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Polen: Provokationen aus Belarus: An der Nato-Ostgrenze wächst die Nervosität

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Provokationen aus Belarus: An der Nato-Ostgrenze wächst die Nervosität

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    Polen baute einen Grenzzaun zum russischen Kaliningrad. Hier ist die Gefahr am größten, dass russische Truppen eindringen.
    Polen baute einen Grenzzaun zum russischen Kaliningrad. Hier ist die Gefahr am größten, dass russische Truppen eindringen. Foto: Attila Husejnow, dpa (Archivbild)

    Die Nervosität in Osteuropa ist förmlich mit den Händen greifen. Nachdem Hubschrauber aus dem mit Moskau eng verbundenen Nachbarland Belarus den polnischen Luftraum verletzt haben, stuft die Regierung in Warschau dies als einen gezielten Akt ein. "Ohne Zweifel ist dies ein provokativer Akt, der gegen die Ostflanke der Nato und die Republik Polen gerichtet ist", sagte der stellvertretende Verteidigungsminister Polens, Wojciech Skurkiewicz, am Mittwoch. Zwei belarussische Militär-Helikopter sollen bis zu drei Kilometer über den Bialoweza-Urwald vorgedrungen sein. Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak ließ sofort eigene Truppen in das Gebiet schicken und informierte die Nato. Polen werde "adäquat auf weitere Provokationen reagieren", sagte Skurkiewicz im staatlichen Polskie Radio.

    Warschaus Führung ist seit Wochen beunruhigt: Nicht nur, dass sich Wagner-Söldner in Belarus aufhalten und der dortige Staatspräsident Aleksander Lukaschenko den Polen geraten hat, "zu beten". Nun will er mithilfe der Söldner eine Berufsarmee in Belarus aufbauen. 

    Polen fürchten um die Sicherheit ihres Landes

    Glaubt man Umfragen, fürchten inzwischen 50,6 Prozent der Polen, dass die Sicherheit ihres Landes durch die Wagner-Gruppe bedroht ist. Den vornehmlich aus Russland stammenden Männern werden in der Ukraine schwere Kriegsverbrechen vorgeworfen. Dass die Luftraumverletzung durch die Hubschrauber erst durch Anwohner gemeldet wurde und es zunächst widersprüchliche Reaktionen von Grenzschutz und Militär gab, ließen in der polnischen Öffentlichkeit zudem Zweifel an der polnischen Abwehrfähigkeit aufkommen. Der stellvertretende Verteidigungsminister wies auf den Tiefflug der Hubschrauber hin, so konnten sie vom Radar nicht erfasst werden. Experten halten das für eine Ausrede. 

    Polens nationalkonservative Regierung demonstriert sonst gerne Stärke. Sie will zwei Divisionen an die Ostgrenze verlegen, zudem soll bei der Grenzstadt Augustow noch dieses Jahr ein Bataillon mit Pionieren entstehen. Dort befindet sich auch die sogenannte Suwalki-Lücke, polnisches und litauisches Gebiet, das die russische Provinz Kaliningrad von Belarus abtrennt. Hier gilt ein russischer Angriff auf Nato-Gebiet als am wahrscheinlichsten. Im Ernstfall könnte Russland die Baltenstaaten durch die Einnahme der Suwalki-Lücke vom restlichen Nato-Gebiet abschneiden.

    Flüchtlinge kommen über die polnisch-belarussische Grenze

    Als am Wochenende gemeldet wurde, dass sich hunderte Wagner-Söldner nahe der polnischen Grenzregion Suwalki befinden sollen, reagierte Regierungschef Mateusz Morawiecki. Damit werde die Situation an der Grenze "noch bedrohlicher". Morawiecki sagte zudem, dass in diesem Jahr bereits 16.000 versuchte Grenzübertritte von Migranten aus Belarus festgestellt worden seien. Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko und der russische Präsident Wladimir Putin wollten diese "nach Polen durchdrücken".

    Nach Angaben der renommierten US-Denkfabrik "Institut für Kriegsstudien" (ISW) stellen die Wagner-Soldaten derzeit keine Gefahr für Polen oder die Ukraine dar, da sie über kein schweres militärisches Gerät verfügen. Gefürchtet werden jedoch gezielte Aktionen, die Unruhe und Verunsicherung in den Grenzgebieten verursachen sollen. Polen befindet sich derzeit im Wahlkampfmodus, denn im Herbst wird in dem EU-Mitgliedstaat ein neues Parlament bestimmt. 

    Regierungssprecher Pjotr Müller warnte vor einem Zusammenwachsen beider Probleme an der Ostgrenze. Die Wagner-Leute seien "gewöhnliche Schläger" und in kriminelle Aktivitäten verwickelt, sagte er. "Also könnten sie auch dafür verantwortlich sein, zumindest den Migrationsdruck zu erhöhen." Putin hatte Polen zuletzt unterstellt, es wolle Belarus angreifen und sich die Westukraine einverleiben.

    Wagner-Söldner mussten nach Belarus ausweichen

    Über die Anzahl der Söldner-Kämpfer gibt es unterschiedliche Schätzungen, mehrere Tausend sollen sich inzwischen auf dem Territorium von Belarus aufhalten. Ihr Chef und Gründer Jewgeni Prigoschin ist Ende Juni mit seinen Truppen in Richtung Moskau marschiert, er war mit der Militärführung im Kreml wegen angeblicher Nachschubproblemen im Konflikt. Der angebliche Putschversuch wurde nach Verhandlungen abgebrochen. Teil der Abmachung war, dass die Wagner-Söldner nach Belarus ausweichen müssen.

    Sowohl Polen als auch Litauen sind dazu bereit, die Grenzen zum östlichen Nachbarland, das stark mit dem Aggressor Russland kooperiert, zu schließen, sollten sich "schwerwiegende Zwischenfälle" ergeben, so der litauische Fernsehsender LRT. Beide Länder haben ihre Grenzen weitgehend mit einem Zaun abgesichert. 

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