ins Wanken geraten sollten.

    Die Beziehungen zwischen Teheran und Moskau erleben eine neue Blüte

    Während die Spannungen zwischen dem Iran und Europa wachsen, erleben die Beziehungen zwischen Teheran und Moskau eine neue Blüte. Amirabdollahian hatte kürzlich die Lieferung iranischer Kampfdrohnen an Russland eingeräumt. Kurz nach dem Besuch eines engen Beraters des russischen Staatschefs Wladimir Putin in Teheran vor wenigen Tagen telefonierte Irans Präsident Ebrahim Raisi am Samstagabend mit dem Kremlchef. Die Politiker vereinbarten engere Kontakte zwischen beiden Ländern.

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