Als "Pitbull mit Empathie" ist sie in ihrer Heimat bekannt. Dilan Yeşilgöz ist gerade der Star am niederländischen Politikhimmel. Nach Mark Ruttes Rücktritt vom Amt des Ministerpräsidenten gilt sie als aussichtsreichste Anwärterin für dessen Nachfolge. Die in Ankara geborene Yeşilgöz wäre die erste Ministerpräsidentin mit Migrationshintergrund in den Niederlanden, auch die erste Frau.
Die mit acht Jahren aus der Türkei eingewanderte Yeşilgöz wuchs in einem linken Elternhaus auf, auch ihre politische Karriere nahm dort ihren Anfang. Denn bevor sie 2014 in Mark Ruttes rechtsliberale Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) eintrat, war sie Mitglied in zwei sozialdemokratischen und einer Links-Grünen Partei. Nach ihrer politischen Findungsphase ging es für die heute 46-Jährige in der VVD steil bergauf. Zwischen ihrem ersten politischen Posten im Gemeinderat und ihrer Ernennung zur Justizministerin Anfang 2022 liegen nur fünf Jahre.
Dilan Yeşilgöz gilt als Frau der klaren Worte
Yeşilgöz gilt als authentische Politikerin der klaren Worte. Sie betont, nah an den Menschen zu sein. Wenn sie auf einem Beyoncé-Konzert sei, könne man das auf ihren Social-Media-Konten sehen, sagt sie. Das selbst gegebene Image der Bürgernähe unterscheide sie von ihren Vorgängern.
Als erste Justizministerin seit 1814 ohne Jurastudium war das Misstrauen im Land Yeşilgöz gegenüber groß. Die Niederlande stecken seit einigen Jahren in einem Kampf gegen die Organisierte Kriminalität. 2021 wurde ein bekannter Investigativjournalist auf offener Straße von Bandenmitgliedern erschossen. Yeşilgöz wurde wenig später Justizministerin, reiste kurzerhand nach Italien und studierte medienwirksam, wie dort gegen die Mafia vorgegangen wird. In ihrer Heimat kam das an.
Die studierte Kulturmanagerin ist politisch schwer einzuordnen. So sprach sie sich in der Vergangenheit für einen besseren Umgang mit Geflüchteten aus, gleichzeitig bezeichnete sie 2022 "Wokeness" als größte Bedrohung der Demokratie. Verschwörungstheorien, Falschnachrichten und Antisemitismus nannte sie erst danach. In ihrem Amt war sie maßgeblich an den Verhandlungen zur Reform der niederländischen Migrationspolitik zuständig, deren Scheitern jüngst zum Zerbrechen der Koalition führte. Nun wird Yeşilgöz Ruttes Nachfolgerin an der VVD-Spitze. Bei den Neuwahlen im Herbst will sie die erste Ministerpräsidentin ihres Landes werden. Selbstbewusst genug ist sie schon jetzt.