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Porträt: Wie Antony Blinken unermüdlich gegen eine Ausweitung des Gaza-Krieges kämpft

Porträt

Wie Antony Blinken unermüdlich gegen eine Ausweitung des Gaza-Krieges kämpft

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    Das ernste Gesicht von US-Außenminister Antony Blinken ist der Dramatik der Situation in Nahost angepasst. Der 61-Jährige ist unermüdlich unterwegs, um zu verhindern, dass aus dem Gaza-Krieg ein Flächenbrand entsteht.
    Das ernste Gesicht von US-Außenminister Antony Blinken ist der Dramatik der Situation in Nahost angepasst. Der 61-Jährige ist unermüdlich unterwegs, um zu verhindern, dass aus dem Gaza-Krieg ein Flächenbrand entsteht. Foto: Evelyn Hockstein, dpa (Archivbild)

    Man kann auffallen, wenn man eigentlich gar nicht auffallen will. Die Hartnäckigkeit, der ernste Blick, ergänzt durch ein maliziöses Lächeln, mit dem US-Außenminister Antony „Tony“ Blinken ignorante Gesprächspartner auf seine unaufgeregte Art zu kommentieren scheint, ist das Markenzeichen des Spitzendiplomaten. Blinken versucht in diesen Wochen das, woran Generationen von Politikern gescheitert sind: Der 61-Jährige ist mitten im blutigen Krieg um Gaza entschlossen, den Konflikt einzudämmen und tragfähige Grundlagen für eine Friedensordnung in Nahost zu schaffen.

    Aus der Vogelperspektive betrachtet, würden die Linien der Reisetätigkeit Blinkens den Schnittmustern einer Zeitschrift für Handarbeiten ähneln. Kairo, Ramallah, die Türkei, die Golfstaaten und immer wieder Israel. Zum vierten Mal hat der Minister jetzt die Krisenregion besucht. 

    US-Außenminister Antony Blinken spricht mit fast allen Akteuren

    Er ist sich nicht zu schade, auch den greisen Palästinenserführer Mahmud Abbas, personifizierte Machtlosigkeit in dieser festgefahrenen Gemengelage, in Ramallah zu treffen. Natürlich weiß Blinken, dass Abbas nicht zu den Figuren gehört, die die Fäden in der Hand haben, aber er weiß auch, dass er den Palästinensern signalisieren muss, dass Washington deren Interessen keineswegs aus den Augen verloren hat.

    So beteuert der US-Diplomat, dass die „Schaffung eines palästinensischen Staates“ Ziel der USA bleibt. Er lässt sich nicht davon beeindrucken, dass seine israelischen Gesprächspartner beim Thema Zwei-Staaten-Lösung regelmäßig auf Durchzug schalten. Blinken ist überzeugt, dass am Ende nur ein palästinensischer Staat an der Seite Israels Sicherheit in der Region organisieren kann. Ein Szenario allerdings, das nach dem Massaker von Hamas-Terroristen und weiteren palästinensischen Gruppen vom 7. Oktober unwirklich erscheint. Blinken jedoch denkt gerade angesichts des Knäuels widerstreitender Interessen in großen Zusammenhängen.

    Für Netanjahu ist Blinken kein einfacher Gesprächspartner

    Auch wenn er – was ungewöhnlich ist – mehrfach an Sitzungen des israelischen Kriegskabinetts teilnahm, ist er für den israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu alles andere als ein einfacher Gesprächspartner. Das liegt nicht nur an Blinkens Forderungen nach einem Palästinenserstaat. Der US-Amerikaner pocht auch darauf, dass die israelischen Streitkräfte ihre Attacken so anlegen, dass weniger Zivilisten, vor allem weniger Kinder, sterben. Laut Zahlen der palästinensischen Verwaltung in Gaza sind bereits bis zu 24.000 Menschen ums Leben gekommen, darunter mehr als 4000 Kinder. 

    Zudem hat Blinken Israel aufgefordert, Steuergelder freizugeben, die israelische Behörden im Auftrag der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) eingesammelt haben. Andererseits verhandelt er unermüdlich, um die Freilassung weiterer Geiseln aus der Gewalt der Hamas mithilfe einer Waffenruhe zu erreichen. 

    Blinkens Ablehnung der Gedankenspiele der rechtsextremen israelischen Minister Itamar Ben-Gvir und Bezalel Smotrich fiel scharf aus. Letzterer hatte gefordert, die rund 2,2 Millionen palästinensischen Bewohner Gazas „zur Migration zu ermuntern“. Nach der erzwungenen Umsiedelung sollen dann, wie vor 2005, Israelis dort leben.

    Als Mitarbeiter Clintons und Obamas hat Blinken gelernt, außenpolitische Strategien zu entwickeln

    In seiner Tätigkeit für die früheren US-Präsidenten Bill Clinton und Barack Obama hat Blinken gelernt, außenpolitische Strategien zu entwickeln. Sein Kontakt zum Amtsinhaber Joe Biden ist eng, ja vertraut. Blinkens Biografie legt nahe, dass ihm das Schicksal Israels am Herzen liegt. Er wurde nahe New York als Sohn jüdisch-amerikanischer Eltern geboren. Nach dem kürzlich gestorbenen Henry Kissinger ist er der zweite jüdische Außenminister in der Geschichte der USA. Blinken zog 1971 nach der Scheidung der Eltern mit seiner Mutter nach Paris. Dort lernte „Tony“ perfekt Französisch. Dank seines Stiefvaters Samuel Pisar, Überlebender des Holocaust und Berater des damaligen französischen Präsidenten Valery Giscard d’Estaing, knüpfte er wichtige Kontakte in Europa. Zurück in den USA machte er einen Abschluss in Politik und Jura. Blinken ist seit 2002 mit Evan Ryan verheiratet, das Paar hat zwei Kinder.

    Besonders gut harmoniert Blinken mit der deutschen Amtskollegin Annalena Baerbock. Dass die beiden ein ausgezeichnetes Verhältnis haben, ist bei gemeinsamen Auftritten nicht zu übersehen. Baerbock schätzt die höfliche Gelassenheit und die Unermüdlichkeit ihres US-Kollegen, der auch zu Selbstkritik in der Lage ist. Doch auch dem Tandem Blinken/Baerbock ist es nicht gelungen, der Lösung des Nahost-Konflikts entscheidend näherzukommen.

    Die beiden können gut miteinander: Außenministerin Annalena Baerbock mit ihrem US-amerikanischen Amtskollegen Antony Blinken.
    Die beiden können gut miteinander: Außenministerin Annalena Baerbock mit ihrem US-amerikanischen Amtskollegen Antony Blinken. Foto: Soeren Stache, dpa (Archivbild)

    Hinzu kommt nun, dass die Welt auf die Völkermord-Klage Südafrikas gegen Israel vor dem internationalen Gerichtshof in Den Haag blickt. Das Verfahren droht die Fronten weiter zu verhärten. Antony Blinken wird sich auch davon nicht entmutigen lassen.

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