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Planungsbeschleunigung: Hilft der Pakt für das "Deutschlandtempo" wirklich?

Planungsbeschleunigung

Hilft der Pakt für das "Deutschlandtempo" wirklich?

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    Windräder, Stromtrassen, Bahnstrecken, Wohnungen oder Mobilfunkmasten sollen nach dem Plan von Bund und Ländern einfacher und schneller gebaut werden.
    Windräder, Stromtrassen, Bahnstrecken, Wohnungen oder Mobilfunkmasten sollen nach dem Plan von Bund und Ländern einfacher und schneller gebaut werden. Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa

    Brandenburg hat es vorgemacht: Zwar hatte der US-Milliardär Elon Musk eine Frist von unglaublichen eineinhalb Jahren von der Bauankündigung bis zum Produktionsstart der ersten deutschen Tesla-Fabrik vorgegeben. Doch selbst als die „Gigafactory“ mit neun Monaten Verzögerung tatsächlich an den Start ging, war nicht nur der Kanzler baff: „Deutschland kann schnell sein“, sagte Olaf Scholz als Ehrengast bei der Eröffnung der E-Auto-Schmiede in Grünheide.

    Wohnungswirtschaft begrüßt viele Beschleunigungsmaßnahmen

    Das vorher in Deutschland kaum für möglich gehaltene Tempo von Tesla und Brandenburgs SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke war eines der Vorbilder für das große Paket, auf das sich Bund und Länder beim Gipfel in Berlin geeinigt haben: Windräder, Stromtrassen, Bahnstrecken, Wohnungen oder Mobilfunkmasten sollen einfacher und schneller gebaut werden. Rund 100 Punkte enthält der Plan, um bürokratische und rechtliche Hürden abzubauen.

    Die durch hohe Zinsen und Kostenexplosion gebeutelte Wohnungsbaubranche reagiert erleichtert: „Das Umfeld für den Neubau wird durch die Beschlüsse deutlich besser“, sagt der Präsident des Gesamtverbands der Wohnungswirtschaft, Axel Gedaschko. „Jetzt müssen allerdings auch 16 Landesparlamente diesen Willen der Länderchefs umsetzen“, betont der GdW-Chef. Auch dies müsse jetzt im versprochenen „Deutschlandtempo“ umgesetzt werden, damit die Pläne nicht zerredet werden.

    Diese Maßnahmen im Deutschlandpakt sollen das Bauen erleichtern

    „Zeit ist Geld“, begrüßt Gedaschko alle Maßnahmen für mehr Tempo. „Deshalb werden durch die Beschlüsse zum Beschleunigungspaket sowohl Zeit als auch Geld gespart.“ Vor allem der angekündigte mögliche Verzicht auf Bauleitpläne könnte eine große Zeitersparnis für den Wohnungsneubau bedeuten. „Auch das Vorhaben, auf Genehmigungen beim Dachgeschossausbau zu verzichten, sehen wir als einen wichtigen Baustein, um schnell neuen Wohnraum zu schaffen, gerade in Ballungszentren“, sagt Gedaschko, dessen Verband auch für die zahlreichen städtischen Wohnbaugesellschaften spricht. „In diesem Zusammenhang begrüßen wir auch den Verzicht von verpflichtenden Kfz-Stellplätzen, dies ist ebenfalls eine echte Hilfe“, lobt der Verbandschef. „Auch beim Thema Schallschutz sind Flexibilisierungen geplant, was mehr Wohnungsbau ermöglicht“, fügt er hinzu.

    „Allerdings ändern auch diese Vereinfachungen nichts an der aktuell fast unmöglichen Finanzierbarkeit durch Baukosten und Zinsen“, verweist Gedaschko auf die Ursachen der aktuellen Krise am Bau. „Bei den aktuellen Kosten kann kein bezahlbarer Wohnungsbau geschaffen werden.“ 

    Wohnbauunternehmen: Krise bleibt trotz Deutschlandpakt bestehen

    Forscher erwarten, dass kommendes Jahr nur 177.000 neue Wohnungen in Deutschland gebaut werden, nicht einmal die Hälfte der von der Bundesregierung versprochenen 400.000 pro Jahr. Verbandschef Gedaschko fordert von Bund und Ländern „ein neues Versprechen für bezahlbaren Wohnungsneubau in unserem Land“, wie er betont. Die Regierung muss kurzfristig handeln: Hier ist eine Zinsverbilligung - wie sie auch in anderen europäischen Ländern stattfindet - überfällig. Im Gegenzug müssen dafür entsprechend abgesenkte Mieten garantiert werden. Nur so wäre es noch möglich, in Deutschland Wohnungen zu Mieten von neun bis zwölf Euro zu errichten.

    Die Beschleunigungspläne sollen nicht nur für den Wohnungsbau gelten, sondern auch für alle Art möglicherweise umstrittene Großprojekte. Umweltschützer warnen vor den Folgen: „Der sogenannte Deutschlandpakt beschleunigt vor allem klima- und umweltschädliches Bauen“, kritisiert der Vorsitzende des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Olaf Bandt.

    BUND-Chef Bandt warnt vor Gefahr für Artenschutz durch Deutschlandpakt

    Er kritisiert vor allem die geplanten Vereinfachungen und Vereinheitlichungen im Umgang mit dem Artenschutz bei Bauprojekten. „Wenn wie bei der letzten Novelle des Artenschutzrechts ‚Standards’ ohne wissenschaftliche Expertise gesetzt werden und vor allem dem politischen Machtspiel folgen, führt das dazu, dass Fehler und Fehleinschätzungen zur Norm werden“, sagt Bandt im Gespräch mit unserer Redaktion. „Hier müssen Wissenschaft und Erfahrungswissen den Ton angeben, nicht politische Kompromisse“, betont der BUND-Chef. „Leitlinie muss das Vorsorgeprinzip sein. Denn eine durch Planungseile vernichtete Population kann nicht repariert werden wie eine Filteranlage.“

    Der Naturschützer kritisiert, dass mit dem Deutschlandpakt Erörterungstermine weitgehend außer Kraft gesetzt würden. „Es besteht die Gefahr, dass ohne ausreichende Beteiligung Konflikte vor Ort eskalieren und wichtiges Wissen von Verbänden ausgeschlossen wird“, kritisiert der BUND-Vorsitzende. „Das führt zu Frust und Radikalisierungen“, warnt Bandt.

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