Pro: Eine wehrhafte Demokratie muss sich wehren
Das Geheimtreffen von AfD-Leuten mit Neonazis, das in dieser Woche publik wurde, eröffnet einen Blick in den Abgrund. Da wurde ein Masterplan diskutiert, wie man Menschen mit ausländischen Wurzeln oder auch Deutsche, die sich für Migranten einsetzen, aus Deutschland vertreiben will, wenn die AfD an die Macht kommt. Und nein, da saßen nicht nur radikale Mitläufer, sondern auch der persönliche Referent der AfD-Vorsitzenden Alice Weidel. In Sachsen drohte der Chef der AfD jüngst politischen Gegnern für den Fall eines Sieges bei der Landtagswahl im September unverhohlen: „Dann richtet das Volk und dann Gnade euch Gott!“
Es soll kein AfD-Wähler mehr so tun, als wüsste er nicht, wem er da seine Stimme gibt. Die AfD verachtet unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung. Das alleine reicht nicht für ein Verbot. Die Hürden liegen zu Recht hoch. Doch der Verfassungsschutz hat schon drei Landesverbände als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Das lässt erahnen, wie radikal sich das Land verändern kann, würde die AfD tatsächlich regieren. Und nie war sie der Macht so nahe.
Freiheit stirbt scheibchenweise und so muss man die AfD danach bewerten, was sie tun würde, wenn sie könnte. Hat sie erst entscheidende Posten besetzt, ist sie in der Lage, Fakten zu schaffen. Selbst die Mehrheit ihrer eigenen Wähler und Sympahisanten will keine rechtsextremistische oder völkisch-nationale Politik. Doch viele unterschätzen noch immer, wie gefährlich so ein Experiment werden kann.
Ja, es ist eine Bankrotterklärung, dass ein Verbot überhaupt diskutiert werden muss. Aber das darf doch kein Argument sein, zuzuschauen, wie die AfD unsere Demokratie auszuhöhlen versucht.
Das muss zuallererst politisch verhindert werden – aber notfalls eben auch mit der ganzen Kraft des Rechtsstaates. Eine wehrhafte Demokratie muss sich wehren, wenn es darauf ankommt. (Michael Stifter)
Contra: Die Frust-Wähler zurückzugewinnen nutzt der Demokratie mehr als ein Verbot
Bleiben wir auf dem Teppich. Die AfD wird nach allem, was man bisher erahnen kann, in diesem Jahr bei der Europawahl und den Landtagswahlen im Osten zwar fulminante Wahlergebnisse einfahren. Die staatszersetzende Kraft, die ihr die Befürworter eines Parteienverbotes unterstellen, hat sie allerdings nicht. Umfragewerte von bundesweit 20 Prozent und mehr bedeuten im Umkehrschluss ja auch, dass 80 Prozent der Wähler mit beiden Beinen auf dem Boden unserer freiheitlich-demokratischen Ordnung stehen. Diesen Anteil durch gutes Regieren wieder zu steigern, muss das Ziel der etablierten Parteien sein. Ein Verbot der AfD wäre nur eine Kapitulation vor dem eigenen Unvermögen.
Gegen ein solches Verbot sprechen juristische wie politische Gründe. Rein rechtlich betrachtet liegt die Hürde nach dem NPD-Urteil des Verfassungsgerichtes 2017 hoch. Ein Parteienverbot ist die schärfste Waffe des Rechtsstaates gegen seine organisierten Feinde und damit stets die Ultima Ratio. Es reicht danach nicht, dass eine Partei verfassungsfeindliche Ziele verfolgt – es muss auch plausibel sein, dass sie diese erreichen kann. Auf keinen Fall darf ein solches Verbot missbraucht werden, um unliebsame politische Konkurrenz auszuschalten. Dazu kommt ein nicht minder wichtiges politisches Argument: Eine Partei kann man verbieten, die Motive, aus denen heraus sie gewählt wird, nicht.
Im ungünstigsten Fall würde ein Verbot der AfD sogar zu einer Solidarisierungswelle führen, die ähnlichen oder neu gegründeten Parteien noch größeren Zulauf beschert. Dazu kommt, dass bei Weitem nicht jede Wählerin und jeder Wähler der AfD so rechtsextrem tickt wie ein Björn Höcke. Viele Menschen machen ihr Kreuz aus Frust und Verdruss bei ihr. Sie mit guter Politik zurückzugewinnen nutzt der Demokratie mehr als ein Verbot der AfD. (Rudi Wais)