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Ägypten: Ägypten wählt – und hat trotzdem keine Wahl

Ägypten

Ägypten wählt – und hat trotzdem keine Wahl

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    Ägyptens autoritärer Herrscher al-Sisi lässt sich gerne von seinen Anhängern feiern. Kritikern begegnet er mit harter Hand.
    Ägyptens autoritärer Herrscher al-Sisi lässt sich gerne von seinen Anhängern feiern. Kritikern begegnet er mit harter Hand. Foto: Mahmoud Ghany, dpa

    Der Favorit für das Amt des Präsidenten dominiert das Kairoer Stadtbild. Plakate mit seinem Gesicht prangen an Hausfassaden und auf Lieferwagen, an Wänden von Kiosken und auf riesigen Werbetafeln. „Abdel Fattah al-Sisi, Präsident für die Republik“ steht zum Beispiel darauf. Und: „Wir alle mit ihm“. Auf manchen Bannern ist der Staatschef mit Sonnenbrille und in Lederjacke abgebildet: Neben dem neuen ägyptischen Museum, das seit 2020 auf seine Eröffnung wartet. Oder der neuen Hauptstadt, die 50 Kilometer außerhalb von Kairo in der Wüste gebaut wird. 

    Zum dritten Mal stellt sich al-Sisi seit dem Umsturz 2013 zur Wahl. Damals enthob das Militär den ersten frei gewählten Präsidenten Ägyptens, Mohammed Mursi, seines Amtes. Bei den Wahlen 2014 und 2018 bekam al-Sisi jeweils unglaubliche 97 Prozent der Stimmen – das ließ manchen zweifeln. „Kaum jemand interessiert sich für die Wahl“, sagt Dina, 35 Jahre alt und Stadtplanerin aus Kairo. In ihrem Umfeld gehe niemand wählen. „Es ist doch sowieso klar, wer gewinnt.“ 

    Es gibt drei Gegenkandidaten, aber keinen echten

    Neben al-Sisi haben sich drei Chefs im Parlament vertretener regierungsnaher Parteien für die Wahl aufstellen lassen. Alle drei aber seien „keine echten Gegenkandidaten“ und nicht unabhängig, wie ein Politikwissenschaftler aus Kairo sagt, dessen Name zu seinem Schutz nicht genannt werden soll. Sie seien vom Regime gebilligt, hätten eine Rolle zu spielen.

    Dabei sah es noch vor einigen Wochen so aus, als könnte sich womöglich ein wahrer Oppositioneller am Rennen um die Präsidentschaft beteiligen. Schon im Frühjahr hatte Ahmed Tantawi angekündigt, kandidieren zu wollen. Der ehemalige Linken-Abgeordnete hatte während seiner Zeit im Parlament mehrfach offen Haltung gegen die Regierung bezogen – und zuletzt im Libanon gelebt. Im Sommer war er nach Ägypten zurückgekommen, seine Kampagne bekam eine Menge Aufmerksamkeit. 

    Am Ende aber scheiterte seine Kandidatur: Er habe die formell nötigen Nominierungen durch 25.000 Unterstützer nicht erreicht, gab Tantawi Mitte Oktober bekannt. Und machte den Behörden und Sicherheitskräften Vorwürfe. Zahlreiche seiner Anhänger seien teils mit Gewalt daran gehindert worden, ihn zu nominieren. Zugleich seien mehr als 100 seiner Unterstützer festgenommen worden. Ägyptens Wahlbehörde wies die Vorwürfe zurück. 

    Viele Staaten haben sich mit Ägyptens Regime arrangiert

    „Es ist schon im Vorfeld klar geworden, dass das keine freie Wahl ist“, analysiert Stephan Roll, Ägypten-Experte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. „Ich fürchte, aus dem Ausland gibt es aber wenig Kritik daran: Viele Staaten haben sich gut mit dem ägyptischen Regime arrangiert“, sagt Roll. Auch Deutschland habe profitiert, etwa weil Konzerne wie Siemens im Land große Projekte umsetzen können. Zuletzt haben europäische Staaten auch aufgrund des Krieges in Gaza und wegen der Migration aus Nordafrika auf Ägypten gesetzt.

    Dabei hätten sich nach 2013, zu Beginn von al-Sisis Präsidentschaft, viele Menschen am Nil Hoffnungen gemacht, sagt Roll. Er habe viele Versprechungen gemacht, große Infrastrukturprojekte angeschoben und auch der Privatwirtschaft eine gewisse Offenheit signalisiert. „Die Versprechen wurden aber nicht eingelöst, die Lebensbedingungen sind massiv schlechter geworden und die Unterdrückung größer.“

    Heute sind viele Ägypter desillusioniert. „Arme wie reiche Menschen merken, dass es ihnen wirtschaftlich schlechter geht und die Regierung lieber Geld für teure Bauprojekte ausgibt als für normale Menschen“, sagt Dina, die Stadtplanerin. Sie kenne niemanden, der das Regime noch gut fände. Fachleute indes vermuten Unterstützung vor allem unter den Millionen von Menschen, die im riesigen Staats- und Militärapparat arbeiten. 

    Die Unzufriedenheit jedenfalls sei hoch wie lange nicht, sagt Roll, vor allem wegen der Wirtschaftskrise. Innerhalb von zwei Jahren hat die ägyptische Währung massiv an Wert verloren, Importe wurden teuer, die Preise stiegen, während die Einkommen stagnierten. Während al-Sisi und seine Regierung die Entwicklungen auf externe Faktoren wie die Corona-Pandemie oder den Krieg in der Ukraine schieben, sehen viele Beobachter den Grund für die schwierige Finanzlage vor allem in den Megaprojekten der Regierung. 

    „Der Präsident hat Rückhalt innerhalb des Systems, solange er nach der Wahl wirtschaftlich die richtigen Entscheidungen trifft“, meint ein hochrangiger Diplomat. Spitze sich die wirtschaftliche Krise aber weiter zu und dauere der Krieg in Gaza länger an, könnte das durchaus zu Unruhen führen – und zu schwindender Unterstützung im Machtapparat.

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