Die Ostseepipeline Nord Stream 1, die zuletzt wichtigste Verbindung für russisches Erdgas nach Deutschland, wird gewartet. Dafür wird der Gasfluss seit Montagmorgen heruntergefahren, wie ein Sprecher der Nord Stream AG der Deutschen Presse-Agentur erklärte. Bis der Fluss komplett auf Null steht, wird es wohl noch einige Stunden dauern. Es seien bereits keine Lieferungen mehr für den Markt veranschlagt. Die Arbeiten sollen laut Betreibergesellschaft bis zum 21. Juli dauern. Während dieser zehn Tage wird kein Gas durch die Pipeline nach Deutschland befördert.
Nord Stream 1: Wieso wird Gas abgedreht?
Bei der Wartung des Nord Stream 1 sollen unter anderem Sicherheitssysteme, die Stromversorgung, der Brand- und Gasschutz sowie Absperr- und Isolierungsventile überprüft und gegebenenfalls instandgesetzt oder kalibriert werden. Auch Software-Updates werden durchgeführt. Die Offshore-Pipelines blieben weiter unter Druck.
Wie lange wird kein Gas durch Nord Stream 1 fließen?
Die Arbeiten finden laut Bundesnetzagentur nicht direkt an der Leitung, sondern an den Verdichterstationen, etwa in Lubmin statt. Unter normalen Umständen sollen die Arbeiten während der geplanten zehn Tage fertiggestellt werden können. In der Vergangenheit wich die Dauer der Arbeiten aber teilweise leicht von der angesetzten Zeit ab. Die Bundesnetzagentur geht in Modellrechnungen von bis zu 14 Tagen aus.
Wartung von Nord Stream 1: Dreht Russland den Gashahn ab?
Dieses Mal gibt es Bedenken, dass Russland den Gashahn nach den Wartungsarbeiten nicht wieder aufdrehen könnte. Diese Sorge hat unter anderem Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) geäußert, so die Deutsche Presseagentur. Laut dem Politiker sehe man ein Muster, das zu diesem Szenario führen könne. Dabei sprach der Bundeswirtschaftsminister auch von einer "wirtschaftskriegerischen Auseinandersetzung" mit Russland.
Mitte Juni hatte Russlands EU-Botschafter gesagt, dass wegen der Problem bei den Reparaturarbeiten auch eine völlige Stilllegung möglich sei. Das russische Staatsunternehmen Gazprom hatte die Liefermenge im Juni mit Verweis auf technische Probleme deutlich gedrosselt.
Die Versorgung Europas gilt seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine Ende Februar als gefährdet. Auch russische Gaslieferungen über andere Leitungen nach Deutschland waren zuletzt deutlich zurückgegangen. Zudem erhalten mehrere europäische Staaten, die die Regierung in Kiew unterstützen, bereits kein Gas mehr aus Russland.
Wie wichtig ist Nord Stream 1 für Gasversorgung in Deutschland?
Zumindest in den vergangenen Monaten war die 2011 in Betrieb genommene Pipeline Nord Stream 1 die Leitung, über die eine deutliche Mehrheit des russischen Gases nach Deutschland geliefert wurde. Neben Nord Stream 1 gibt es auch die Jamal-Leitung, die im brandenburgischen Mallnow ankommt, und ein über die Ukraine verlaufendes Leitungssystem mit Anknüpfungspunkt im bayrischen Waidhaus. Laut Bundesnetzagentur kommt in Mallnow seit einiger Zeit gar kein Gas mehr an, in Waidhaus ist die Menge zuletzt ebenfalls deutlich gesunken und entsprach schon davor nur einem Bruchteil der in Lubmin ankommenden Menge. Der Anteil russischer Gaslieferungen in Deutschland lag im vergangenen Jahr laut Wirtschaftsministerium bei 55 Prozent. Bis Ende April dieses Jahres ist er auf 35 Prozent zurückgegangen.
Kommt es zu Gasmangel, wenn Nord Stream 1 dauerhaft abgeschaltet bleibt?
Sollte der Nord Stream 1 nach zehn Tagen nicht wieder in Betrieb genommen werden, würde es wohl nicht unmittelbar zu einem Gasmangel in Deutschland kommen. Einen Mangel im Winter schließt die Bundesnetzagentur aber nicht aus. Denn Deutschland könnte seine Gasspeicher vor der Heizperiode nicht so weit auffüllen, wie angestrebt. Eine jüngere Diagnose von mehreren deutschen Wirtschaftsforschungsinstituten kommt dagegen zum Schluss, dass auch im ungünstigsten Fall dieses Jahr kein Gasengpass mehr drohe und im kommenden Jahr auch nur in eher ungünstigen Szenarien.
Unabhängig davon würde ein andauernder Lieferstopp wohl die Preise weiter steigen lassen. Unternehmen, die von den gedrosselten Lieferungen betroffen sind, müssen diese schon jetzt zu deutlich höheren Preisen anderweitig am Markt beschafft. Das hat auch Konsequenzen für private Verbraucher. Diese müssen sich laut Bundesnetzagentur auf deutlich steigende Gaspreise einstellen.