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Pro und Contra: Verdienstorden: Hat Angela Merkel das Großkreuz verdient?

Pro und Contra

Verdienstorden: Hat Angela Merkel das Großkreuz verdient?

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    Angela Merkel war 16 Jahre Bundeskanzlerin und erhielt viele Auszeichnungen. Am Montag kommt eine ganz besondere hinzu.
    Angela Merkel war 16 Jahre Bundeskanzlerin und erhielt viele Auszeichnungen. Am Montag kommt eine ganz besondere hinzu. Foto: Frederic Kern, imago

    Pro: Merkel hat die Auszeichnung verdient

    In einer Demokratie entscheidet das Volk, ob jemand überzeugende Politik gemacht hat. Wer die Erwartungen nicht erfüllt, wird abgewählt oder von den eigenen Leuten verdrängt. Allen Bundeskanzlern ist das so ergangen. Allen, außer Angela Merkel. Die erste Frau an der Spitze der Bundesregierung prägte nicht nur eine Ära und führte Deutschland durch eine ganze Serie schwerer Krisen. Sie ist auch die Erste, die das Kanzleramt aus freien Stücken verlassen hat. Immer wieder wird sie mit den anderen Langzeitkanzlern Konrad Adenauer und Helmut Kohl in eine Reihe gestellt. Die beiden waren bisher die einzigen, denen die höchste Auszeichnung zuteilwurde, die das Land zu vergeben hat. An diesem Montag erhält auch Merkel das Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik. Sie hat es verdient.

    Ohne Zweifel, die CDU-Politikerin hat Themen zu lange liegen lassen oder falsch eingeschätzt. Genau wie Adenauer, wie Kohl und alle anderen Kanzler auch. Und doch ist sie auf ihre Art eine Ausnahmeerscheinung geblieben.

    Nicht nur, weil sie als erste Frau in diesem Amt Geschichte geschrieben hat. Nicht nur, weil ihre Karriere komplett skandalfrei verlaufen ist. Nicht nur, weil sie als Erste die Macht freiwillig wieder hergegeben hat. Sondern eben vor allem, weil sie in völlig unterschiedlichen Krisen nicht alles, aber vieles richtig gemacht hat und Deutschland damit meist besser durch die Stürme gekommen ist als andere Länder. Merkel persönlich, aber damit auch die Deutschen haben in dieser Zeit weltweit großes Ansehen als verlässliche Partner erworben. Und nicht zuletzt zeigt sich eine große Persönlichkeit eben auch in der Fähigkeit, loszulassen.

    Merkel ist ein würdiger Abgang ohne große Eitelkeit gelungen. Anders als die meisten Ex-Spitzenpolitiker widersteht sie der Versuchung, alles besser zu wissen als ihre Nachfolger. Dass sie sich im Rückblick schwer damit tut, eigene Fehler einzugestehen, wirkt wenig souverän. Es sollte aber nicht über ihre Verdienste hinwegtäuschen. (Michael Stifter)

    Contra: Merkel hat die Auszeichnung nicht verdient

    Lassen wir die Kirche im Dorf. Angela Merkel war eine sehr populäre Kanzlerin, aber war sie auch eine gute Kanzlerin? Steht sie tatsächlich in einer Reihe mit Konrad Adenauer und Helmut Kohl? Der hohe Orden, den sie nun verliehen bekommt, suggeriert das zwar. Die Auszeichnung aber kommt nicht nur zur Unzeit, weil es auch Angela Merkels Appeasement gegenüber dem Kreml war, das Deutschland in eine fatale Abhängigkeit von Russland geführt hat. Sie steht auch in keinem Verhältnis zur politischen Lebensleistung der Altkanzlerin.

    Lassen wir die Kirche im Dorf. Angela Merkel hat 16 Jahre lang vergleichsweise geräuschlos regiert, was vielen Menschen gefallen, das Land aber regelrecht sediert hat. Der enorme Investitionsstau, die marode Bundeswehr, die verfallende Infrastruktur und die Milliardenlöcher in den Sozialkassen sind nicht zuletzt Ergebnis einer Politik, die viel verwaltet, aber kaum gestaltet hat. Überspitzt formuliert konnte Deutschland sich diese Politik leisten, weil es der Wirtschaft gut ging. In einer Situation wie zu Beginn der Schröder-Jahre mit fünf Millionen Arbeitslosen hätte man eine wie Merkel nicht gerne als Kanzlerin gehabt.

    Lassen wir die Kirche im Dorf. In der Finanzkrise haben die Regierungschefin und ihr Finanzminister Peer Steinbrück klug agiert und Deutschland großen Schaden erspart, ihre Politik der offenen (Asyl-)Tür aber drohte das Land zu zerreißen, durch die Pandemie ist Deutschland nicht besser gekommen als andere Länder, und im globalen Wettbewerb hat die deutsche Wirtschaft in den vergangenen Jahren gewaltig an Boden verloren. Alles in allem waren die Merkel-Jahre damit nicht schlechter als die unter anderen Kanzlern, aber eben auch nicht besser.

    Lassen wir die Kirche im Dorf. Adenauer hat Deutschland nach dem Krieg tief im Westen verankert, Kohl den Euro mit geschaffen und Deutschland wiedervereint. Das sind historische Leistungen, die ihresgleichen suchen. In dieser Liga spielt Angela Merkel nicht. (Rudi Wais)

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