Während eine heftige Hitzewelle auf Deutschland zurollt und eine neue Regierungsstudie die Klimaschäden seit dem Jahr 2000 mit 145 Milliarden Euro beziffert, wird in Berlin diskutiert, wie die weitere Erwärmung der Erde gestoppt werden kann. Dazu hat die Bundesregierung Vertreter von 40 Nationen zum "Petersberger Klimadialog" ins Außenministerium am Werderschen Markt geladen.
Auch die Klimadebatte wird vom russischen Angriff auf die Ukraine und die damit verbundene Energiekrise dominiert. Doch die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock kündigte an, dass Deutschland deswegen keine Abstriche beim Klimaschutz machen werde. Die Bundesrepublik verstärke ihre Anstrengungen zum Ausbau der erneuerbaren Energien sogar deutlich, der Krieg wirke hier als eine Art "Booster". Allerdings räumte die Grünen-Politikerin ein, dass Deutschland wegen der Lage für einige Zeit Kohlekraftwerke reaktivieren müsse. Dies geschehe jedoch "nur als Notreserve", betonte sie. Die Bundesrepublik stehe aber unverändert zum 1,5-Grad-Ziel. Im Pariser Klimaabkommen von 2015 hatten sich fast alle Staaten der Erde verpflichtet, den weltweiten Anstieg der Temperaturen auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, dabei wird die Zeitspanne vom Beginn der Industrialisierung bis zum Jahr 2100 zugrunde gelegt.
Baerbock: Haben nur noch acht Jahre Zeit bei weltweiten Emissionen
Baerbock rief die internationale Gemeinschaft dazu auf, in den Anstrengungen gegen den menschengemachten Temperaturanstieg nicht nachzulassen. "Die Klimakrise ist mittlerweile das größte Sicherheitsproblem für alle Menschen auf dieser Erde", sagte sie. Insbesondere die Industrieländer nahm sie in die Pflicht, diese hätten die größte Verantwortung, weil sie bis heute die meisten klimaschädlichen Gase produzierten. Entschiedenes Handeln dulde keinen weiteren Aufschub: "Wir haben nicht zehn, 20, 30 Jahre, nein, uns bleiben noch acht Jahre, um die weltweiten Emissionen nahezu um die Hälfte zu senken."
Den Petersberger Klimadialog nannte die Außenministerin einen "zentralen Baustein" auf dem Weg zu erfolgreichen internationalen Abkommen. Diese sollen bei der Weltklimakonferenz COP27 Anfang November im ägyptischen Badeort Scharm El Scheich unterzeichnet werden. Ägypten fungiert deshalb neben Deutschland als zweiter Gastgeber der Petersberger Klimadialogs, der nach dem ersten Tagungsort, dem früheren Gästehaus der Bundesregierung auf dem Bonner Petersberg benannt ist. Der Name blieb, obwohl die Treffen längst in Berlin stattfinden.
Kanzler Scholz rechtfertigt Kohle-Pläne
Bundeskanzler Olaf Scholz sagte in seinem Grußwort, es gehe nun darum, "Klimaschutz und Wohlstand miteinander zu verbinden, um kommenden Generationen ein lebenswertes Leben ermöglichen. Und zwar in einer lebenswerten Welt." Der SPD-Politiker warnte vor einer weltweiten "Renaissance der fossilen Energie" aufgrund der durch den Ukraine-Krieg verursachten Gaskrise. Wie zuvor Baerbock, rechtfertigte er den kurzfristig steigenden Kohleverbrauch in Deutschland, sprach von einer "eng befristeten Notmaßnahme". Dies gelte auch für deutsche Investitionen in die Gasinfrastruktur wie in Flüssiggas-Terminals. Laut Scholz müssten auch diese im Einklang mit dem Ziel stehen, Deutschland CO2-neutral zu machen.
Neue dauerhafte Abhängigkeiten von fossilen Energiequellen gelte es zu vermeiden, so der Kanzler, sowohl in der Bundesrepublik als auch in den Produktionsländern. Kurzfristig benötigt Deutschland aber Ersatz für ausbleibende russische Gaslieferungen und darüber wurde am Montag ebenfalls gesprochen. Als Gastgeber der Klimakonferenz im Herbst war der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi nach Berlin gekommen. Sein Land verfügt über große Gasmengen und Terminals zu deren Verschiffung. Nach einem Gespräch mit Scholz erklärte sich al-Sisi bereit, eine Partnerschaft mit Deutschland im Energiebereich „aller Art“ einzugehen. Gemeint ist damit offenbar der Export von Erdgas nach Deutschland, aber auch eine Kooperation in den Bereichen Wasserstoff, Wind und Solar. „Ägypten ist dazu bereit, alles anzubieten, um Gas nach Europa zu liefern“, sagte der Staatspräsident. Scholz betonte, es gehe um "Diversifizierungsmöglichkeiten" beim Gas. Man dürfe sich künftig nicht mehr auf einen einzelnen Partner verlassen, sondern müsse "viele gute Partner haben".