Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Porträt: Rivalität in der CDU-Spitze: Die Verwandlung des Hendrik Wüst

Porträt

Rivalität in der CDU-Spitze: Die Verwandlung des Hendrik Wüst

    • |
    Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen.
    Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen. Foto: Friso Gentsch, dpa

    So sieht Männerfreundschaft sonst nur in Pils-Werbespots aus - Hendrik Wüst und Friedrich Merz sitzen einträchtig im Dortmunder Signal-Iduna-Park, die Hemdkragen aufgeknöpft, nichts als Fußball im Sinn. Kaum vier Wochen ist es her, Borussia geht als klarer Meister-Favorit ins letzte Saisonspiel. Das prominente Politiker-Duo fachsimpelt vertraut, flachst, fiebert mit. Zwei aus Nordrhein-Westfalen, die sich verstehen. 

    Die Rollen scheinen klar verteilt: Hier Merz (67), der erfahrene Anführer, dort der 20 Jahre jüngere Wüst, der smarte Landesvater, der vielleicht irgendwann in die Fußstapfen des Silberrückens treten darf. Doch seit dem kleinen CDU-Parteitag am Wochenende ist es vorbei mit der Harmonie. Wüst ist für Merz zum Rivalen um die Kanzlerkandidatur geworden. "Das Herz schlägt in der Mitte", schreibt Wüst in einem Gastbeitrag in der FAZ über die CDU. Dafür wird er von jenen in der Partei gefeiert, die deren Zukunft, wie einst Angela Merkel, in einer Öffnung weit über das Stammpublikum hinaus sehen. Das aber erhofft sich von Merz ja gerade, das konservative Element wieder in den Mittelpunkt zu rücken. 

    Merz, Wüst, Söder Parteifreunde und Konkurrenten: Zwischen Friedrich Merz (vorne) und Hendrik Wüst könnte sich entscheiden, wer Kanzlerkandidat der Union wird.
    Merz, Wüst, Söder Parteifreunde und Konkurrenten: Zwischen Friedrich Merz (vorne) und Hendrik Wüst könnte sich entscheiden, wer Kanzlerkandidat der Union wird. Foto: Oliver Berg, dpa

    Rivalen in der CDU: Das Tischtuch zwischen Wüst und Merz ist zerschnitten

    So wittert Merz Meuterei, verbittet sich "Personalspekulationen", giftet in Richtung Wüst: Dessen schwarz-grüne Landesregierung stehe in den Umfragen ja ähnlich schlecht da wie die Ampel im Bund. Dabei haben Merz und Wüst eine Menge gemeinsam. Beide kommen nicht aus jenem Teil Nordrhein-Westfalens, den viele aus dem Schimanski-Tatort zu kennen glauben, dem "Pott", wo arbeitslose Stahlkocher vor rostenden Fabriken Dosenbier trinken. Sondern aus den ländlichen, katholisch und mittelständisch geprägten Gegenden, die es eben auch gibt. 

    Im münsterländischen Rhede wird Hendrik Wüst als Sohn eines Vertreters für Textilmaschinen und einer Metzgerin mit familieneigenen Betrieb geboren, nach dem Abitur studiert er Jura - wie Merz. Mit 15 Jahren tritt er der Jungen Union (JU) bei, deren Landesvorsitzender er später wird - aus dieser Zeit kennt er auch CSU-Chef Markus Söder gut. Wie Merz ist Wüst zeitweise an der Schnittstelle von Wirtschaft und Politik tätig - etwa beim vom früheren JU-Funktionär Klemens Joos gegründeten Beratungsunternehmen Eutop, das Firmen Lobbyarbeit im politischen Raum anbietet. 

    Rücktritt nach Affäre: In Hendrik Wüsts Karriere gab es auch Rückschläge

    In der Union bildet Wüst zusammen mit Söder und anderen 2007 den nach dem Berliner Promi-Kaffeehaus benannten "Einstein-Kreis" zur Durchsetzung konservativerer Ziele. In den Landtag gewählt, steigt er in der Landes-CDU zum Generalsekretär auf. Doch wegen Briefen, in denen Firmenchefs gegen Geld Gesprächstermine mit dem damaligen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers angeboten werden, tritt er 2010 zurück. Auch seine Hochachtung für Angela Merkel war bei weitem nicht immer so groß, wie es heute scheint. 2007 war Wüst einer jener Unionsabgeordneten, die für Leitkultur und "Deutsche Tugenden" warben. Die Botschaft ging damals an: Merkel.

    Akkurat gestutztes Haar, die Brille rechteckig und randlos, die Sakkos grün kariert, passend zum Hobby Jagd: Hendrik Wüst wirkt lange wie der Prototyp des schneidig-konservativen Nachwuchsfunktionärs. Ministerpräsident Armin Laschet ernennt ihn 2017 zum Verkehrsminister, im staugeplagten Land keine dankbare Aufgabe. Wüst absolviert sie ohne größere Unfälle und kann so 2021 Laschets Nachfolger werden, nachdem dieser als Kanzlerkandidat scheitert. 2022 wird er bei den Landtagswahlen bestätigt, regiert zusammen mit den Grünen im Düsseldorfer Landtag weitgehend geräuschlos. 

    NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU).
    NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). Foto: Annette Riedl, dpa

    Wüst legt das Streberhafte zunehmend ab

    Fast schleichend bewegt sich seine Erscheinung weg vom Streberhaften, er trägt das Haar nun etwas länger und welliger, die neue Brille ist rund. Oft lässt er die Krawatte weg, wirkt wie ein lässiger Schwiegermutter-Liebling. Wüst und Ehefrau Katharina bekommen 2021 ihre Tochter Philippa. Fotos zeigen einen modernen Landes- und Familienvater, mal mit Kinderwagen, mal mit Lastenfahrrad. Migrantenjungs als "Paschas" bezeichnen wie Friedrich Merz, damit mögliche Wähler mit Zuwanderungsgeschichte verschrecken? Dem Wüst von heute würde das nie einfallen. Während Merz sinngemäß sagt, dass er nichts gegen Homosexuelle hat, solange sie ihn selbst in Ruhe lassen, eröffnet Wüst 2022 als erster Ministerpräsident die Parade der Lesben und Schwulen in Köln. 

    Wo Merz spaltet, führt Wüst zusammen, das wird schon bei den Fan-Schals beim Meisterschafts-Finale deutlich. Der von Merz ist pur schwarz-gelb geringelt. Wüst trägt einen "Freundschafts-Schal", die eine Seite ist der Borussia gewidmet, die andere dem 1. FC Köln, zu dem er seit Kinderzeiten hält. Am Ende vergeigt Dortmund die Meisterschaft, gefeiert wird in München. Ein Orakel? Manche in der CDU machen sich Sorgen, dass Wüst und Merz es übertreiben könnten mit ihrem Streit. Und am Ende im Kanzlerkandidaten-Rennen doch wieder ein Bayer seine Chance wittert.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden