Pro: Dienstpflicht für alle? Da sind Frauen mitgemeint
Ob Deutschland wirklich wieder eine Wehr- oder Dienstpflicht einführen soll, darüber lässt sich streiten. Letzteres wäre zumindest die moderne Variante, weil sie auch nicht-militärische Bereiche umfassen könnte. Klar ist aber: Wenn die Rede von einer Pflicht für alle ist, sollten Frauen explizit mitgemeint sein. Warum? Wenn man der Ansicht ist, dass ein derartiger Dienst wichtig für den Fortbestand des Landes ist, sollten sich auch wirklich alle beteiligen – jede und jeder.
Wer das für ungerecht hält, weil an Frauen sowieso schon der Großteil der unbezahlten Care-Arbeit kleben bleibt, sie deshalb oftmals beruflich ausgebremst werden und im Alter dann das Geld fehlt: Dass es diese Schieflage im Jahr 2024 immer noch gibt, ist empörend. Sie ist aber kein Grund, neue Ungleichheiten zu schaffen. Keine Ausnahmen für Frauen bei der Bundeswehr, keine Ausnahmen für Männer bei Hausarbeit und Kindererziehung.
Die oftmals angeführte Sorge, Frauen seien den militärischen Herausforderungen körperlich nicht gewachsen, ist angesichts heutiger Anforderungen in der Bundeswehr dagegen lächerlich. Ein Großteil der Männer ist auch nicht fit genug, um eben mal als Gebirgsjäger eingesetzt zu werden. Dafür gibt es in einem modernen Heer genug Aufgaben, die ohne Fitnesslevel erledigt werden können, aber kluge Köpfe brauchen. Stichwort Streitkräfte im Cyber- und Informationsraum, ein Bereich, den Verteidigungsminister Boris Pistorius auf- und ausbauen will, um Deutschland verteidigungsfähig zu machen.
Klar ist in der ganzen Debatte auch, dass zunächst die Ausgestaltung einer neuen Dienstpflicht festgelegt werden müsste. Wie soll die schon bestehende Personallücke geschlossen werden? Welche Anforderungen muss ein Heer erfüllen? Mit den Musterungsfragebögen, die Männer ab 18 Jahren verpflichtend ausfüllen müssen und Frauen obligatorisch beantworten können, wird es jedenfalls nicht getan sein. (Ingrid Fuchs)
Contra: Zeitgemäß – wenn die andere Pflichtenverteilung es auch wäre
Da ist sie also, die neue Wehrpflichtdebatte, an die sich dann die Dienstpflichtdebatte dranhängt und damit auch die immer wiederkehrende Frage: Warum eigentlich nicht für die Frauen? Muss nicht auch da der Staat für Gleichberechtigung sorgen, von allen jungen Menschen ein paar Monate Dienst für die Gemeinschaft einfordern – mit oder ohne Waffe? Alles andere wäre nicht zeitgemäß, oder?
Und damit ist das entscheidende Wort auch schon geschrieben: zeitgemäß, der Zeit entsprechend. Wer über zeitgemäße Forderungen spricht, schaut also auf die Gegenwart – in der Folgendes aber offenbar immer noch zeitgemäß ist: Frauen übernehmen in Deutschland nach wie vor einen Großteil der sogenannten Care-Arbeit, also Kinderbetreuung, Pflege, Haushalt – leisten hier ihren Dienst an der Gesellschaft. Von etwa 117 Milliarden Stunden dieser unbezahlten Arbeit entfallen etwa 72 Milliarden auf Frauen. Elternzeit ist immer noch vor allem Mütterzeit: Männer pausieren beruflich im Durchschnitt 3,6 Monate für die Familie, Frauen 11 Monate mehr. Rein zeitlich gesehen also der angedachte sechsmonatige Grundwehrdienst etwa mal zwei. Und danach? Fast die Hälfte der Frauen arbeitet in Teilzeit, nebenbei will ja noch der andere Dienst gestemmt werden, mit dem Kita-Platz hat es vielleicht auch nicht geklappt, bei den Männern sind es nur knapp 13 Prozent. Kinder, Küche… Karriere? Wird allein schon mit Blick auf diese Zahlen schwieriger, was auch dazu führt: Frauen verdienen weniger, sind im Alter stärker armutsgefährdet…
Natürlich kann man an dieser Stelle müde abwinken, immer die alte Leier, aber dazu nur so viel: Unglaublich ermüdend ist es auch, immer wieder auf die Ungleichheiten hinweisen zu müssen. Und auch darauf, sie leider mitdenken zu müssen. In Schweden und Norwegen ist man zumindest schon ein Stück weiter, die nordischen Länder gelten als Vorreiter bei Geschlechtergerechtigkeit. Dass die Wehrpflicht dort für Frauen und Männer gilt, zeitgemäß oder? (Stefanie Wirsching)