Die Chancen, dass dieser Mann nächster Ministerpräsident von Baden-Württemberg wird, stehen gut. Erstaunlich für einen, dessen Namen selbst die Mehrheit seiner Landsleute nur vom Hörensagen kennt. Manuel Hagel heißt er, um das gleich zu klären. Sein Amt: CDU-Chef und Fraktionsvorsitzender im Stuttgarter Landtag. Sein Auftrag: Das Ländle von den Grünen zurückerobern. In einer Reihe mit Lothar Späth, Erwin Teufel und Winfried Kretschmann? Da kann man als 35-Jähriger schon mal erdrückt werden von den Erwartungen. Doch Hagel hat etwas, was seine Vorgänger nicht hatten.
"Die CDU ist in Baden-Württemberg unschlagbar, wenn sie geschlossen ist. Sie wird aber immer scheitern, wenn sie streitet", sagt er unserer Redaktion. Und gestritten wurde oft, seit die Grünen die CDU vor bald 13 Jahren wegen Eigenbedarfs aus der Villa Reitzenstein hinausgedrängt hatten. Der Regierungssitz war ein halbes Jahrhundert lang derart fest in schwarzer Hand gewesen, dass es schon viel Fantasie brauchte, sich einen Ministerpräsidenten einer anderen Partei vorzustellen. Das machte überheblich und spülte mit Ex-Regierungschef Stefan Mappus einen Mann nach oben, der für viele bis heute als Inbegriff dieser Arroganz gilt.
Manuel Hagel ist nah bei den Menschen und hat die CDU hinter sich
Es folgten Machtverlust, Grabenkämpfe und immer neue Misserfolge. Und nun soll ausgerechnet der unbeschriebene Hagel aus Ehingen in der Nähe von Ulm, Vater dreier Söhne und einst Sparkassen-Filialdirektor, die CDU zurück an die Spitze führen. Er trägt gut geschnittene Anzüge, öfter Krawatte als andere in seiner Generation und sagt Unternehmensberater-Sätze wie: "Wir werden die Antworten auf die Fragen von heute nicht im Gestern finden."
Doch man sollte ihn nicht unterschätzen. Dem Politiker mit dem oberschwäbischen Akzent, aktiv in der Fastnacht, als Jäger und in diversen Vereinen, ist etwas gelungen, was keiner seit Günther Oettinger geschafft hat: Er ist nah bei den Menschen und weiß die baden-württembergische CDU hinter sich.
Neben dem neuen anti-grünen Zeitgeist, der Kretschmann nichts anhaben konnte, weil alle ihn als konservativen Pragmatiker wahrnehmen, spricht noch eins für Hagel: Er muss nicht gegen den amtierenden Landesvater gewinnen, der 2026 nicht mehr antreten wird. Kretschmann war die Lebensversicherung der Grünen im Südwesten, ein natürlicher Nachfolger ist nicht in Sicht. Und einen Amtsbonus wird es auch nicht geben, denn die CDU, derzeit Juniorpartner in der grün-schwarzen Koalition, hat ausgeschlossen, einem anderen Grünen an die Spitze der Regierung zu verhelfen, sollte Kretschmann vor Ablauf der Legislaturperiode abtreten.
Der CDU-Politiker hat strategisches Geschick bewiesen
Damit hat Hagel strategisches Geschick bewiesen. Denn schon lange hatte es Gerüchte gegeben, der 75-jährige Ministerpräsident könnte vorzeitig den Weg frei machen, um einem Nachfolger die Chance zu geben, sich zu profilieren und dann aus dem Amt heraus den Wahlkampf zu führen. Dabei fällt immer wieder ein Name: Cem Özdemir. Der Bundeslandwirtschaftsminister stammt aus dem schwäbischen Bad Urach und kann etwas, womit sich viele Parteifreunde schwertun: Er geht auf die Leute zu. Außerdem steht er für jenen konservativ-grünen Stil, mit dem Kretschmann so populär wurde. Nachteil Özdemir: Er steht für die ungeliebte Ampel, die noch vor der Wahl in Baden-Württemberg Geschichte sein könnte.
Hagel will sich über mögliche Gegenkandidaten nicht äußern. Aber zwischen den Zeilen hört man heraus, dass er Özdemirs Strategie, Distanz zum eigenen Laden, zur Koalition in Berlin zu halten, genau beobachtet. Es gibt hier Parallelen zu Kretschmann, die der CDU gefährlich werden könnten. "Wir sind uns in sehr vielen Fragen mit Winfried Kretschmann einig – auch in Fragen, in denen seine eigene Partei so ganz und gar nicht hinter ihm steht", sagt Hagel. Was erst einmal harmlos klingt, ist eine klare Botschaft an potenzielle Wechselwähler: Obacht, die Grünen stehen viel weiter links, als es die erste Reihe vermuten lässt.
In Umfragen liegt die CDU in Baden-Württemberg klar vorne
Derzeit liegt die CDU in Umfragen klar vorn. Eine Fortsetzung der Koalition mit Hagel an der Spitze ist denkbar. Die Aggressionen gegen die Grünen am Politischen Aschermittwoch in Biberach bezeichnet er als "absolut indiskutabel" und im unionsinternen Streit um schwarz-grüne Bündnisse steht er eher auf der Seite seines Parteichefs: "Friedrich Merz hat eine Selbstverständlichkeit ausgesprochen: Demokratische Parteien müssen grundsätzlich miteinander gesprächsfähig sein."
Zugleich knüpft er Kontakte mit dem Grünen-Schreck Markus Söder. Den CSU-Vorsitzenden hat er erst in dieser Woche in München besucht. Hagel weiß: Eine solche "Südschiene" zwischen Bayern und Baden-Württemberg hat Gewicht - auch in Berlin und erst recht, wenn sich dabei zwei Ministerpräsidenten auf Augenhöhe begegnen würden.