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Porträt: Ist Rishi Sunak Großbritanniens Retter oder ein Verräter?

Porträt

Ist Rishi Sunak Großbritanniens Retter oder ein Verräter?

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    Schon als Student hatte Rishi Sunak eine klare Vorstellung von seiner Zukunft: Er wollte Premierminister von Großbritannien werden. Mit gerade einmal 42 Jahren ist er am Ziel.
    Schon als Student hatte Rishi Sunak eine klare Vorstellung von seiner Zukunft: Er wollte Premierminister von Großbritannien werden. Mit gerade einmal 42 Jahren ist er am Ziel. Foto: Stefan Rousseau, dpa/Press Association

    Normalerweise ist der Vorsitzende des 1922-Komitees der konservativen Fraktion im Unterhaus keine Persönlichkeit, die häufig im Rampenlicht steht. Normalerweise. Graham Brady jedoch hatte in den vergangenen Tagen mal wieder alle Hände voll zu tun und wurde dabei auf Schritt und Tritt verfolgt. Schließlich musste er den Wahlkampf um das Amt des konservativen Parteichefs beaufsichtigen – schon wieder. Am Montag verkündete er: Es wird Rishi Sunak, der damit auch zum nächsten Premierminister aufsteigt.

    Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon gehörte zu den ersten Gratulanten. Er sei der erste Premierminister, der einer „ethnischen Minderheit“ angehört, schrieb sie auf Twitter. Das sei „ein wirklich bedeutender Moment.“ Nur: Kann dieser Mann die tief gespaltene Partei einen und sein Land in ruhigeres Fahrwasser führen?

    Rishi Sunak übernimmt Amt von Liz Truss mit wenig Drama

    Großbritannien ist ein großartiges Land, aber es besteht kein Zweifel daran, dass wir vor tiefgreifenden wirtschaftlichen Herausforderung stehen“, sagte Sunak in seiner ersten Ansprache am Nachmittag in Westminster. Diese war erstaunlich kurz. Er dankte Liz Truss und betonte, wie geehrt er sich fühle, dieses Amt ausüben zu dürfen. Dabei wirkte er zwar wie ein „politischer Roboter“ und „zu businessmäßig“, wie es Journalisten beschrieben. Viele Abgeordneten sahen ihm diese mäßige erste Performance am Montag jedoch nach. Schließlich waren sie froh, dass der Wechsel an der Spitze der Partei so schnell über die Bühne ging. Weniger Drama ist das, was sich so mancher Tory und auch Britinnen und Briten aktuell wünschen.

    Nachdem die Noch-Premierministerin Liz Truss am Donnerstag nach nur 44 Tagen im Amt ihren Rücktritt angekündigt hatte, ihr Vorgänger Boris Johnson doch nicht antrat und seine einzige Kontrahentin Penny Mordaunt ihre Kandidatur zurücknahm, war Sunak der letzte im Rennen. Er hat es geschafft. Im zweiten Anlauf. Nach seiner Ernennung zum Premierminister durch König Charles III. wird er am Dienstag in die Downing Street Nummer 10 einziehen.

    Erst vor wenigen Wochen hatte Rishi Sunak gegen Liz Truss verloren

    Angesichts der Tatsache, dass Sunak erst vor wenigen Wochen Truss im Kampf um die Nachfolge Boris Johnsons unterlegen war, ist das eine beeindruckende Wende, die dem Chaos in der Partei geschuldet ist. Für Sunak sprach aus Sicht vieler konservativen Abgeordneten, dass er schon damals vor jenem Finanzchaos gewarnt hatte, das Truss in ihrer kurzen Amtszeit mit ihrer Wirtschaftspolitik schließlich anrichtete.

    Er gab sich als Realist, der den Menschen in Bezug auf die Senkung von Steuern keine falschen Versprechungen machen wollte. Mit seinem akkuraten Seitenscheitel und eleganten Anzügen präsentierte sich der zweifache Familienvater vermutlich bewusst als Gegenteil von Johnson. Einst Finanzanalyst bei der Investmentbank „Goldman and Sachs”, war er in dessen Regierung Johnsons schnell zum Finanzminister aufgestiegen. Seinen guten Ruf in Teilen der Partei und innerhalb der Bevölkerung hat der 42-Jährige sich während der Pandemie erarbeitet. So führte er unter anderem das beliebte Programm „Eat out to help out“ ein, um Restaurants in der Krise zu unterstützen. Zuvor eher unbekannt, wirkte er damals auf viele Britinnen und Briten verlässlich und kompetent.

