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Polen: Warum sind Deutschlands Beziehungen zu Polen so schlecht, Herr Botschafter?

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Warum sind Deutschlands Beziehungen zu Polen so schlecht, Herr Botschafter?

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    Der frühere deutsche Botschafter in Warschau, Rolf Nikel, sieht die Bundesregierung am Zug, das Verhältnis zu Polen zu verbessern.
    Der frühere deutsche Botschafter in Warschau, Rolf Nikel, sieht die Bundesregierung am Zug, das Verhältnis zu Polen zu verbessern. Foto: Olivia Nikel

    Beziehungsstatus kompliziert. Und das in Zeiten, da der Krieg nach Europa zurückgekehrt ist. Das Verhältnis zwischen Berlin und Warschau ist schlecht, wo Einigkeit gefragt wäre. Doch die polnische Regierung traut der deutschen nicht recht über den Weg. Zu lange hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) beim Thema Leopard-Panzer gezögert. Die böse Unterstellung lautete: Deutschland hoffe nach einem Ende des Krieges wieder auf profitable Wirtschaftsbeziehungen zu Russland. Schließlich habe die Bundesrepublik all die Mahnungen vor der Gefährlichkeit Wladimir Putins jahrelang geflissentlich ignoriert. Billiges Gas zählte mehr.

    Polen kann Deutschland zu Recht vorwerfen, auf die Warnungen aus Warschau vor Putin nicht gehört zu haben.“ Das sagt der ehemalige deutsche Botschafter in Warschau, Rolf Nikel. Der Diplomat außer Dienst hat ein ganzes Buch über die ungleichen Nachbarn und ihr schwieriges Verhältnis geschrieben. Es trägt den Titel „Feinde Fremde Freunde“. Die Reihenfolge ist nicht grundlos gewählt, denn vorneweg etwas Erfreuliches: Die Grundlage der Beziehung ist gut. 

    Seit dem Fall der Mauer haben sich tausende Menschen gefunden, sind über die Ländergrenzen hinweg Bekanntschaften und Freundschaften entstanden. Die wirtschaftliche Verflechtung zwischen beiden Ländern ist eine Erfolgsgeschichte. Deutschland ist für Polen der größte Handelspartner, umgekehrt ist es immerhin Rang fünf. 

    Beziehung zwischen Polen und Deutschland: Der nächste Nazi-Vergleich ist nie weit

    In der Arena des Politischen ist die Sache vertrackt, fliegen Misstöne durch die Luft. Das hat damit zu tun, dass das Verhältnis zu Deutschland die polnische Innenpolitik prägt. Die rechtskonservative Regierungspartei PiS macht Stimmung gegen Deutschland, um die eigenen Wähler zu mobilisieren. Sie fordert die gewaltige Summe von 1,3 Billionen Euro als Ausgleich für Tod, Leid und Zerstörung im Zweiten Weltkrieg. Der nächste Nazi-Vergleich ist nie weit. 

    Setzte Zeichen für die Aussöhnung mit Polen: Am 7. Dezember 1970 fiel der damalige Bundeskanzler Brandt am Denkmal für die Helden des jüdischen Ghettos in Warschau auf die Knie, um der Millionen Opfer der Hitler-Diktatur zu gedenken.
    Setzte Zeichen für die Aussöhnung mit Polen: Am 7. Dezember 1970 fiel der damalige Bundeskanzler Brandt am Denkmal für die Helden des jüdischen Ghettos in Warschau auf die Knie, um der Millionen Opfer der Hitler-Diktatur zu gedenken. Foto: dpa (Archivbild)

    Ex-Botschafter Nikel hält es dennoch für notwendig, dass sich die Bundesregierung um bessere Beziehungen zu Polen bemüht. Er erklärt das mit der Rolle, die Polen in der neuen Ordnung spielen wird, die wegen des Angriffs Russlands auf die Ukraine entsteht. „Polen wird Frontstaat in der neuen Konfrontation zwischen dem Westen und Russland“, erklärt der 68-Jährige. Für ihn verschiebt sich damit der Schauplatz der Geopolitik nach Osten. 

    Während im Kalten Krieg Nato und Sowjetunion in Deutschland aufeinandergetroffen wären, würde das heute wahrscheinlich in Polen passieren. Deshalb wird die Nato dort dauerhaft Truppen stationieren, Spione beider Seiten werden sich aushorchen und die USA als Führungsmacht des Westens sichtbar sein. „Der Konflikt wird dem Kalten Krieg ähneln. Darauf folgt, dass die EU und die Nato ‚östlicher‘ werden müssen“, meint Nikel. 

    Polen setzt auf die USA und geht damit ein Risiko ein

    Polen will sich bei der Sicherheit nicht auf die Europäer verlassen und setzt auf die USA. Die polnische Armee kauft Waffen bevorzugt in Amerika. Für Warschau ist die Abhängigkeit aber nicht ohne Risiko. Denn die westliche Schutzmacht will ihren Fokus weg aus der Alten Welt und hin in den indopazifischen Raum legen, um China einzuhegen. Wenn Europa bei der Sicherheit stärker auf sich allein gestellt ist, wird das nicht ohne Deutschland als mächtigstes Land gehen. "Deutschland muss nicht jede Kröte schlucken. Aber die Bundesregierung sollte trotz allem versuchen, die Beziehungen auf sachlicher Ebene immer wieder kontinuierlich zu verbessern", sagt der frühere Botschafter. 

    Nikel sieht Potenzial auf der symbolischen Ebene. Polen empfindet sich nicht richtig wahrgenommen vom großen Nachbarn, der so lange nach Moskau geschaut hat. Der Kabarettist Dietmar Wischmeyer hat es vor Jahren einmal auf den Punkt gebracht: „Warum nicht gleich Russe? Warum dieser Übergangszustand?“, fragte Wischmeyer bitterböse und meinte mit Übergangszustand Polen. 

    Damit sich das ändert, soll in Berlin ein Erinnerungszentrum für die Gräuel und das millionenfache Leid gebaut werden, die Nazi-Deutschland in Polen angerichtet hat. Rolf Nikel leitet die zuständige Kommission für das Projekt, aber es gab einige Querelen. „Das muss jetzt schnell gehen“, fordert er. 

    Die symbolische Anerkennung ist wenig ohne harte Realpolitik. Nikels Aufruf, endlich schwere Leopard-Panzer zu liefern, wurde erst jetzt erhört. In seinem Buch fordert er außerdem eine glasklare Kommunikation an Putin und die Verbündeten. „Die Bundesregierung wird hier als zögerlich wahrgenommen“, sagt der einstige Diplomat an die Adresse von Olaf Scholz. Die Bundesregierung sollte aus seiner Sicht nicht darauf vertrauen, dass die Wahlen im Herbst einen Regierungswechsel in Warschau bringen und die populistische PiS auf die Oppositionsbank muss. Einen Rückgang zum Status quo ante werde es nicht geben. 

    Das Buch: Rolf Nikel: „Feinde Fremde Freunde“, 285 Seiten, Langen Müller Verlag, München 2023.

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