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Porträt: Gunter Demnig ist der Erfinder der Stolpersteine

Porträt

Gunter Demnig ist der Erfinder der Stolpersteine

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    Künstler Gunter Demnig arbeitet an Stolpersteinen. Der Initiator des Projektes zur Erinnerung an Opfer des Nationalsozialismus wird am 27. Oktober 75 Jahre alt.
    Künstler Gunter Demnig arbeitet an Stolpersteinen. Der Initiator des Projektes zur Erinnerung an Opfer des Nationalsozialismus wird am 27. Oktober 75 Jahre alt. Foto: Nadine Weigel, dpa

    Man muss davon ausgehen, dass Gunter Demnig sein rechtes Knie ziemlich strapaziert hat. Mehr als siebzigtausendmal hat er sich darauf niedergelassen, auf geteerten oder gepflasterten Gehsteigen, immer dann, wenn er einen Stolperstein gesetzt hat, stets in Bauarbeiter-Montur, einen breitkrempigen Hut auf dem Kopf, Gummihammer und Mörtelkelle in den Händen. Mittlerweile fällt ihm das Bücken und Knien nicht mehr so leicht, denn Demnig ist seit diesem Donnerstag 75 Jahre alt.

    Aber auch wenn der gebürtige Berliner jetzt gelegentlich Assistenten oder Mitglieder der örtlichen Bürgerinitiative ranlässt, die Stolpersteine sind nach wie vor sein Ding, mit ihnen ist er berühmt geworden, sie sind – gut 75.000 an der Zahl – das größte Namensdenkmal für Opfer des Nationalsozialismus in Europa.

    Die Stolpersteine von Gunter Demnig liegen vor dem letzten freiwilligen Wohnort des Opfers

    Und auch in den USA oder Australien sind die "rememberance stones" bekannt, diese nur zehn mal zehn Zentimeter großen Pflastersteine mit Messingoberfläche, in die nur Name, Geburts- und Todesdatum eingraviert sind, auf denen immer wieder steht: "ermordet in Auschwitz". Vor dem letzten freiwilligen Wohnort des Opfers (nicht vor Ghettohäusern oder Lagern) liegen die Stolpersteine; in mehr als 1200 Orten, auch in Augsburg und Kempten. Wer sie wahrnimmt, stolpert oder besser: stockt, hält inne und denkt an den Menschen, dessen Leben von einem mörderischen Unrechtsregime ausgelöscht wurde. Ein dezentrales Mahnmal, das in der Topografie einer Stadt zeigt, wie der Terror überall wütete, auch im hübschesten Viertel.

    Seit 1996 verlegt Demnig seine Stolpersteine, sie folgten auf andere Projekte politischer Konzeptkunst, die der Kasseler Kunststudent (bei Harry Kramer) und Mitarbeiter an der dortigen Kunsthochschule versucht hatte. Von seinem Wohnort Köln aus eroberte Demnig dann die Erinnerungskultur. Natürlich erntet er auch Kritik – manche jüdischen Gemeinden und Sinti sind gegen das Denkmal auf den Straßen, weil sie finden, damit würden die Opfer in den Dreck gezogen. Auch Demnigs inflationäre Verbreitung der Steine und die Tatsache, dass er bei den Gravuren bisweilen Tätersprache verwendete, wird kritisiert. Aber trotzdem: Die Stolpersteine sind eine große, geniale Idee, Gunter Demnig hat eine unmissverständliche, ergreifende Form des Gedenkens geschaffen.

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