    Viele Briten finden den Multimillionär Rishi Sunak abgehoben

    Zweifel an seiner Integrität kamen auf, als im Frühjahr dieses Jahres bekannt wurde, dass seine Frau Akshata Murthy, eine indische Milliardärstochter, wegen einer umstrittenen Regelung kaum Steuern gezahlt hatte. Das warf ein schlechtes Licht auf ihn. Sunak zählt durch seinen Erfolg als Banker, aber eben auch durch den Reichtum seiner Ehefrau zu den vermögendsten Briten. Er gilt deshalb vielen als abgehoben. Er wisse nichts von den Problemen der Menschen im Land, war eine Befürchtung, die in den Sommermonaten immer wieder zu hören war.

    Viele konservative Abgeordnete warfen Sunak außerdem vor, für den Sturz Johnsons verantwortlich zu sein. Er habe mit der unvermittelten Niederlegung seines Amtes im Juli dafür gesorgt, dass innerhalb weniger Stunden dutzende weitere Minister und konservative Abgeordnete das Handtuch warfen. Der Druck auf Johnson wurde daraufhin immer größer und am Ende zu groß. Sunak gilt für viele Tories seither als Verräter. Sie hassen ihn regelrecht.

    Werden die Tories wirklich hinter dem neuen Premier stehen?

    Johnson zog sich am Sonntag zwar aus dem Rennen um die Nachfolge auf das Amt des Premierministers zurück. Zuvor hatten jedoch dutzende Abgeordnete seine Kandidatur unterstützt. Dies zeigt, wie groß sein Rückhalt weiterhin ist. Und das könnte zum Problem für Sunak werden. „Es gibt einen bedeutenden Teil der konservativen Partei, die nicht unter Rishi dienen wird”, war am Wochenende aus Kreisen der Tories zu erfahren.

    Dabei hätte der 42-Jährige die Unterstützung dringend nötig. Ganz oben auf der Liste der Dinge, mit denen sich der neue Premierminister auseinandersetzten muss, steht die wirtschaftliche Lage des Landes. Schließlich wurden unter Truss die Steuer-, Renten- und Energiepolitik in die politische Salatschleuder geworfen, wie es der britische Journalist Claer Barrett beschrieb. Truss’ ideologiegetriebener „Mini“-Haushalt, hat die Finanzmärkte erschüttert. Die Hypothekenzinsen stiegen. Das Pfund fiel auf ein historisches Tief. Die 48-Jährige hat einen Scherbenhaufen hinterlassen, den ihr Nachfolger nun beseitigen muss.

    Rishi Sunak wird in einer schwierigen Zeit neuer britischer Premierminister

    Familien und Firmen werden es angesichts der steigenden Inflation schwer haben, diesen Winter über die Runden zu kommen, und viele werden die Tories für diese Probleme verantwortlich machen, betonen Experten. Schon jetzt mussten in Großbritannien zahlreiche Tafeln schließen, weil sie keine Lebensmittelspenden mehr zur Verfügung hatten. Dabei hat der Winter nicht einmal begonnen.

    Das Land wird immer ärmer und die Menschen spüren das. Hinzu kommen das nach der Pandemie weiterhin völlig überlastete Gesundheitssystem NHS, der Streit mit der EU um das Nordirland-Protokoll als Folge des Brexits, der Klimawandel und die Sorgen um die Energieversorgung.

    Eigentlich sollten die Tories in der Lage sein, all diese Probleme anzugehen, schließlich haben sie eine große Mehrheit im Parlament. Interne Streitigkeiten und die Tatsache, dass die Partei auch unter einem neuen Premierminister tief gespalten bleibt, werden es aber schwierig machen, gemeinsame Lösungen zu finden.

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