Wenn es darum geht, wen wir an dieser Stelle porträtieren, suchen wir natürlich auch nach dem Besonderen, dem Neuen, dem nie Dagewesenen. Dass sie selbst in diese Kategorie passt, wird Aminata Touré einerseits freuen. Andererseits wird sie in den kommenden Jahren alles dafür tun, dass sie eines Tages nichts Besonderes mehr ist.
Die 29-Jährige ist seit wenigen Tagen die erste schwarze Ministerin in Deutschland. In der Regierung von Schleswig-Holstein kümmert sie sich um Soziales, Jugend, Familie, Senioren, Integration und Gleichstellung. Und als ob die Liste nicht schon lang genug wäre, wird Touré mit ihrer Berufung fast automatisch zum Vorbild für Menschen mit ausländischen Wurzeln, denen in der großen Politik bislang oft nur eine Nebenrolle geblieben war. Sie selbst betont, dass Biografie keine Politik ersetze. Doch ihr Lebensweg taugt durchaus als Mutmachgeschichte.
Als Aminata Touré geboren wird, brennen in Deutschland Asylbewerberheime
Touré wird 1992 in eine Zeit hinein geboren, in der in Deutschland Asylbewerberheime brennen. Die rechtsextremistischen Anschläge auf Ausländer in Rostock, in Solingen und Mölln gehören mit zu den ersten Eindrücken, die sich ihren Eltern nach der Flucht aus Mali einprägen. Eine Flüchtlingsunterkunft in Neumünster wird ihr Zuhause.
Viele Jahre lang weiß die Familie mit ihren vier Töchtern, die alle in einem Zimmer leben, nicht, ob sie dauerhaft bleiben darf. Mit dieser Ungewissheit wächst Aminata Touré auf. Sie selbst will unbedingt bleiben – obwohl sie hier Rassismus erlebt, obwohl ihre Eltern kämpfen müssen, um finanziell über die Runden zu kommen. Sie kennt keine andere Heimat.
Mit 26 wird Aminata Touré die jüngste Landtagsvizepräsidentin der Republik
In einem Buch über ihr Leben wird sie sich später erinnern, dass den Lehrern schon früh der ungewöhnlich starke Wille dieses Mädchens aufgefallen sei. Touré macht das Abitur, wird sogar Schulsprecherin, sie geht nach Kiel an die Uni – und in die Politik. Als Mitarbeiterin einer Bundestagsabgeordneten der Grünen sammelt sie erste Erfahrungen. Schon bald darauf zieht sie als Nachrückerin selbst in den schleswig-holsteinischen Landtag ein, dessen Vizepräsidentin sie später wird. Touré ist nicht nur die erste Afrodeutsche, sondern mit 26 Jahren auch die jüngste Politikerin, die dieses Amt in einem deutschen Landtag einnimmt. Etwas Besonderes – nicht zum letzten Mal in ihrer Karriere.