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Politik: Großer Gefangenenaustausch zwischen Berlin und Russland

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Großer Gefangenenaustausch zwischen Berlin und Russland

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    Der Wall Street Journal-Reporter Evan Gershkovich wurde in Russland verurteilt.
    Der Wall Street Journal-Reporter Evan Gershkovich wurde in Russland verurteilt. Foto: Dmitri Lovetsky, dpa

    Es ist ein Fall, der politisch alles andere als alltäglich ist: Zwischen Deutschland, Russland, Belarus und den USA hat ein umfangreicher Gefangenenaustausch begonnen. Konkret geht es um mehr als zwei Dutzend Gefangene. Unter anderem der erst vor wenigen Wochen zu 16 Jahren Haft verurteilte US-Journalist Evan Gershkovich war Teil des politischen Deals, genauso wie mehrere politische Häftlinge, die in russischen Gefängnissen sitzen. Auch der deutsche Rico K., der in Belarus wegen angeblichem Terrorismus angeklagt war, kommt frei. Dem russischen Präsidenten Wladimir Putin wiederum geht es vor allem um den als „Tiergartenmörder“ bekannt gewordenen Wadim Krassikow. Der Geheimdienstmitarbeiter hatte im Jahr 2019 in Berlin einen Georgier erschossen, der in Russland als Staatsfeind galt. Er wurde zu lebenslanger Haft verurteilt.

    Wie der Spiegel berichtet, starteten am Donnerstag Flugzeuge sowohl aus Russland als auch aus Deutschland in Richtung Ankara. Dort sollte der Deal abgewickelt werden. In den Fliegern sollen sowohl Gershkovich als auch Krasikow gesessen haben. Die Koordination hat der türkische Geheimdienst übernommen.

    Vorwurf: Kreml nutzt Gefangene als „Handelsware“

    Putin wird vorgeworfen, gezielt politische Gefangene zu nehmen, um westliche Staaten erpressbar zu machen. Seit Jahren versucht der Kreml, den „Tiergartenmörder“ freizubekommen. Der Fall hatte zu Verwerfungen zwischen den Regierungen Deutschlands und Russlands und der gegenseitigen Ausweisung von Diplomaten geführt. Schon im vergangenen Jahr soll ein Austausch mit dem inzwischen verstorbenen Alexej Nawalny im Gespräch gewesen sein.

    Bewegung in die Angelegenheit scheint schon vor einigen Tagen gekommen zu sein. Als Indiz wurde von Experten das Verschwinden mehrerer Gefangener aus russischen Straflagern gewertet. Unter anderem zum bekanntesten inhaftierten Oppositionellen, Wadim Kara-Mursa, gab es keinen Kontakt mehr. Auch er soll nun Teil des Gefangenenaustausches sein.

    Gerüchte über den Austausch gibt es schon länger, doch aufgrund der politischen Brisanz hielt sich die Bundesregierung extrem bedeckt. Formal zuständig für den Fall des „Tiergartenmörders“ ist die Generalbundesanwaltschaft. Die untersteht dem Bundesjustizministerium, ist also nicht unabhängig. Im Fall des Gefangenenaustausches ist davon auszugehen, dass die Entscheidung auf höchster Ebene getroffen wurde: im Kanzleramt und im Justizministerium. „Die Bundesregierung hat sich diese Entscheidung nicht leicht gemacht“, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. „Dem staatlichen Interesse an einer Vollstreckung der Freiheitsstrafe eines verurteilten Verbrechers standen die Freiheit, das körperliche Wohlergehen und – in einigen Fällen – letztlich auch das Leben unschuldig in Russland inhaftierter Personen und zu Unrecht politisch Inhaftierten gegenüber.“ Die Schutzverpflichtung gegenüber deutschen Bürgern sowie die Solidarität mit den USA seien wichtige Beweggründe gewesen.

    Für Russland und die USA ist es nicht der erste Gefangenenaustausch: Im Dezember 2022 kam der berüchtigte Waffenhändler Wiktor But aus US-Haft frei, im Gegenzug konnte die amerikanische Basketballerin Brittney Griner zurück in ihre Heimat. Für Deutschland hingegen hat das Abkommen durchaus eine historische Dimension. Ein Gefangenenaustausch zwischen Staaten wird vor allem in Kriegszeiten vorgenommen. Im Kalten Krieg tauschten Ost und West hochrangige Agenten aus, die letzte Aktion fand 1986 statt, Schauplatz war die Glienicker Brücke in Berlin. Dass Straftäter gegen politische Gefangene ausgetauscht werden, gilt für die Bundesregierung als ungewöhnlich.

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    4 Kommentare
    Jochen Hoeflein

    Was hilft die Diskussion der juristischen Aspekte z.Bsp. zum Austausch des Tiergartenmörders Begnadigung oder Freilassung im Heimatland sind bei derartigen Gefangenenaustausch Aktionen kein Thema. Das Opfer hat im Tschetschenien Krieg bei Terrorakten gegen RU Einrichtungen im RU Kernland massgeblich mitgewirkt und hatte gehofft nach mehreren Zwischenstationen in DEU einen sicheren Hafen gefunden zu haben; ihm musste wohl bewusst gewesen sein, dass er auf der RU Fahndungsliste ganz oben stand.

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    Robert Miehle-Huang

    Der russlandfreundliche Jochen Hoeflein äußert eine sehr merkwürdige Rechtsauffassung, wenn er Verständnis für den Tiergartenmörder hegt.

    Wolfgang Schwank

    Was zeigt uns diese Aktion: 1. Politiker wie Erdogan werden gebraucht um derart Heikles durchzuführen 2. Egon Bahr hat noch immer recht mit seiner These, dass es in der internationalen Politik nie um Demokratie oder Menschenrechte geht, sondern allein um das Interesse von Staaten.

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    Jochen Hoeflein

    Genau die richtige Einschätzung in Sachen Aussenpolitik. Man geht einen Stück des Weges gemeinsam so lange sich die Interessen decken oder nützlich sind und trennt sich wenn die Gemeinsamkeiten verloren gehen.

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