Russland dreht den Gashahn auf. Nachdem Präsident Putin bereits vor rund zwei Wochen angekündigt hatte, der Staatskonzern Gazprom werde seine nur noch zu rund einem Fünftel gefüllten Speicher in Deutschland und Österreich bald wieder füllen, hat der Energieriese nun Tatsachen geschaffen. Der Plan sei vom Unternehmen gebilligt und mit seiner Umsetzung bereits begonnen worden, teilte Gazprom in einer Meldung vom Dienstag mit. An der Börse ist der Gaspreis bereits seit Putins Ankündigung spürbar gefallen.
Das bestätigt auch Gabor Vogel, Rohstoffanalyst der DZ Bank. Er sagte unserer Redaktion: "Aktuell ist der Gaspreis zwar noch immer dreimal so hoch wie zu Jahresbeginn. Doch im Vergleich zum Allzeithoch von Anfang Oktober ist er bereits um rund 35 Prozent zurückgegangen." Dieser Trend dürfte sich mittelfristig fortsetzen, glaubt Vogel. Gazprom habe nun feste Leitungskapazitäten gebucht, der Markt rechne fest mit einer Erfüllung der Zusagen. "Unterm Strich hat Putin kein Interesse an zu hohen Gaspreisen", sagt Vogel. Russland wolle langfristige Lieferverträge schließen. Und wenn der Gaspreis zu hoch sei, würden die erneuerbaren Energien immer interessanter.
Nach dem letzten Winter waren die Speicher leer
Auf dem Gasmarkt gibt es keine Versorgungskrise, sondern eine Preiskrise, betont Vogel. "Auch ohne Nord Stream 2 gibt es genügend Kapazität, um die aktuellen Nachfragespitzen abzufangen." Eine Reihe von Faktoren hätten die aktuelle Preisrallye befeuert: Nach dem kalten Winter waren im Frühjahr die Gasspeicher relativ leer – und zwar nicht nur in Europa, sondern auch in Russland. Gleichzeitig hat der Post-Corona-Boom die Wirtschaft befeuert und die Nachfrage getrieben.
Dann erlebten die erneuerbaren Energien durch ungünstige Witterung einen Einbruch. Mehr Gas war also nötig, um die Stromproduktion aufrechtzuerhalten. Ein Ausweichen auf andere Lieferanten war aber kaum möglich, nicht zuletzt weil die amerikanischen Flüssiggasproduzenten lieber nach Asien exportieren, wo noch deutlich höhere Preise gezahlt werden.
Für Verbraucherinnen und Verbraucher sei dies bitter. Erfahrungsgemäß sollten sie in so einer Hochpreisphase keine Verträge mit zu langer Laufzeit abschließen, rät Vogel. Das sagt auch Edgar Kirk, Sprecher des Vergleichsportals Check24, das mit der Vermittlung von Neuverträgen Geld verdient. 127 von 700 Grundversorgern in Deutschland hätten bereits eine Erhöhung ihrer Preise angekündigt. Doch das Ende der Fahnenstange sieht Kirk noch lange nicht erreicht: "Grundversorger müssen Erhöhungen sechs Wochen im Voraus ankündigen. Das heißt, Unternehmen, die zum 1. Januar ihre Preise erhöhen wollen, haben noch bis Mitte November Zeit, dies anzukündigen."
Experten empfehlen, sich nicht lange zu binden
Kirk empfiehlt in der derzeitigen Lage Verträge mit höchstens zwölf Monaten Laufzeit und, wenn möglich, einer Preisgarantie für diese Zeit. "Danach kann man sich erneut umschauen und eventuell wieder wechseln", so Kirk. Angst, bei Schwierigkeiten mit dem neuen Anbieter plötzlich ohne Gas dazustehen, müsse man nicht haben. Die Grundversorger müssten immer liefern.
Zu diesen gehört in der Region das Unternehmen Erdgas Schwaben. Sprecher Christian Blümm betont, dass durch die langfristig orientierte Preispolitik des Unternehmens die angekündigten und zum Teil schon vollzogenen Preiserhöhungen relativ moderat ausgefallen seien. Da der Verbrauch der Privathaushalte aber stark witterungsabhängig sei, müssten die meisten Versorger einen Teil ihres Bedarfs auch kurzfristig beschaffen. Dies sei der Ursprung der Preiserhöhung. Wenn die Preise auf dem aktuellen Niveau blieben, könne man eine erneute Anpassung nicht ausschließen. Allerdings gebe man Einsparungen auch an die Kunden weiter.
Ein Grad weniger warm spart sechs Prozent Energie
Mit einer großen Welle von Wechslern rechnet Blümm nicht. Andere Versorger erklärten bereits, keine neuen Verträge mehr auszugeben, es kam in der Branche sogar zu Insolvenzen. Insgesamt beobachtet Erdgas Schwaben über die Jahre hinweg einen langsam sinkenden Verbrauch bei den Haushalten. Darin spiegelten sich die Fortschritte bei der energetischen Sanierung des Gebäudebestands, so Blümm.
Dies sei auch der größte Hebel, um Energiekosten zu sparen, denn drei Viertel des Energieverbrauchs der privaten Haushalte gehe auf das Konto von Raumheizung und Warmwasserbereitung. "Eine um ein Grad niedrigere Raumtemperatur spart ungefähr sechs Prozent der Energiekosten", sagt Blümm.
Den sparsamen Umgang mit Energie sieht auch Claudia Kemfert, Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, als geboten an. Dennoch sieht sie auch die Politik gefordert: "Die beste Antwort auf fossile Erdgas-Preissteigerung ist eine beschleunigte Energiewende, mit mehr Energiesparen und erneuerbaren Energien.
Den Menschen muss geholfen werden Energie einzusparen, insbesondere durch die stärkere Förderung der energetischen Gebäudesanierung. Je weniger Erdgas wir verbrauchen, desto geringer die Kosten. Um Menschen mit niedrigen Einkommen zu entlasten, sollten die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung pro Kopf an die Verbraucherinnen und Verbraucher zurückgegeben werden. Dies entlastet vor allen Dingen Niedrig-Einkommensbezieher."